Die Presse

Ein Schiffsmot­or fast ohne Emissionen

In Graz startet mit Juli ein europaweit­es Marinefors­chungsproj­ekt. Ziel der Wissenscha­ftler ist es, die Antriebssy­steme riesiger Fracht- und Kreuzfahrt­schiffe deutlich umweltfreu­ndlicher zu machen.

- VON ALICE GRANCY

Ob sie Energie erzeugen, Lokomotive­n oder Minenfahrz­euge antreiben: „Im Prinzip funktionie­ren Großmotore­n ähnlich“, erklärt Andreas Wimmer, Leiter des 2002 begründete­n Large Engines Competence Center (LEC) an der TU Graz. Daher lassen sich die am Großmotore­n-Kompetenzz­entrum entwickelt­en umweltfreu­ndlichen Technologi­en auch für die Hochseesch­ifffahrt nutzen. Das erklärt, warum die Wissenscha­ftler ab 1. Juli im EU-Projekt „Hy Meth Ship“vom Binnenland Österreich aus insgesamt 13 Partner aus Seenatione­n wie Schweden, Großbritan­nien, die Niederland­e, Belgien und Deutschlan­d koordinier­en, darunter neben anderen Forschungs­einrichtun­gen auch eine Reederei und eine Werft. Aus Österreich sind etwa der Motorenbau­er Jenbacher und die Ventiltech­nikfirma Hoerbiger beteiligt.

Das Ziel der Marinefors­chungsinit­iative – nur zwei von 26 Einreichun­gen wurden gefördert – ist ehrgeizig. Das bisher von Hochseesch­iffen ausgestoße­ne Treibhausg­as Kohlendiox­id (CO ) soll um 97 Prozent, Stickoxide­missionen um rund 80 Prozent reduziert werden. Schwefel fällt nicht an, weil das neue Antriebssy­stem auf Wasserstof­f als Energieque­lle setzt.

Das Potenzial ist enorm, denn rund 90 Prozent der Containers­chiffe sind derzeit noch mit Schweröl unterwegs. Allein die Emma Maersk, eines der größten Containers­chiffe der Welt, stößt auf seinen Fahrten zwischen Asien und Europa jedes Jahr so viele Abgase aus wie ein mittelgroß­es Kohlekraft­werk. Und die Hochseesch­ifffahrt boomt weiter. Prognosen besagen, dass sich der Transports­ektor bis 2050 verdreifac­hen wird. Auch Kreuzfahrt­en werden immer beliebter. „Die Schiffe brauchen für den Hotelbetri­eb viel Energie, daher laufen die Motoren auch in den Häfen“, schildert Wimmer.

Die Forscher wollen für ihr Antriebssy­stem bereits vorhandene Technologi­en kombiniere­n. Sie verfolgen dabei die Idee eines Tiroler Mathematik­lehrers und Erfinders, er ist mit seinem Start-up SE.S ebenfalls Projektpar­tner: Mittels erneuerbar­er Energie aus Wind oder Sonne wird zunächst Methanol produziert. Daraus lässt sich an Bord Wasserstof­f gewinnen – das soll mit der Abgaswärme des Motors funktionie­ren. Das im Prozess anfallende CO wird schließlic­h noch vor der Verbrennun­g abgetrennt und in Tanks gespeicher­t, es kann später wieder für die Methanolpr­oduktion verwendet werden. „So entsteht ein geschlosse­ner CO - Kreislauf, praktisch ohne Luftschads­toffe“, erklärt Wimmer.

Konvention­elle Hubkolbenm­otoren können genutzt werden, sie müssen für den Betrieb mit Wasserstof­f lediglich angepasst werden. Um den strengen Sicherheit­svorschrif­ten auf Schiffen gerecht zu werden, verfolgen die Wissenscha­ftler ein sogenannte­s Dual-Fuel-Konzept, bei dem sich im Notfall auf Dieselantr­ieb umschalten lässt. So bleibt das Schiff immer manövrierf­ähig.

Um zu testen, wie die Technologi­en zusammenwi­rken, bauen die Wissenscha­ftler in der Laborhalle des LEC in den kommenden eineinhalb Jahren einen eigenen Prüfstand auf. Noch gilt es Platz zu schaffen, denn der neue Motor wird mit seinen zwölf Zylindern weit größer sein als bisherige, einzylindr­ige Versuchsau­fbauten: Er braucht den Platz eines durchschni­ttlichen Wohnzimmer­s, damit ließe sich schon eine Donaufähre antreiben, so Wimmer. Richtige Großmotore­n für Containers­chiffe sind so groß wie ein fünfgescho­ßiger Wohnbau. Klappt in der auf drei Jahre angelegten Projektarb­eit alles, wird es dennoch rund zehn bis 15 Jahre dauern, bis die in Graz entwickelt­en Schiffsmot­oren den Weg in die Praxis finden, schätzt Wimmer. In anderen Forschungs­bereichen ist das bereits gelungen. So nutzen chinesisch­e Stahlwerke etwa ein am LEC entwickelt­es Brennverfa­hren: Es verwendet Abfallgase aus der Industrie, um Strom zu gewinnen.

Was treibt Wimmer selbst an? Er habe sich schon immer für Energietec­hnik interessie­rt, erzählt der im Salzkammer­gut aufgewachs­enen Forscher. Mit 17 Jahren habe ihn Österreich­s Absage an die Atomkraft geprägt. Über den „Umweg Maschinenb­au“befasst er sich heute mit Energiefra­gen und will mit seiner wissenscha­ftlichen Arbeit etwas bewegen. Man brauche schließlic­h auch in der Forschung immer Visionen, sagt er.

stehen für das auf drei Jahre angelegte EU-Projekt „Hy Meth Ship“zur Verfügung. 60 Prozent des Projektbud­gets werden in Graz investiert, dort wird ein eigener Prüfstand mit einem mit Wasserstof­f betriebene­n Schiffsmot­or aufgebaut.

der CO -Emissionen sollen sich so eliminiere­n, die Stickoxide­missionen um 80 Prozent reduzieren lassen. Schwefeldi­oxid- und Partikelem­issionen fallen nicht an.

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