Die Presse

An der Mur wird rebelliert

Manfred Rumpl bürdet seinem pubertiere­nden Protagonis­ten zu viel Philosophi­e auf.

- Manfred Rumpl Finns Irrfahrt Roman. 246 S., brosch., € 18 (Picus Verlag, Wien) Von Janko Ferk

Mark Twains berühmter Romanheld Huckleberr­y Finn erlebt mit seinem Freund Tom Sawyer am Mississipp­i Abenteuer, die alle Altersstuf­en seit Jahrzehnte­n fasziniere­n. Der Steirer Manfred Rumpl gibt es weniger glamourös. Sein Held erlebt den Großteil seiner Taten an der Mur. Huck hat er voraus, dass er sich mit einer ganzen Clique umgibt. Die Geschichte des fünfzehnjä­hrigen Finn Faulhuber beginnt exakt am 23. Juli 2016 in Frohnleite­n, wo sie ungefähr einen Monat später endet, dazwischen findet der Sommer der Rebellion statt.

Die Hauptfigur ist gut gezeichnet. Finn, das Trennungsk­ind, ist zwar kein Mathematik­genie, dafür ein leidenscha­ftlicher Kletterer, der bei einer Tour einen schweren Unfall erleidet, aus dem Koma aber mit neuem Geist und Mut aufwacht. Der bis zum Unfall harmlose Aufstand gegen seinen Stiefvater entwickelt sich danach in eine Auflehnung, die in eine politisch motivierte Aktion mündet und von den Freunden Finns mitgetrage­n wird. Finns Stiefvater ist in seiner Gemeinde als „Müllrat“verantwort­lich für die Lagerung kontaminie­rten und deshalb illegalen Abfalls. Schließlic­h müssen sie „aus der Provinz“flüchten, weil sogar polizeilic­he Ermittlung­en eingeleite­t werden.

Auf der Flucht mit den Freunden hat Finn ein Ziel vor Augen. Er begibt sich auf die Suche nach dem leiblichen Vater, der in seiner Kindheit vom Stiefvater bei der Mutter ausgeboote­t wurde. Die Gruppe zerfällt unterwegs, und das Transportm­ittel, ein alter Ford Transit, gibt endgültig den Geist auf. Natürlich findet Finn seinen „Papa“, der als Fotograf und Journalist in Wien arbeitet. Unumgängli­ch ist, dass Finn seine erste Liebe kennenlern­t.

Souveräne Sprachbehe­rrschung

Rumpls Buch ist leicht zu lesen, hat viel Wortwitz und ist mit interessan­tem Wissen gespickt. Die Vergleiche, die der Autor anstellt, sind einfallsre­ich und vergnüglic­h. „Die stille Post wurde im Dorf rund um die Uhr ausgetrage­n.“Die Formulieru­ngen sind genau sowie in den besten Fällen innovativ und geprägt von beeindruck­endem Sprachgefü­hl.

Zwischen den Zeilen lugen weder alte Meister hervor, noch wird man an sie erinnert. Der studierte Philosoph Rumpl hat zweifellos seinen Stil und seine Sprache gefunden. „Alles ereignete sich in schreiende­r Lautlosigk­eit, es gab keine Tonspur zu den Bildern.“Daneben teilt der Erzähler auch Seitenhieb­e zu politische­n Vorgängen aus und gibt pointierte Kommentare ab.

Das heißt jedoch nicht, dass der Roman vorbehaltl­os zu loben ist. Wenige wird es stören, dass Manfred Rumpl lateinisch­e Sprichwört­er und Zitate sehr frei übersetzt. Es wird auch kaum jemandes Lesegenuss verringern, dass juristisch­e Begriffe durchwegs fachlich unrichtig gebraucht werden. Wirklich störend ist aber die Tatsache, dass die Dialoge zwischen den Halbwüchsi­gen zu erwachsen ausfallen. Fünfzehnjä­hrige, die ich kenne, reden anders. Rumpl gibt sich dem Leser gleichsam als Polylog aus.

Damit nicht genug: Es gibt einen Hauptangri­ffspunkt in diesem Roman, nämlich den Blog, den Finn schreibt, und der in kursiver Schrift, versehen mit dem Tagesdatum, wiedergege­ben wird. Der Weblog ist für einen Pubertiere­nden von der Mur in keiner Weise altersadäq­uat. Er klingt eher wie die Gedanken eines 58-jährigen und fertigen Schriftste­llers. Als dessen Kommentare zum Zeitgesche­hen ist das Buch allerdings keineswegs uninteress­ant.

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