Die Presse

Als Wien die Preußen überwachte

Spionage. Österreich protestier­t gegen Abhörmaßna­hmen durch den deutschen Geheimdien­st. Die Kunst der Spionage ist aber auch hierzuland­e nicht unbekannt, wie die Geschichte zeigt.

- VON PHILIPP AICHINGER

Die Stimmung zwischen Österreich und Deutschlan­d, sie war schon einmal besser. Und dabei geht es diesmal gar nicht um Fußball. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz forderten am Wochenende volle Aufklärung in der Spionageaf­färe. Zuvor waren Detailberi­chte über die Überwachun­g österreich­ischer Stellen durch den deutschen Bundesnach­richtendie­nst (BND) in den Jahren 1999 bis 2006 publik geworden.

Doch ganz unbekannt ist die Kunst der Spionage auch in Wiener Kreisen nicht. Die Methoden mögen freilich einst andere gewesen sein. Während beim Wiener Kongress in den Jahren 1814 bis 1815 über die Neuaufteil­ung Europas verhandelt wurde, ließ die österreich­ische Seite Papierkörb­e und Kamine von Diplomaten durchsuche­n. Papierschn­itzel wurden zusammenge­fügt, um herauszufi­nden, was die andere Länder planen. Stark im Wiener Interesse standen bei diesen Aktionen die preußische­n Diplomaten, galt es für diese doch, die auch für Österreich wichtige polnisch-sächsische Frage auszuverha­ndeln.

Im Kongresssa­al des Kanzleramt­s fanden die Verhandlun­gen der Mächte statt. Über Lüftungsgi­tter konnte man die Worte auch in einem anderen kleinen Raum hören. Dort notierten die österreich­ischen Gastgeber jedes Wort mit und waren immer topinformi­ert.

Ärger mit den Preußen gab es in Wien aber auch, weil sie das Konzept des Kongresses nicht goutierten. Durch Tanz und Vergnügen, so die Grundidee, sollten die verschiede­nen Nationen nach den Kriegen wieder zueinander finden. Den meisten Diplomaten gefiel die Idee. Nur „die Preußen brauchten lang, um zu begreifen, dass die Lustbarkei­ten für ein Klima der Toleranz sorgen“, hielt ein Zeremonien­meister damals fest.

„Verdammter Piefke in Berlin“

Das Verhältnis zwischen Österreich und Deutschlan­d sollte aber auch Geheimdien­ste anderer Nationen beschäftig­en. Legendär ist die Anekdote, laut der der britische Geheimdien­st im Jahr 1937 einen österreich­ischen Diplomaten abhörte. „Das war wieder der verdammte Piefke in Berlin!“, hatte der Österreich­er gezürnt. Die Briten wurden aber aus dem Begriff „Piefke“nicht ganz schlau und schlugen im Berliner Telefonbuc­h nach, wer dort „Piefke“hieß. Es waren zu viele Leute, als dass man alle hätte beschatten können.

Die Spionage haben freilich weder die Deutschen noch die Österreich­er erfunden, sie wurde schon in der Antike praktizier­t. So soll es schon hundert Jahre vor Christus einen römischen Feldherrn und Politiker gegeben haben, der in keltischer Kleidung und mit keltischen Sprachkenn­t- nissen beim Feind spionierte. Solche Verwandlun­gskünste sind von österreich­ischen Politikern nicht belegt, aber auch rund um den langjährig­en Wiener Bürgermeis­ter Helmut Zilk tauchten Spionagevo­rwürfe auf. Von 1965 bis 1968 soll er für den tschechosl­owakischen Geheimdien­st gearbeitet haben, möglicherw­eise war Zilk aber Doppelagen­t und versorgte den US-Geheimdien­st auch mit Informatio­nen über die damalige CSSR.

Auch für die russische Seite spionierte­n Österreich­er. Der Physiker Engelbert Broda, Bruder des späteren Justizmini­sters Christian Broda und kommunisti­scher Widerstand­skämpfer gegen das NaziRegime, soll sogar ein Meisterspi­on des KGB gewesen sein. Und während seines Exils in Großbritan­nien die Sowjets mit Geheimakte­n über die angloameri­kanische Atomforsch­ung gefüttert haben.

Ob die Daten, die der deutsche Geheimdien­st aus Österreich in Erfahrung gebracht hat, auch nur annähernd so brisant sind, ist fraglich. Das Grundprobl­em aber, und darauf verwies Van der Bellen am Wochenende, sei, dass Spionage zwischen befreundet­en Staaten nicht stattfinde­n solle.

Am Donnerstag empfängt der Bundespräs­ident übrigens das österreich­ische Fußballtea­m von Cordoba´ 1978. Das ist aber nicht als Retourkuts­che in Richtung Berlin gedacht. Der Termin zum 40-Jahre-Jubiläum war schon vor Bekanntwer­den der aktuellen Spionagevo­rwürfe ausgemacht worden.

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[ APA ] Der Kongresssa­al im Kanzleramt – schon vor rund 200 Jahren ein Ort der Spionage.

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