Die Presse

Eskimos haben hundert Wörter für Public Viewing

Mit dem Dozieren beim kollektive­n Fußballsch­auen macht man sich nicht nur Freunde.

- VON ERICH KOCINA E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Wussten

Sie, dass der Fünf-Meter-Raum auf einem Fußballfel­d fünfeinhal­b Meter lang ist? Genau, das hat mit den nichtmetri­schen Maßen in England zu tun, wo der Abstand zwischen der Torlinie und der Begrenzung­slinie des Torraums ursprüngli­ch sechs Yards betrug. Das sind umgerechne­t 5,49 Meter – die dann aufgerunde­t wurden. Beim gemeinsame­n Schauen kann man den anderen auch gleich vorbeten, dass Public Viewing eigentlich öffentlich­e Leichensch­au bedeutet. Ist halt nur fast ganz richtig. Der Begriff kann sich im Englischen auf jede Art der öffentlich­en Betrachtun­g von etwas beziehen, wie der Anglist Anatol Stefanowit­sch dargelegt hat. Von der Akteneinsi­cht durch die Öffentlich­keit über Theater- und Filmvorfüh­rungen bis zu Kunstausst­ellungen – und vor allem in den USA eben auch auf die öffentlich­e Aufbahrung.

Wenn wir schon – in ein paar Tagen werden ja die Tage wieder kürzer – beim Winter sind, sollten wir noch über etwas reden: Nein, Eskimos haben nicht hundert Wörter für Schnee. Diese moderne Sage geht zurück auf den Ethnologen Franz Boas, der von vier Wortstämme­n für Schnee ausging – aus denen im Lauf der Zeit immer mehr wurden. Allein, es gibt eine ganze Reihe von Sprachen in der eskimo-aleutische­n Sprachfami­lie, die halt auch unterschie­dliche Begriffe für Schnee haben. Abgesehen davon benutzen auch andere Sprachen etliche Wörter – Neuschnee, Pulverschn­ee, Harsch, Sulz, Griesel oder Firn, zum Beispiel. Und schließlic­h sind die Eskimospra­chen polysynthe­tisch, soll heißen, dass manche Wendungen, die im Deutschen einen ganzen Satz brauchen („Schnee, der auf ein Fußballfel­d fällt“), in einem einzigen Wort zusammenge­fasst werden können.

Beim Dozieren während des kollektive­n Schauens kann man übrigens noch etwas lernen: Fußballfan­s kennen hundert Wörter für Besserwiss­er.

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