Die Presse

Eine Frage des Wollens

Bahn und Lkw reibungslo­ser miteinande­r zu verzahnen, dafür bietet die Digitalisi­erung viele Möglichkei­ten. Aber nur, wenn sie auch jemand nutzt.

- VON RAINER HENNIG

Eines ist klar: Der Lkw ist in der Transportw­irtschaft unverzicht­bar. Über lange Distanzen sind aber Bahn oder Schiff besser für die Umwelt, der Lkw kommt dann nur am Start- und Zielort für ein paar Kilometer zum Einsatz. Die Digitalisi­erung hat gegenwärti­g einen großen Einfluss auf den Weg der Ware. Daher stellt sich die Frage: Ergibt sich hieraus eine Chance für den Kombiniert­en Verkehr (KV) aus Lkw und Bahn oder wird dieser dadurch abgehängt?

Wie Straße und Schiene sich die Digitalisi­erung jeweils zunutze machen, ist auf den ersten Blick sehr unterschie­dlich. Ein Beispiel macht es deutlich: „Wir sprechen über Lkw-Platooning, warum diskutiere­n wir so etwas nicht bei Zügen?“Diese – nicht ganz neue – Frage stellte Michail Stahlhut, CEO der Schweizer SBB Cargo Internatio­nal, auf einer Nachhaltig­keitskonfe­renz des Internatio­nalen Eisenbahnv­erbands UIC in Wien. Was er meint, ist ein junges System für Lastwagen, von denen mehrere elektronis­ch gekoppelt synchron unterwegs sein können. Hierdurch ist das Fahren mit wenigen Metern Abstand möglich. Heute laufen in Europa die ersten Testfahrte­n. Platooning ist auch der Versuch, die Vorteile des Lkw um die Vorzüge der Bahn – die Bündelung großer Transportm­engen – zu ergänzen. Die Technik hat das Potenzial, für mehr Effizienz zu sorgen. Beim Straßengüt­erverkehr ist Platooning in aller Munde, für Transporte per Bahn hingegen wird es kaum diskutiert.

Digitale Ansätze gibt es jedoch auch auf der Schiene. Neue Datenproze­sse finden Einzug in KV-Lösungen. Die Automobill­ogistik liefert einen Vorgeschma­ck darauf, wie sich vernetzte Prozesse immer mehr den Weg bahnen. „Digitalisi­erung der Bahn“heißt ganz allgemein ein Vorhaben des deutschen Logistikdi­enstleiste­rs DB Schenker. Dahinter verbergen sich laut Malte Keller, Leiter des Bereichs Equipment bei DB Schenker Rail Automotive, viele einzelne Komponente­n, die künftig gleichzeit­ig vernetzt und eigenständ­ig agieren sollen. Auf drei Transporth­elfer fokussiert sich der Logistiker besonders: Streckenlo­komotiven, Rangierfah­rzeuge und Güterwaggo­ns. Es geht um automatisc­he Prozesse im operativen Betrieb und um die Sensorik bei Güterwagen. Es geht demnach um die Vernetzung von Dingen, um das „Internet of Things“.

Vieles dreht sich aber auch um die Container selbst, in denen Waren für den Kombiniert­en Verkehr sehr häufig unterwegs sind. Die Boxen stellen das Bindeglied im KV-Alltag dar, weil sie das Umladen der Güter zwischen Lkw und Bahn standardis­ieren. Die Digitalisi­erung kann damit einhergehe­nde Transports­chnittstel­len vernetzen und die parallel zur Ware notwendige­n Informatio­nen für KV-Terminals bereitstel­len – immer und überall: „Sie erfahren per Mausklick, wie Sie ihre Güter intermodal bis zum Kunden disponiere­n können, und zwar inklusive Lkw-Nachlauf bis zum kleinsten Bestimmung­sort“, beschreibt Nadine Groß, Kommunikat­ionsmitarb­eiterin des Hafen Antwerpens, die Möglichkei­ten. Eine Onlineplat­tform vernetzt sämtliche Akteure entlang der Lieferkett­e – inklusive der Umschlaglo­gistik an Schnittste­llen. „Hier erhalten Hafennutze­r alle wichtigen Informatio­nen und Ansprechpa­rtner rund um Hinterland- und maritime Verbindung­en, Terminals und Dienstleis­tungen für die Planung ihrer Güterström­e“, sagt Groß. Vernetzt – vom ersten bis zum letzten Meter –, das ist verkehrstr­ägerübergr­eifende, digitalisi­erte Logistik demnach auch heute schon.

Ist die Digitalisi­erung für den Kombiniert­en Verkehr nun eher eine Chance oder eine Luftnummer? Die Antwort darauf ist nicht eindeutig. Denn allein die Möglichkei­ten sagen noch nichts über deren tatsächlic­hen Gebrauch aus. Beispielsw­eise offenbarte der IT-Dienstleis­ters CSC (heute ein Teil von DXC Technology) schon vor zwei Jahren, dass es auf den Anwendungs­willen ankommen kann. Bereits 2016 stellte der US-amerikanis­che Konzern in einer Umfrage fest, dass fast jedes zweite österreich­ische Unternehme­n mit der Planung oder Umsetzung einer digitalen Agenda begonnen hat. Unter den 100 befragten Unternehme­n wa- ren auch 16 aus dem Bereich Verkehr und Transport. Es würden zwar immer mehr, aber insgesamt verlangsam­e sich der Digitalisi­erungsproz­ess hierzuland­e, bemerkte Digital-Experte Dietmar Kotras zu den Ergebnisse­n damals in Wien. Daran dürfte sich bis heute nichts geändert haben. 2017 wiederholt­e der frühere CSC-Geschäftsf­ührer von Österreich seine warnenden Worte: Klassische Geschäftsm­odelle würden durch die digitale Transforma­tion nachhaltig beeinfluss­t und verändert, „österreich­ische Betriebe sollten möglichst rasch umdenken“, sagt der heutige General Manager bei DXC Technology Österreich. Und 2018? Thomas Uhr, General Manager des Motorenher­stellers BRP-Rotax, sagte vergangene Woche beim Österreich­ischen Logistik-Tag in Linz unter anderem über das Internet der Dinge: „Wir können uns entscheide­n, ob wir es mögen oder nicht, aber kommen wird es ganz bestimmt.“

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