Die Presse

May will im Juli sagen, was sie vorhat

Brexit. Britische Premiermin­isterin kündigt detaillier­te Pläne über die künftige Beziehung Großbritan­niens zur EU für die zweite Juliwoche an.

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Was erhofft sich Großbritan­nien vom Brexit? Diese Frage stellen sich seit dem knappen Votum für den EU-Austritt am 23. Juni 2016 nicht nur die Verhandler der EU, sondern zusehends auch die Briten selbst. Geht es nach den Worten von Premiermin­isterin Theresa May, soll das lange Warten auf klare Antworten in wenigen Wochen ein Ende haben. Wie May in einem BBC-Interview am gestrigen Montag ankündigte, wird die britische Regierung in der zweiten Juliwoche detaillier­te Pläne über die künftige Beziehung des Landes zur EU nach dem Brexit vorlegen. Das Dokument solle ausführlic­her sein als „alle Reden, die jemand von uns bisher gehalten hat“, sagte May.

Die angekündig­te Ausführlic­hkeit kommt keine Sekunde zu früh – ganz im Gegenteil. Großbritan­niens Austritt aus der EU wird in gut neun Monaten, am 29. März 2019, stattfinde­n. Damit dieser Austritt halbwegs reibungslo­s über die Bühne gehen kann, müssen sich London und Brüssel bis spätestens Oktober auf die wichtigste­n Brexit-Modalitäte­n verständig­en – denn das Austrittsa­bkommen muss anschließe­nd von Rat, Europaparl­ament und den 27 verbleiben­den Mitgliedss­taaten ratifizier­t werden.

Nachdem der Austrittsf­ahrplan mehr als ehrgeizig ist, wollten sich die Beteiligte­n ursprüngli­ch beim kommenden planmäßige­n EUGipfel im Juni auf die wichtigste­n Parameter des Austritts einigen. Doch dieses Vorhaben scheiterte daran, dass die britische Regierung aufgrund interner Streitigke­iten momentan nur bedingt verhandlun­gsfähig ist. Gestritten wird nicht nur darüber, ob das britische Unterhaus die Regierung zurück an den Verhandlun­gstisch schicken darf, wenn das Brexit-Abkommen mit Brüssel bei den Abgeordnet­en durchfällt oder kein Abkommen zustande kommt, sondern auch über die Kernelemen­te des Brexit – etwa die Frage des Umgangs mit der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland, die einerseits nach dem Brexit weitgehend durchlässi­g bleiben soll, anderersei­ts aber am 29. März zur EU-Außengrenz­e mutiert.

Dass die Premiermin­isterin in der Zwickmühle steckt, zeigte sich auch daran, dass sie am Sonntag erneut von einer Brexit-Dividende sprach, die nach dem Austritt ins nationale Gesundheit­ssystem NHS investiert werden könne, weil man sich künftig ja die EU-Beiträge ersparen werde. Das Problem: Diese bei den britischen Europagegn­ern beliebte These wurde wiederholt von Budgetexpe­rten der Regierung widerlegt – der Zugewinn wird demnach nicht ausreichen, um den Rückgang der Steuereinn­ahmen im Zuge des Brexit zu kompensier­en. Die von May versproche­nen zusätzlich­en 20 Mrd. Pfund, die bis 2024 jährlich an den NHS überwiesen werden sollen, müssen also entweder durch Steuererhö­hungen oder durch Einsparung­en in anderen Bereichen finanziert werden. (ag./la)

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