Ein Sänger auf dem langen Heimweg
Mit einem großen Alten des Country begann das Jazzfest Wien: Kris Kristofferson sang in der Stadthalle.
„Long hair, beard and sandals, and a funky bunch of friends“: Mit seinem ganz eigenen schelmischen Lächeln sang der bald 82-jährige Kris Kristofferson auch diese Zeilen des Songs „Jesus Was a Capricorn“, den er 1972 geschrieben hat. Von „Rednecks“, die die Hippies für ihre langen Haare verspotten, ist darin die Rede. Schon 1969 schrieb ein anderer Countrysänger, Merle Haggard, ein ganz anderes Lied, „Okie from Muskogee“, so etwas wie das amerikanische Pendant zum österreichischen „Fürstenfeld“(natürlich zeitversetzt, im STS-Song ist das Woodstock-Gefühl schon Teil der ländlichen Idylle und der grelle Punk die Musik des urbanen Grauens): „We don’t let our hair grow long and shaggy, like the hippies out in San Francisco do“, heißt es darin. Präsident Nixon wünschte sich das Lied einmal von Johnny Cash, der verweigerte es.
Heute sind beide Songs in Kristoffersons Repertoire: Die Zeiten, als man sich als Countrysänger zwischen langen und kurzen Haaren, ländlichem Biedersinn und kalifornischer Boheme entscheiden musste, sind längst vorbei. Mehr noch: Die drei Musiker, die Kristofferson derzeit auf seiner Tournee begleiten, darunter der gewitzte Fiedler Scott Joss, waren einst in der Band des 2016 gestorbenen Merle Haggard, der ja gar nicht so ein Reaktionär war. In Wien brachten sie gleich sechs von dessen Songs, darunter das augenzwinkernde „I Think I’ll Just Stay Here and Drink“und das rührende „Sing Me Back Home“, in dem es heißt: „Make my old memories come alive, take me away and turn back the years, sing me back home before I die.“
Das hätte gut das Motto dieses besinnlichen Abends in der Stadthalle sein können: Es ging um die Heimkehr. Kristoffersons Songs sind fast immer Lieder der Reise, durch Amerika und durchs Leben, und oft sind sie Lieder der Reise nach Hause. Als Pilger beschrieb er sich selbst in „The Pilgrim, Chapter 33“: „He’s a walkin’ contradiction, partly truth and partly fiction, takin’ every wrong direction on his lonely way back home.“Und in seinem Gospel „Why Me“ist die Heimat eine geistliche.
In dieses Licht passte auch „Me and Bobby McGee“, das Wanderlied der Hippie-Generation: Wirklich frei ist man, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Wenn man ohne viel Gepäck auf dem Heimweg ist. Schön, dass der gute Kris Kristofferson dabei noch einmal in Wien Station gemacht hat. (tk)