An der Mur wird rebelliert
Manfred Rumpl bürdet seinem pubertierenden Protagonisten zu viel Philosophie auf.
Mark Twains berühmter Romanheld Huckleberry Finn erlebt mit seinem Freund Tom Sawyer am Mississippi Abenteuer, die alle Altersstufen seit Jahrzehnten faszinieren. Der Steirer Manfred Rumpl gibt es weniger glamourös. Sein Held erlebt den Großteil seiner Taten an der Mur. Huck hat er voraus, dass er sich mit einer ganzen Clique umgibt. Die Geschichte des fünfzehnjährigen Finn Faulhuber beginnt exakt am 23. Juli 2016 in Frohnleiten, wo sie ungefähr einen Monat später endet, dazwischen findet der Sommer der Rebellion statt.
Die Hauptfigur ist gut gezeichnet. Finn, das Trennungskind, ist zwar kein Mathematikgenie, dafür ein leidenschaftlicher Kletterer, der bei einer Tour einen schweren Unfall erleidet, aus dem Koma aber mit neuem Geist und Mut aufwacht. Der bis zum Unfall harmlose Aufstand gegen seinen Stiefvater entwickelt sich danach in eine Auflehnung, die in eine politisch motivierte Aktion mündet und von den Freunden Finns mitgetragen wird. Finns Stiefvater ist in seiner Gemeinde als „Müllrat“verantwortlich für die Lagerung kontaminierten und deshalb illegalen Abfalls. Schließlich müssen sie „aus der Provinz“flüchten, weil sogar polizeiliche Ermittlungen eingeleitet werden.
Auf der Flucht mit den Freunden hat Finn ein Ziel vor Augen. Er begibt sich auf die Suche nach dem leiblichen Vater, der in seiner Kindheit vom Stiefvater bei der Mutter ausgebootet wurde. Die Gruppe zerfällt unterwegs, und das Transportmittel, ein alter Ford Transit, gibt endgültig den Geist auf. Natürlich findet Finn seinen „Papa“, der als Fotograf und Journalist in Wien arbeitet. Unumgänglich ist, dass Finn seine erste Liebe kennenlernt.
Souveräne Sprachbeherrschung
Rumpls Buch ist leicht zu lesen, hat viel Wortwitz und ist mit interessantem Wissen gespickt. Die Vergleiche, die der Autor anstellt, sind einfallsreich und vergnüglich. „Die stille Post wurde im Dorf rund um die Uhr ausgetragen.“Die Formulierungen sind genau sowie in den besten Fällen innovativ und geprägt von beeindruckendem Sprachgefühl.
Zwischen den Zeilen lugen weder alte Meister hervor, noch wird man an sie erinnert. Der studierte Philosoph Rumpl hat zweifellos seinen Stil und seine Sprache gefunden. „Alles ereignete sich in schreiender Lautlosigkeit, es gab keine Tonspur zu den Bildern.“Daneben teilt der Erzähler auch Seitenhiebe zu politischen Vorgängen aus und gibt pointierte Kommentare ab.
Das heißt jedoch nicht, dass der Roman vorbehaltlos zu loben ist. Wenige wird es stören, dass Manfred Rumpl lateinische Sprichwörter und Zitate sehr frei übersetzt. Es wird auch kaum jemandes Lesegenuss verringern, dass juristische Begriffe durchwegs fachlich unrichtig gebraucht werden. Wirklich störend ist aber die Tatsache, dass die Dialoge zwischen den Halbwüchsigen zu erwachsen ausfallen. Fünfzehnjährige, die ich kenne, reden anders. Rumpl gibt sich dem Leser gleichsam als Polylog aus.
Damit nicht genug: Es gibt einen Hauptangriffspunkt in diesem Roman, nämlich den Blog, den Finn schreibt, und der in kursiver Schrift, versehen mit dem Tagesdatum, wiedergegeben wird. Der Weblog ist für einen Pubertierenden von der Mur in keiner Weise altersadäquat. Er klingt eher wie die Gedanken eines 58-jährigen und fertigen Schriftstellers. Als dessen Kommentare zum Zeitgeschehen ist das Buch allerdings keineswegs uninteressant.