Morden mit Netrebko und Domingo
Oper. Eine Premiere der Superlative: Verdis „Macbeth“mit Anna Netrebko und Pl´acido Domingo in der Berliner Staatsoper – von Harry Kupfer stimmig inszeniert.
Luxuriöser kann das Titelpaar in Verdis „Macbeth“wohl kaum besetzt werden als in der aktuellen Premiere der Berliner Staatsoper Unter den Linden: Anna Netrebko und Placido´ Domingo waren aufgeboten, dazu inszenierte einer der ganz Großen der Opernregie, Harry Kupfer. Dass auch noch die musikalische Leitung in die Hände von Daniel Barenboim gelegt wurde, schraubte die Erwartungen des Opernpublikums am Sonntag in seltene Höhen.
Harry Kupfer gelang eine stimmige Inszenierung, die – ähnlich seinem „Rosenkavalier“bei den Salzburger Festspielen – die Handlung in einem zeitlosen, aber gegenwartsnahen Bühnenbild Hans Schavernochs erzählt. Es ist genial-einfach auf zwei Schauplätze reduziert, Szenenwechsel erfolgen effektvoll mit der Hebebühnentechnik, Videoprojektionen (Thomas Reimer) malen den stimmungsvollen Bühnenhintergrund.
Der Regisseur konzentriert sich in seiner Personenführung ganz und gar auf das Titelpaar. Er verstärkt dabei die Kontraste zwischen den beiden an sich schon gegensätzlichen Charakteren – ein Ansatz, den Netrebko und Domingo subtil umzusetzen wissen. Auf die von manchen Regisseuren in diesem Werk gern betonte Brutalität verzichtet Har- ry Kupfer ebenso konsequent wie auf die Darstellung von Kampfszenen.
Das Publikum des Premierenabends schien das Diktum des Dirigenten Waleri Gergijew, Anna Netrebko sei „ein Geschenk des Himmels“, zu bestätigen. Ihre Lady, der energetische Gravitationspunkt der Aufführung, geriet zum Lehrbeispiel dafür, wie Verachtung, Stolz, Manipulation, Erbarmungsund Rücksichtslosigkeit ungeschminkt auf die Bühne gebracht werden können.
Die Diva kann sich dabei ganz auf die Intensität und Bandbreite ihres Soprans verlassen. Koloraturen – wie in der Bankettszene – werden in stahlharter Brillanz zu akustischen Momentaufnahmen des Triumphes, während eine weich abgedunkelte Stimme den schwächlichen, verängstigten Gatten zu manipulieren sucht – dem sie im nächsten Moment mit verhärtetem Timbre ihre Verachtung entgegenschleudert. In ihrer Wahnsinnsszene schließlich fließt die Stimme in ruhiger Schönheit, um mit einer herrlichen Piano-Höhe abzuschließen.
Die ungezügelte Wildheit in den Dialogen kontrastierte eindrucksvoll mit dem furchtsamen Zaudern des Titel-Antihelden: Placido´ Domingo präsentierte sich in Topform, ohne merkbare Ermüdungserscheinungen, durchwegs stimmlich präsent und darstellerisch überzeugend. „Ein Geschenk des Himmels“auch diese psychologische Studie eines Zauderers, der ohne die sugges- tiven Manipulationen seiner Gattin – denen er freilich sichtlich gern folgt – niemals vom loyalen Feldherrn zum Königsmörder werden könnte. Die nach wie vor tenorale Färbung der Stimme lässt in diesem Fall kaum kerniges Baritontimbre vermissen. Und in der großen Arie punktet Domingo mit seiner Kunst, Verdi-Kantilenen zu phrasieren. Kwangchul Youn als ein stimmgewaltiger Banquo und Fabio Sartori als ebensolcher Macduff, der mit gekonntem Schluchzen in seiner Arie den Mord an seiner Familie beklagte, ergänzten das Ensemble luxuriös.
Am Pult der Staatskapelle Berlin waltete Daniel Barenboim als behutsam-souveräner Begleiter der Sänger und setzte Verdis musikalische Effekte mit wenigen Ausnahmen präzise. Barenboim wählte die gängige Mischfassung der „Macbeth“-Versionen von 1847 und 1862, ohne Ballett, mit dem Schluss der Urfassung 1847 – dem Monolog des sterbenden Macbeth folgt keine Siegeshymne. Standing Ovations für die Vorstellung, die live als „Staatsoper für alle“am Bebelplatz vor der Oper übertragen wurde. Was in Wien schon fast Opernalltag in der wärmeren Jahreszeit ist, scheint in Berlin noch singulär zu sein . . .