Elina Garanˇca rührte, berührte aber kaum
Konzerthaus. Der Venezolaner Rafael Payare dirigierte die Wiener Philharmoniker bei Beethovens dritter Leonoren-Ouvertüre recht theatralisch. Garanˇca ließ es bei Mahlers Rückert-Liedern an Innigkeit fehlen.
Es hat schon Eigensinn, ein Konzert mit der dritten Leonoren-Ouverture zu beginnen, die Beethoven unmissverständlich mit Finalwirkung ausgestattet hat. Ein „Philharmonisches“, diesmal im Konzerthaus, der anderen Art. Der versuchten Annäherungen: Publikumsmagnet und Primadonna Elina Garancaˇ erkundete die Welten des Gustav Mahler, die Philharmoniker gewährten einem sympathischen Jungdirigenten eine Chance mit anschließender Kurztournee.
„Leonore drei“hat dieses Orchester wohl im kleinen Finger, der 38-jährige Venezolaner Rafael Payare ging aber nicht auf Nummer sicher, sondern versuchte, eigene Akzente durchzusetzen. Wie Gustavo Dudamel entstammt er dem bekannten „El Sistema“und neigt zu Theatralik und übertriebenen Gebärden, womit er sich bei einem Spitzenorchester nicht viel Freunde machen wird. Von seinem großen Mentor Lorin Maazel konnte er auch nur wenig von dessen Sinn für Form und Struktur mitnehmen.
Konnte bei Beethoven vielleicht etwas Probenzeit eingespart werden, schien ein kostbarer Klangteppich für Mahlers RückertLieder genau und detailliert vorbereitet und gearbeitet. Für die wunderbare Elina Garanca,ˇ die seit ihrer Wiener Dalila sich gern in Distanz zu Text und Inhalt bewegt. Der majestätische Auftritt und ihre Attraktivität betören sicherlich Publikumsaugen, Vortragsintensität fördern sie aber nicht, Payare kann sie dazu nicht auf Händen tragen, er ist mit dem Orchester ausreichend beschäftigt. Garancasˇ kostbarer Mezzo entwickelt sich immer mehr in die Höhe – unabhängig davon, verkauft sie ihre Kunst in kleinen Dosen.
Mit bescheidenem Interesse für Wortdeutlichkeit und ökonomischem Stimmeinsatz absolvierte sie die beiden ersten Lieder, bis sie sich „Um Mitternacht“von der Dramatik der Szene doch mitreißen ließ, wenn die Macht abgegeben und nur noch über Leben und Tod entschieden wird. Dann darf die Liebe nicht fehlen – mit allen Warnungen vor der Liebe, der es nur um Schönheit oder um Schätze geht. Schließlich kam doch etwas Innigkeit dazu, wenn sie „der Welt abhanden gekommen“ist. Quasi als Zugabe dann noch das „Urlicht“– dankenswerterweise ohne Zwischenapplaus. Die Zeiten einer Christa Ludwig oder Jessye Norman sind halt längst vorbei, als bei „O Röschen rot“noch riesige Pianotöne nachdrücklich im Raum standen. Wir leben im Bio-Zeitalter: alles schlank, aber gesund. Elina Garancaˇ rührte mit Mahler, berührte aber kaum.
Nach dem „Urlicht“wäre es aufregend gewesen, die Zweite Mahlers weiterzuhören, so musste aber nun im Tourprogramm ein orchestrales Bravourstück her. Bartoks´ „Konzert für Orchester“ist aber auch ein feingliedriges Spiel von irisierenden Farben und frechen Rhythmen. Als er sich darum bemühte, machte Rafael Payare gute Figur – im Cut, nach der Etikette so richtig wie elegant. Wenn’s auch nur Abonnentenfutter war, auch das muss sein. Darum ist einem alten Theater-Aberglauben nach auch die Premiere immer besser als die Generalprobe.