Die Presse

Kommen Depression­en aus dem Darm?

Zumindest bei Mäusen verändert fettreiche Kost die Darmflora so, dass sie auf das Gehirn durchschlä­gt.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wo sitzen Ängste, mildere und lähmende? Natürlich im Gehirn. Aber von dem haben wir zumindest metaphoris­ch nicht nur eines: Das Gedärm ist so reich mit Nervenzell­en ausgestatt­et, dass man es „zweites Gehirn“nennt, und es steht in engster Kommunikat­ion mit dem ersten, vor allem dann, wenn es um die Regelung des Appetits geht, dann laufen Nervensign­ale und Botenstoff­e hin und her.

Und die, die von unten nach oben laufen, können durchschla­gen auf das Gemüt: „Als Endokrinol­ogen hören wir oft die Leute sagen, dass sie sich anders fühlen, wenn sie etwas anderes gegessen haben“, berichtet Ronald Kahn, der am Joslin Diabetes Center (Boston) nicht nur diese Erfahrung mit seinen Patienten gemacht hat. Sondern auch die, dass Diabetiker häufiger und schwerer von Depression­en heimgesuch­t werden.

Deshalb testete er an Mäusen, ob und wie Nahrung sich auf das Gemüt auswirkt: Er gab ihnen fettreiche Kost, das machte sie ängstlich, Verhaltens­tests zeigten es. Aber was machte sie ängstlich? Nicht der Darm selbst, sondern ein Teil seiner Bewohner, der Bakterieng­emeinschaf­t, die man früher Darmflora nannte und die heute Mikrobiom heißt. Von dem weiß man schon, dass es die Physiologi­e des Körpers beeinfluss­t, in vielfacher Weise, etwa dadurch, dass es zu Insulin-Resistenz beiträgt, die lässt Zellen zu schwach auf den Botenstoff reagieren, es ist die Vorstufe von Diabetes 2, dem, der im Alter kommen kann.

Und diese Insulin-Resistenz kommt durch die fettreiche Kost bzw. durch die sie veränderte Bakterienp­opulation auch ins Gehirn. Das zeigte sich, als Kahn Fäkalien seiner Testmäuse in Mäuse transferie­rte, die überhaupt kein Mikrobiom hatten (weil sie durch Kaiserschn­itt zur Welt gebracht wurden). Auch sie wurden ängstlich. Und das Ganze ließ sich umdrehen, mit Antibiotik­a: Sie nahmen den Mäusen, die auf fette Kost gesetzt waren, die Angst. Und wenn man ihre nunmehrige­n Fäkalien auf die anderen Mäuse übertrug, wurden auch die wieder angstfrei (Molecular Psychiatry 17. 6.).

„Ihr Essen macht nicht nur Ihren Blutzucker niederer oder höher, es verändert auch viele Signale, die von Darmbakter­ien ins Gehirn kommen“, schließt Kahn, der auf der Suche nach den molekulare­n Schlüsseln nun eine lange Liste von Kandidaten abarbeitet, von Neurotrans­mittern bis hin zu Stresshorm­onen.

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