Als Wien die Preußen überwachte
Spionage. Österreich protestiert gegen Abhörmaßnahmen durch den deutschen Geheimdienst. Die Kunst der Spionage ist aber auch hierzulande nicht unbekannt, wie die Geschichte zeigt.
Die Stimmung zwischen Österreich und Deutschland, sie war schon einmal besser. Und dabei geht es diesmal gar nicht um Fußball. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz forderten am Wochenende volle Aufklärung in der Spionageaffäre. Zuvor waren Detailberichte über die Überwachung österreichischer Stellen durch den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) in den Jahren 1999 bis 2006 publik geworden.
Doch ganz unbekannt ist die Kunst der Spionage auch in Wiener Kreisen nicht. Die Methoden mögen freilich einst andere gewesen sein. Während beim Wiener Kongress in den Jahren 1814 bis 1815 über die Neuaufteilung Europas verhandelt wurde, ließ die österreichische Seite Papierkörbe und Kamine von Diplomaten durchsuchen. Papierschnitzel wurden zusammengefügt, um herauszufinden, was die andere Länder planen. Stark im Wiener Interesse standen bei diesen Aktionen die preußischen Diplomaten, galt es für diese doch, die auch für Österreich wichtige polnisch-sächsische Frage auszuverhandeln.
Im Kongresssaal des Kanzleramts fanden die Verhandlungen der Mächte statt. Über Lüftungsgitter konnte man die Worte auch in einem anderen kleinen Raum hören. Dort notierten die österreichischen Gastgeber jedes Wort mit und waren immer topinformiert.
Ärger mit den Preußen gab es in Wien aber auch, weil sie das Konzept des Kongresses nicht goutierten. Durch Tanz und Vergnügen, so die Grundidee, sollten die verschiedenen Nationen nach den Kriegen wieder zueinander finden. Den meisten Diplomaten gefiel die Idee. Nur „die Preußen brauchten lang, um zu begreifen, dass die Lustbarkeiten für ein Klima der Toleranz sorgen“, hielt ein Zeremonienmeister damals fest.
„Verdammter Piefke in Berlin“
Das Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland sollte aber auch Geheimdienste anderer Nationen beschäftigen. Legendär ist die Anekdote, laut der der britische Geheimdienst im Jahr 1937 einen österreichischen Diplomaten abhörte. „Das war wieder der verdammte Piefke in Berlin!“, hatte der Österreicher gezürnt. Die Briten wurden aber aus dem Begriff „Piefke“nicht ganz schlau und schlugen im Berliner Telefonbuch nach, wer dort „Piefke“hieß. Es waren zu viele Leute, als dass man alle hätte beschatten können.
Die Spionage haben freilich weder die Deutschen noch die Österreicher erfunden, sie wurde schon in der Antike praktiziert. So soll es schon hundert Jahre vor Christus einen römischen Feldherrn und Politiker gegeben haben, der in keltischer Kleidung und mit keltischen Sprachkennt- nissen beim Feind spionierte. Solche Verwandlungskünste sind von österreichischen Politikern nicht belegt, aber auch rund um den langjährigen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk tauchten Spionagevorwürfe auf. Von 1965 bis 1968 soll er für den tschechoslowakischen Geheimdienst gearbeitet haben, möglicherweise war Zilk aber Doppelagent und versorgte den US-Geheimdienst auch mit Informationen über die damalige CSSR.
Auch für die russische Seite spionierten Österreicher. Der Physiker Engelbert Broda, Bruder des späteren Justizministers Christian Broda und kommunistischer Widerstandskämpfer gegen das NaziRegime, soll sogar ein Meisterspion des KGB gewesen sein. Und während seines Exils in Großbritannien die Sowjets mit Geheimakten über die angloamerikanische Atomforschung gefüttert haben.
Ob die Daten, die der deutsche Geheimdienst aus Österreich in Erfahrung gebracht hat, auch nur annähernd so brisant sind, ist fraglich. Das Grundproblem aber, und darauf verwies Van der Bellen am Wochenende, sei, dass Spionage zwischen befreundeten Staaten nicht stattfinden solle.
Am Donnerstag empfängt der Bundespräsident übrigens das österreichische Fußballteam von Cordoba´ 1978. Das ist aber nicht als Retourkutsche in Richtung Berlin gedacht. Der Termin zum 40-Jahre-Jubiläum war schon vor Bekanntwerden der aktuellen Spionagevorwürfe ausgemacht worden.