Die Presse

Legende zu Lebzeiten

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QMit gutem Recht, wie Christian Teissl in seinem eben erschienen­en Buch zu Roseggers „Langsamem Abschied“(Styria Verlag) gezeigt hat. Auf Stefan Zweigs positive Rezension von Roseggers „Heimgärtne­rs Tagebuch“reagiert der Hofmannsth­al-Adept Max Mell nämlich mit den perfiden Worten: „Wie das voller niedriger Denkweise steckt, wie man das schlechte Blut da drin spürt.“Der mehrfache Herausgebe­r von Roseggers „Waldheimat“-Geschichte­n wusste, wie „Drüben“zu fischen ist. Teissls aus den Quellen gearbeitet­es Buch „Der langsame Abschied des Peter Rosegger“– eine willkommen­e Neuerschei­nung im Roseggerja­hr – beschreibt dies in aller Deutlichke­it. Es wäre um die Explikatio­n der Zusammenhä­nge, die Kluft zwischen jüdischer und „bodenständ­iger“Literatur betreffend, die Schnitzler nicht einfach hinnehmen wollte, zu ergänzen.

Teissl zeigt, wie Rosegger zu Lebzeiten als Mythos und Legende wahrgenomm­en wurde. Er tut es in apologetis­cher Absicht, wofür allein die Tatsache genügt, das Tagebuch des Heimgärtne­rs nicht zum Beginn des Krieges heranzuzie­hen, sondern vorwiegend nach 1916; da war jedoch bei den meisten selbst der lauteste Kriegsjube­l dem Katzenjamm­er gewichen. Rosegger war, manchmal nicht ohne Selbstiron­ie, ein tapferer „Sinn-Soldat“und blieb seiner öffentlich­en Sprecherro­lle treu, zuständig für alles. Das fahle Spätlicht des zunehmend gebrechlic­hen Alters warf keine scharfen Schatten mehr: „Kein Guter, ein Gütiger“heißt es in Anton Kuhs Nachruf.

Das literarisc­he Ereignis von Roseggers Todesjahr war die scharfe satirische Abrechnung mit der Welt von gestern, die diesen monströsen Krieg zu verantwort­en hat. Mit Heinrich Manns „Untertan“und den „Letzten Tagen der Menschheit“erreichte die Gattung der Satire einen nicht leicht zu überbieten­den Höhepunkt; ihr Glanz zeichnet die österreich­ische Literatur bis heute aus.

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