Kein Ausweis: Festnahme verboten
Polizisten beschimpft. In Tirol polterte ein lärmender Lokalgast gegen einschreitende Polizisten. Diese hätten seine Identität anderweitig prüfen müssen, statt ihn auf die Wachstube mitzunehmen.
Es war ein feuchtfröhlicher Abend in einem Tiroler Gastgarten. Und ein lauter. Anrainer riefen die Polizei, um nach 22 Uhr endlich Ruhe zu haben. Der Einsatz verfehlte nicht die beabsichtigte Wirkung, doch löste er ein juristisches Nachspiel aus, das nun durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) vorerst entschieden wurde. Es ging um die Frage, welche Befugnisse die Polizisten in dieser Situation haben, wenn sich einer der Ruhestörer nicht ausweisen kann.
Elf andere Lokalgäste verhielten sich schlagartig ruhig, nur einer zeigte sich lautstark renitent. Er begann, offenbar leicht alkoholisiert, mit den Polizisten zu streiten und riet ihnen, in einen bestimmten Park zu gehen, weil dort ihr Einschreiten wichtiger sei als in dem Gastgarten. Seine Anwürfe gegen die Beamten gipfelten darin, dass er sie „Rotzlöffel“nannte.
Damit ging er denn doch zu weit. Die Polizisten teilten dem Mann mit, dass er eine Verwaltungsübertretung nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz begangen habe – Lärmerregung, Verletzung des öffentlichen Anstands –, und verlangten einen Ausweis von ihm, um seine Identität feststellen zu können.
„Kommen Sie mit“
Weil er aber keine Papiere bei sich hatte, forderten die Polizisten den Mann auf, mit auf die Polizeiinspektion zu kommen. Mittels einer Abfrage des Führerscheinregisters konnte die Identität des Missetäters binnen weniger Minuten geklärt werden; ob er daraufhin weiter feiern ging oder aber nach Hause, ist nicht überliefert.
Fest steht hingegen, dass sich der Mann bei Tageslicht über die Polizisten beschwerte: Sie hätten in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ihre Befugnisse überschritten, brachte er vor dem Landesverwaltungsgericht vor.
Dieses bestätigte, dass die Mit- nahme des Mannes auf die Polizeiinspektion eine Festnahme war. Die Polizisten hatten eine solche zwar nicht ausgesprochen, sondern nur angedroht; der Mann sei aber Gefahr gelaufen, unverzüglich physischer Zwangsgewalt unterworfen zu werden. Das Gericht hielt die Beamten jedoch für berechtigt, den späteren Revisionswerber festzunehmen: Dieser sei auf frischer Tat ertappt worden, und angesichts der Umstände in jener Nacht wäre es den Polizisten nicht zumutbar gewesen, unter den teilweise alkoholisierten Anwesenden jemanden zu suchen, der die Identität des Mannes hätte bezeugen können. Vielmehr hätte dieser einen geeigneten Zeugen namhaft machen müssen, fand das Verwaltungsgericht.
Unbedenklichen Dritten fragen
Genau darin widersprach jedoch der VwGH: Kann sich ein Betroffener nicht ausweisen, liegt es demnach an der Exekutive, von sich aus eine alternative Identitätsfest- stellung zu prüfen. Denn eine Festnahme wegen mangelnder Identifizierbarkeit setzt voraus, dass die Identität des Unbekannten nicht sofort anders als mittels eines Ausweises feststellbar ist. Die „Identitätsbezeugung“durch eine unbedenkliche dritte Person komme dafür nicht nur in Betracht, sondern hätte in diesem Fall zumindest auch versucht werden müssen: Es wäre den Polizisten „jedenfalls zumutbar gewesen, den Revisionswerber nach geeigneten Identitätszeugen zu befragen bzw. von sich aus etwa den Freund des Revisionswerbers, den Wirt oder die Kellnerin als mögliche Identitätszeugen heranzuziehen“, so der Gerichtshof (Ra 2018/03/0008).
Die Festnahme hingegen müsse die Ultima ratio bleiben – und so lange vermieden werden, bis alle möglichen Alternativen zur Identitätsfeststellung ausgeschöpft seien. Der Mann hat jetzt schwarz auf weiß bestätigt, dass ihm Unrecht geschehen ist. Das schließt seine Bestrafung allerdings nicht aus.