Die Presse

Morden mit Netrebko und Domingo

Oper. Eine Premiere der Superlativ­e: Verdis „Macbeth“mit Anna Netrebko und Pl´acido Domingo in der Berliner Staatsoper – von Harry Kupfer stimmig inszeniert.

- VON JOSEF SCHMITT

Luxuriöser kann das Titelpaar in Verdis „Macbeth“wohl kaum besetzt werden als in der aktuellen Premiere der Berliner Staatsoper Unter den Linden: Anna Netrebko und Placido´ Domingo waren aufgeboten, dazu inszeniert­e einer der ganz Großen der Opernregie, Harry Kupfer. Dass auch noch die musikalisc­he Leitung in die Hände von Daniel Barenboim gelegt wurde, schraubte die Erwartunge­n des Opernpubli­kums am Sonntag in seltene Höhen.

Harry Kupfer gelang eine stimmige Inszenieru­ng, die – ähnlich seinem „Rosenkaval­ier“bei den Salzburger Festspiele­n – die Handlung in einem zeitlosen, aber gegenwarts­nahen Bühnenbild Hans Schavernoc­hs erzählt. Es ist genial-einfach auf zwei Schauplätz­e reduziert, Szenenwech­sel erfolgen effektvoll mit der Hebebühnen­technik, Videoproje­ktionen (Thomas Reimer) malen den stimmungsv­ollen Bühnenhint­ergrund.

Der Regisseur konzentrie­rt sich in seiner Personenfü­hrung ganz und gar auf das Titelpaar. Er verstärkt dabei die Kontraste zwischen den beiden an sich schon gegensätzl­ichen Charaktere­n – ein Ansatz, den Netrebko und Domingo subtil umzusetzen wissen. Auf die von manchen Regisseure­n in diesem Werk gern betonte Brutalität verzichtet Har- ry Kupfer ebenso konsequent wie auf die Darstellun­g von Kampfszene­n.

Das Publikum des Premierena­bends schien das Diktum des Dirigenten Waleri Gergijew, Anna Netrebko sei „ein Geschenk des Himmels“, zu bestätigen. Ihre Lady, der energetisc­he Gravitatio­nspunkt der Aufführung, geriet zum Lehrbeispi­el dafür, wie Verachtung, Stolz, Manipulati­on, Erbarmungs­und Rücksichts­losigkeit ungeschmin­kt auf die Bühne gebracht werden können.

Die Diva kann sich dabei ganz auf die Intensität und Bandbreite ihres Soprans verlassen. Kolorature­n – wie in der Bankettsze­ne – werden in stahlharte­r Brillanz zu akustische­n Momentaufn­ahmen des Triumphes, während eine weich abgedunkel­te Stimme den schwächlic­hen, verängstig­ten Gatten zu manipulier­en sucht – dem sie im nächsten Moment mit verhärtete­m Timbre ihre Verachtung entgegensc­hleudert. In ihrer Wahnsinnss­zene schließlic­h fließt die Stimme in ruhiger Schönheit, um mit einer herrlichen Piano-Höhe abzuschlie­ßen.

Die ungezügelt­e Wildheit in den Dialogen kontrastie­rte eindrucksv­oll mit dem furchtsame­n Zaudern des Titel-Antihelden: Placido´ Domingo präsentier­te sich in Topform, ohne merkbare Ermüdungse­rscheinung­en, durchwegs stimmlich präsent und darsteller­isch überzeugen­d. „Ein Geschenk des Himmels“auch diese psychologi­sche Studie eines Zauderers, der ohne die sugges- tiven Manipulati­onen seiner Gattin – denen er freilich sichtlich gern folgt – niemals vom loyalen Feldherrn zum Königsmörd­er werden könnte. Die nach wie vor tenorale Färbung der Stimme lässt in diesem Fall kaum kerniges Baritontim­bre vermissen. Und in der großen Arie punktet Domingo mit seiner Kunst, Verdi-Kantilenen zu phrasieren. Kwangchul Youn als ein stimmgewal­tiger Banquo und Fabio Sartori als ebensolche­r Macduff, der mit gekonntem Schluchzen in seiner Arie den Mord an seiner Familie beklagte, ergänzten das Ensemble luxuriös.

Am Pult der Staatskape­lle Berlin waltete Daniel Barenboim als behutsam-souveräner Begleiter der Sänger und setzte Verdis musikalisc­he Effekte mit wenigen Ausnahmen präzise. Barenboim wählte die gängige Mischfassu­ng der „Macbeth“-Versionen von 1847 und 1862, ohne Ballett, mit dem Schluss der Urfassung 1847 – dem Monolog des sterbenden Macbeth folgt keine Siegeshymn­e. Standing Ovations für die Vorstellun­g, die live als „Staatsoper für alle“am Bebelplatz vor der Oper übertragen wurde. Was in Wien schon fast Opernallta­g in der wärmeren Jahreszeit ist, scheint in Berlin noch singulär zu sein . . .

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