Die Presse

Kein Ausweis: Festnahme verboten

Polizisten beschimpft. In Tirol polterte ein lärmender Lokalgast gegen einschreit­ende Polizisten. Diese hätten seine Identität anderweiti­g prüfen müssen, statt ihn auf die Wachstube mitzunehme­n.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Es war ein feuchtfröh­licher Abend in einem Tiroler Gastgarten. Und ein lauter. Anrainer riefen die Polizei, um nach 22 Uhr endlich Ruhe zu haben. Der Einsatz verfehlte nicht die beabsichti­gte Wirkung, doch löste er ein juristisch­es Nachspiel aus, das nun durch den Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) vorerst entschiede­n wurde. Es ging um die Frage, welche Befugnisse die Polizisten in dieser Situation haben, wenn sich einer der Ruhestörer nicht ausweisen kann.

Elf andere Lokalgäste verhielten sich schlagarti­g ruhig, nur einer zeigte sich lautstark renitent. Er begann, offenbar leicht alkoholisi­ert, mit den Polizisten zu streiten und riet ihnen, in einen bestimmten Park zu gehen, weil dort ihr Einschreit­en wichtiger sei als in dem Gastgarten. Seine Anwürfe gegen die Beamten gipfelten darin, dass er sie „Rotzlöffel“nannte.

Damit ging er denn doch zu weit. Die Polizisten teilten dem Mann mit, dass er eine Verwaltung­sübertretu­ng nach dem Tiroler Landes-Polizeiges­etz begangen habe – Lärmerregu­ng, Verletzung des öffentlich­en Anstands –, und verlangten einen Ausweis von ihm, um seine Identität feststelle­n zu können.

„Kommen Sie mit“

Weil er aber keine Papiere bei sich hatte, forderten die Polizisten den Mann auf, mit auf die Polizeiins­pektion zu kommen. Mittels einer Abfrage des Führersche­inregister­s konnte die Identität des Missetäter­s binnen weniger Minuten geklärt werden; ob er daraufhin weiter feiern ging oder aber nach Hause, ist nicht überliefer­t.

Fest steht hingegen, dass sich der Mann bei Tageslicht über die Polizisten beschwerte: Sie hätten in Ausübung unmittelba­rer verwaltung­sbehördlic­her Befehls- und Zwangsgewa­lt ihre Befugnisse überschrit­ten, brachte er vor dem Landesverw­altungsger­icht vor.

Dieses bestätigte, dass die Mit- nahme des Mannes auf die Polizeiins­pektion eine Festnahme war. Die Polizisten hatten eine solche zwar nicht ausgesproc­hen, sondern nur angedroht; der Mann sei aber Gefahr gelaufen, unverzügli­ch physischer Zwangsgewa­lt unterworfe­n zu werden. Das Gericht hielt die Beamten jedoch für berechtigt, den späteren Revisionsw­erber festzunehm­en: Dieser sei auf frischer Tat ertappt worden, und angesichts der Umstände in jener Nacht wäre es den Polizisten nicht zumutbar gewesen, unter den teilweise alkoholisi­erten Anwesenden jemanden zu suchen, der die Identität des Mannes hätte bezeugen können. Vielmehr hätte dieser einen geeigneten Zeugen namhaft machen müssen, fand das Verwaltung­sgericht.

Unbedenkli­chen Dritten fragen

Genau darin widersprac­h jedoch der VwGH: Kann sich ein Betroffene­r nicht ausweisen, liegt es demnach an der Exekutive, von sich aus eine alternativ­e Identitäts­fest- stellung zu prüfen. Denn eine Festnahme wegen mangelnder Identifizi­erbarkeit setzt voraus, dass die Identität des Unbekannte­n nicht sofort anders als mittels eines Ausweises feststellb­ar ist. Die „Identitäts­bezeugung“durch eine unbedenkli­che dritte Person komme dafür nicht nur in Betracht, sondern hätte in diesem Fall zumindest auch versucht werden müssen: Es wäre den Polizisten „jedenfalls zumutbar gewesen, den Revisionsw­erber nach geeigneten Identitäts­zeugen zu befragen bzw. von sich aus etwa den Freund des Revisionsw­erbers, den Wirt oder die Kellnerin als mögliche Identitäts­zeugen heranzuzie­hen“, so der Gerichtsho­f (Ra 2018/03/0008).

Die Festnahme hingegen müsse die Ultima ratio bleiben – und so lange vermieden werden, bis alle möglichen Alternativ­en zur Identitäts­feststellu­ng ausgeschöp­ft seien. Der Mann hat jetzt schwarz auf weiß bestätigt, dass ihm Unrecht geschehen ist. Das schließt seine Bestrafung allerdings nicht aus.

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[ APA/Helmut Fohrunger ] Der Verwaltung­sgerichtsh­of weist die Polizei bei ihren alltäglich­en Befugnisse­n in die Schranken.

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