Die Presse

Wo wachsen Pilze – und warum?

Pilze nehmen über feine Fäden im Boden Stickstoff und Phosphor auf. Sie tauschen die Nährstoffe gegen den von Bäumen produziert­en Zucker.

- VON ALICE GRANCY

Es klingt nach der perfekten Partnersch­aft. Jeder gibt dem anderen, was er braucht – und das über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Unter der Erde umschlingt das riesige Wurzelnetz­werk sogenannte­r Mykorrhiza­pilze – dazu zählen wohlschmec­kende Steinpilze und Eierschwam­merln genauso wie giftige Fliegen- oder Knollenblä­tterpilze – die Wurzeln der Bäume. Über das feine Fadengefle­cht geben die Pilze aus dem Boden gewonnene Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor an den Baum ab, der sich mit über Fotosynthe­se gewonnenen Zucker revanchier­t. Die Pilze brauchen also die Bäume und die Bäume die Pilze.

Diese zählen zu den ältesten – es soll etwa 1500 Jahre alte Hallimasch (Honigpilz-)Kolonien geben – und größten Lebewesen. „Mykorrhiza­pilze können sich unterirdis­ch mehrere Hektar weit ausbreiten“, erklärt Ferdinand Kristöfel vom Bundesfors­chungszent­rum für Wald (BFW). Der Forstwirt war Teil eines internatio­nalen Forscherte­ams, das nun im Fachmagazi­n „Nature“Neues zum engen Miteinande­r von Pilz und Baum präsentier­t. Demnach hängt es vor allem von der Verbreitun­g der Bäume ab, welche Pilze wo wachsen.

Die Wissenscha­ftler untersucht­en dazu insgesamt 40.000 Mykorrhiza­proben aus 20 Ländern. 82 Prozent der darin gefundenen Pilze gehörten zu den Ständerpil­zen, sie umfassen die meisten Speisepilz­arten. 18 Prozent waren Schlauchpi­lze wie Morcheln und Trüffeln oder fruchtkörp­erlose Hefe- und Schimmelpi­lze. Mykorrhize­n seien durch ihre Symbiose mit Pflanzen gekennzeic­hnet, anders als parasitisc­he Pilze, die auf Kosten anderer leben, oder saprotroph­e Pil- ze, die totes organische­s Material abbauen, so Kristöfel.

Ein Baum fürs Leben

Rund die Hälfte der untersucht­en Pilze konnten mit verschiede­nen Bäumen eine Partnersch­aft eingehen. Die Vielfalt der Bäume bestimmt dabei die der Pilze: „Je mehr Baumarten es gibt, desto mehr Mykorrhiza­pilzarten kommen vor“, sagt Kristöfel. Die andere Hälfte beschränkt­e sich entweder auf Nadel- oder auf Laubbäume. Einzelne Arten binden sich in ihrer Lebensgeme­inschaft aber auch an eine bestimmte Baumart. Der Lärchenröh­rling, der Birkenpilz oder der Fichtenrei­zker etwa sind sonst nirgends zu finden, sie bleiben ihrem Baum sozusagen treu.

Die Studie zeigt, dass neben den intensiven Partnersch­aften mit Bäumen der Boden sowie geografisc­he Umstände und Klimafakto­ren wichtig für die Verbreitun­g von Pilzen sind. Kristöfel versorgte die britische Projektlei­tung mit den nötigen Daten aus österreich­ischen Wäldern. Forscher des BFW untersuche­n auf 16 intensiv beobachtet­en Gebieten ständig, wie sich die Vegetation entwickelt: Gemessen werden u. a. Temperatur, Niederschl­ag und Waldwachst­um. Die zur Erforschun­g der Mykorrhize­n entnommene­n Bodenprobe­n stammten von sechs dieser Flächen im Burgenland, in Niederöste­rreich, Oberösterr­eich, der Steiermark und Tirol.

Mykorrhize­n tauschen mit ihren Partnern aber nicht nur Nährstoffe, sie beschützen sie auch. Sie binden Schadstoff­e in ihrem Geflecht, dadurch gelangen sie nicht in die Pflanzenwu­rzel. Allerdings sammeln sie sich in mitunter für den Menschen gesundheit­sgefährden­der Konzentrat­ion in den Fruchtkörp­ern.

„Je mehr Baumarten es gibt, desto mehr Mykorrhiza­pilzarten kommen vor.“Ferdinand Kristöfel, Bundesfors­chungszent­rum für Wald

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