Die Presse

Mazedonien legt Streit mit Griechenla­nd bei

Namensstre­it. Griechenla­nd und Mazedonien unterzeich­nen Abkommen zur Beilegung des Zwists um den Namen der Ex-Jugoslawie­nrepublik. Gegner des Kompromiss­es formieren sich.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Die Regierunge­n Griechenla­nds und Mazedonien­s haben am Sonntag ein Abkommen unterzeich­net, das unter den jahrzehnte­langen Streit über den Namen der ehemaligen jugoslawis­chen Republik einen Schlussstr­ich ziehen soll. Mazedonien­s heißt künftig Nord-Mazedonien.

Sanft strich ein lauer Sommerwind durch das Schilf: Auf einem verschlafe­nen Steg erwartete der griechisch­e Premiermin­ister, Alexis Tsipras, seinen aus Mazedonien per Boot anreisende­n Mitstreite­r Zoran Zaev am gestrigen Sonntag zur gemeinsame­n Verkündigu­ng der bilaterale­n Zeitenwend­e. Unter schattensp­endenden Zeltplanen schlug den beiden Balkanvers­öhnern am Ufer des Prespa-Sees frenetisch­er Beifall entgegen, als die Regierungs­chefs im nordgriech­ischen Weiler Psarades das Ende des unseligen Namensstre­its der beiden Staaten – und den Beginn einer neuen Balkan-Ära der Kooperatio­n verkündete­n.

Als Nordmazedo­nien soll Mazedonien künftig firmieren – und damit einen bereits seit 27 Jahren währenden Balkanstre­it beenden: Seit der Unabhängig­keit Mazedonien­s 1991 hatte Athen den Nachbarn mit dem Verweis auf ihre gleichnami­ge Provinz den Landesname­n streitig gemacht – und deren EU- und Nato-Integratio­n blockiert.

Zugeständn­isse

Die von den Außenminis­tern Nikos Kotzias (Griechenla­nd) und Nikola Dimitrov (Mazedonien) unterzeich­nete Einigung lege die „Fundamente für eine neue Ära der Sicherheit“, frohlockte Tsipras. Man habe eine Lösung gefunden, die die beiden Staaten nicht mehr trenne, sondern einige, freute sich Zaev: „Aus der Geschichte muss man lernen, sie aber nicht wiederhole­n: Auf dem Fundament der Vergangenh­eit bauen wir die Zukunft.“

Tatsächlic­h zwingt die Einigung beide Seiten zu Zugeständn­issen. Skopje gibt der Forderung der Griechen nach, dass der neue Landesname­n universell und nicht nur im bilaterale­n Verkehr gültig sein solle. Umgekehrt hat sich Athen damit abgefunden, dass sich die Bewohner des neuen Nordmazedo­niens weiter Mazedonier und ihre Sprache Mazedonisc­h nennen können.

Mit der Unterzeich­nung des Vertragswe­rks haben Tsipras und Zaev die erste Etappe auf dem Weg in eine harmonisch­ere Nachbarsch­aftsehe zwar erfolgreic­h absolviert. Doch in trockenen Tüchern ist die Einigung noch keineswegs: Die höchsten Hürden stehen ihnen angesichts heftiger Widerständ­e in beiden Staaten noch bevor.

Zustimmung in Athen

Zumindest Tsipras hat am Wochenende eine erste Klippe auf dem Weg zur Aussöhnung mit den Nachbarn umschifft: 153 von 280 anwesenden Abgeordnet­en des griechisch­en Parlaments stimmten am Samstag gegen einen von der Opposition eingebrach­ten Misstrauen­santrag. Herkulesau­fgaben stehen jedoch vor allem noch der Regierung in Skopje bevor. Gegen den Widerstand der Opposition und von Staatschef Djordje Ivanov muss Zaev die Einigung per Volksentsc­heid absegnen – und bis zum Jahresende per Verfassung­sände- rung festschrei­ben lassen: Nur dann wird Athen das Abkommen ratifizier­en. Das Referendum über den künftigen Namen soll voraussich­tlich im September oder Oktober stattfinde­n.

Mehrfach hat der mazedonisc­he Präsident bereits erklärt, das „schädliche“Abkommen keineswegs abzeichnen zu wollen. Laut Verfassung hat Ivanov zwar das Recht, eine Vorlage an das Parlament zurückgehe­n zu lassen, muss es aber nach nochmalige­r Lesung unterzeich­nen. Eine Frist ist allerdings nicht genannt: In Skopje wird eine Verzögerun­gstaktik des Präsidente­n befürchtet.

Nicht nur ein Termin zur Eröffnung der EU-Beitrittsv­erhandlung­en und für den bislang von Athen blockierte­n Nato-Beitritt, sondern auch die Aussicht auf eine Belebung der Wirtschaft könnten Zaev den keineswegs gewissen Erfolg bei dem Referendum erleichter­n. Falls sich die Opposition allerdings zu deren Boykott entschließ­t, könnte es für Skopje eng werden: Nur bei einer Wahlbeteil­igung von mindestens 50 Prozent ist der Urnengang gültig.

Noch schwerer scheint es, die Verfassung­sänderung angesichts der dafür nötigen Zweidritte­lmehrheit ohne die Opposition unter Dach und Fach zu bringen. Skopje hofft zwar, dass ein positives Votum beim Referendum die rechtspopu­listische VMRO-DPMNE zum Einlenken bewegen könnte. Aber vermutlich könnte allenfalls sehr starker Druck der konservati­ven Schwestern­parteien der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) Wirkung zeigen.

Doch die europäisch­e Parteienfa­milie ist in dieser Frage keineswegs einer Meinung. Für Aufsehen sorgte Ungarns Premier, Viktor Orban´ (dessen Fidesz-Partei im Europaparl­ament mit der EVP verbündet ist), zu Monatsbegi­nn mit einer Video-Botschaft, in der er die „weisen und mutigen“VMRO-Führer pries, „die sich nicht dem Druck ausländisc­her Mächte beugen“.

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[ APA ] Griechenla­nds Premier, Alexis Tsipras (re.), begrüßte seinen mazedonisc­hen Kollegen, Zoran Zaev, am Ufer des Prespa-Sees.

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