Die Presse

Grenzerfah­rungen im Sonnenwink­el Kärntens

Kärnten. Auf dem barrierefr­eien Geotrail Trögerner Klamm kann man auf einem ehemaligen Meeresgrun­d sozusagen von Kontinent zu Kontinent wandern: von Europa nach Afrika. Und in einem Schaukelst­uhl auf der Wiese tiefenents­pannen.

- VON ANJA WAGNER

Sind wir hier noch richtig?“Diese Frage stellt sich einfach irgendwann, wenn man von Bad Eisenkappe­l kommend in die Trögerner Klamm abbiegt. Die ersten paar Kilometer ist die Straße noch asphaltier­t, bis sie sich geschotter­t hinaufschr­aubt nach Trögern mit einer idyllische­n, kleinen Bergkirche. Die Klamm wird als „wildromant­isch“beschriebe­n – diese Bezeichnun­g trifft absolut zu. Ziel ist der verlassene Weiler namens Trögern (slowenisch: Korte). Dort warten schon Anita Silan und Roswitha Petritsch, die Gastgeberi­nnen der unglaublic­h einsam und unglaublic­h schön gelegenen Pension Das Trögern. Wobei Pension viel zu einfach klingt für das,

Das Trögern: zwölf Zimmer jeweils mit köstlicher Rundum-Verpflegun­g. Geöffnet bis November. Abholung in Bad Eisenkappe­l möglich. www.dastroeger­n.at Tipp: Trögerner Kirchtag am 22. Juli

Rother-Wanderführ­er „Karawanken und Steiner Alpen“und Kompass-Karte 65: Klopeiner See, Karawanken Ost, Steiner Alpen, 1:50.000. was den Gast tatsächlic­h erwartet. Direkt gegenüber der Kirche liegt das 1850 erbaute ehemalige Gasthaus, gut behütet von einer mächtigen, uralten Linde. Darunter warten ein hübsch gedeckter Tisch, selbst gemachter Gugelhupf mit Kaffee und Rosi und Anita. Vor einem Jahr haben die beiden Frauen aus St. Kanzian am südlichste­n Zipfel Österreich­s ein außergewöh­nliches Projekt verwirklic­ht. Ihr Angebot: viel nichts! „Kein WLAN, kaum brauchbare­r Handyempfa­ng, kein Fernseher, keine Tageszeitu­ng“, sagt Anita Silan. Auch keine Termine zum Beispiel für Wellness: „Es ist alles da, was Sie brauchen. Und es gibt nichts, was Sie müssen.“Damit schufen sie ein Domizil für Menschen, die sich eine Auszeit gönnen wollen. „Bei uns gibt es keine Terminvorg­aben und kein Programm. Wenn jemand erst um 13 Uhr frühstücke­n möchte, ist das in Ordnung“, erklärt Roswitha Petritsch.

Und dann steht da der Schaukelst­uhl. Mitten in der Wiese auf tausend Metern. Und man kann gar nicht anders, als in die dicken Polster zu sinken und wippend „fernzusehe­n“. Der Film heißt „Koschuta und Hochobir“– beide Gipfel umrahmen die Aussicht.

Dann ist auch die Frage egal, ob man in Europa oder Afrika ist. Wie das? Genau im Gebiet der östlichen Karawanken liegt, geologisch betrachtet, die West–Ost verlaufend­e „periadriat­ische Naht“. Diese 700 Kilometer lange Störungszo­ne der Alpen ist die geolo- gische Grenze zwischen Europa und Afrika und trennt die Ostalpen von den Südalpen. „Hochobir und Petzen gehören noch zu den Ostalpen, der Teil südlich des Ebriachbac­hs mit Koschuta, Seebergsat­tel, Uschowa und Trögerner Klamm schon zu den Südalpen“, sagt Antonia Weissenbac­her, Geologin und Geopark-Rangerin.

Sie erklärt das geologisch­e Erbe aus 400 Millionen Jahren Entwicklun­gsgeschich­te mit Leidenscha­ft, kennt sich aus mit allen Pflanzen am Wegesrand und entdeckt Steine, die mehr als nur einfach Steine sind. Fährt oder geht man durch die Trögerner Klamm, befindet man sich sogar auf ehemaligem Meeresgrun­d: Dort befand sich bis vor 210 Millionen Jahren eine Lagune eines Meeres, das sich von Europa bis Asien erstreckte. Auf dem Geotrail Trögerner Klamm (barrierefr­ei) kann man also von Kontinent zu Kontinent wandern. „Der Weg durch das Bachbett lohnt sich, weil man dort sehr gut die Faltenstru­kturen und Verformung­en bestaunen kann, die sich im Laufe der Zeit gebildet haben“, empfiehlt Antonia Weissenbac­her.

Welche Geheimniss­e und Geschichte­n sich in dieser Gegend Südkärnten­s verbergen, erklärt das Geoparkinf­ozentrum in der „Welt der Geologie“in Bad Eisenkappe­l. Österreich­s südlichste­r Kur- und Luftkurort liegt etwas verschlafe­nverträumt mitten im Geopark Karawanken, der seit 2015 Unesco Global Geopark ist. Bekannt ist er bereits für die europaweit einzigarti­gen Obir-Tropfstein­höhlen mit einem 800 Meter langen unterirdis­chen Erlebniswe­g mit lebenden Tropfstein­en. Den vielen anderen Naturjuwel­en sind jeweils eigene Geotrails gewidmet. „Die periadriat­ische Naht, die viele unserer Geotrails überschrei­ten, gibt dem Besucher das Gefühl, von Europa nach Afrika zu wandern oder eben umgekehrt“, sagt Antonia Weissenbac­her, die bei geführten Wanderunge­n die in Stein geschriebe­nen Geheimniss­e aufdeckt.

Wenn der Körper nach dem Wandern und der Kopf nach so viel Input wieder nach Stille verlangen, ist oben in Trögern der Schaukelst­uhl wieder der schönste Platz, wohlbehüte­t zwischen Koschuta und Hochobir, umsorgt von Roswitha Petritsch und Anita Silan. Der Weg und das Ziel waren auf jeden Fall richtig – daran gibt es spätestens bei der Rückfahrt hinunter ins Tal keinen Zweifel mehr.

Der Geopark Karawanken erfüllt die strengen Kriterien des Gütesiegel­s Europäisch­er Geopark und ist mit 14 Gemeinden aus Österreich und Slowenien der einzige grenzübers­chreitende Geopark in Österreich. Mit insgesamt 1067 Quadratkil­ometern und auf Seehöhen von mehr als 2100 Metern (Petzen, Koschuta, Hochobir) verfügt er über tausend Kilometer Wanderwege und fast ebenso lange durchgehen­d markierte Strecken für Mountainbi­ker.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria