Eine Frage des Wollens
Bahn und Lkw reibungsloser miteinander zu verzahnen, dafür bietet die Digitalisierung viele Möglichkeiten. Aber nur, wenn sie auch jemand nutzt.
Eines ist klar: Der Lkw ist in der Transportwirtschaft unverzichtbar. Über lange Distanzen sind aber Bahn oder Schiff besser für die Umwelt, der Lkw kommt dann nur am Start- und Zielort für ein paar Kilometer zum Einsatz. Die Digitalisierung hat gegenwärtig einen großen Einfluss auf den Weg der Ware. Daher stellt sich die Frage: Ergibt sich hieraus eine Chance für den Kombinierten Verkehr (KV) aus Lkw und Bahn oder wird dieser dadurch abgehängt?
Wie Straße und Schiene sich die Digitalisierung jeweils zunutze machen, ist auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Ein Beispiel macht es deutlich: „Wir sprechen über Lkw-Platooning, warum diskutieren wir so etwas nicht bei Zügen?“Diese – nicht ganz neue – Frage stellte Michail Stahlhut, CEO der Schweizer SBB Cargo International, auf einer Nachhaltigkeitskonferenz des Internationalen Eisenbahnverbands UIC in Wien. Was er meint, ist ein junges System für Lastwagen, von denen mehrere elektronisch gekoppelt synchron unterwegs sein können. Hierdurch ist das Fahren mit wenigen Metern Abstand möglich. Heute laufen in Europa die ersten Testfahrten. Platooning ist auch der Versuch, die Vorteile des Lkw um die Vorzüge der Bahn – die Bündelung großer Transportmengen – zu ergänzen. Die Technik hat das Potenzial, für mehr Effizienz zu sorgen. Beim Straßengüterverkehr ist Platooning in aller Munde, für Transporte per Bahn hingegen wird es kaum diskutiert.
Digitale Ansätze gibt es jedoch auch auf der Schiene. Neue Datenprozesse finden Einzug in KV-Lösungen. Die Automobillogistik liefert einen Vorgeschmack darauf, wie sich vernetzte Prozesse immer mehr den Weg bahnen. „Digitalisierung der Bahn“heißt ganz allgemein ein Vorhaben des deutschen Logistikdienstleisters DB Schenker. Dahinter verbergen sich laut Malte Keller, Leiter des Bereichs Equipment bei DB Schenker Rail Automotive, viele einzelne Komponenten, die künftig gleichzeitig vernetzt und eigenständig agieren sollen. Auf drei Transporthelfer fokussiert sich der Logistiker besonders: Streckenlokomotiven, Rangierfahrzeuge und Güterwaggons. Es geht um automatische Prozesse im operativen Betrieb und um die Sensorik bei Güterwagen. Es geht demnach um die Vernetzung von Dingen, um das „Internet of Things“.
Vieles dreht sich aber auch um die Container selbst, in denen Waren für den Kombinierten Verkehr sehr häufig unterwegs sind. Die Boxen stellen das Bindeglied im KV-Alltag dar, weil sie das Umladen der Güter zwischen Lkw und Bahn standardisieren. Die Digitalisierung kann damit einhergehende Transportschnittstellen vernetzen und die parallel zur Ware notwendigen Informationen für KV-Terminals bereitstellen – immer und überall: „Sie erfahren per Mausklick, wie Sie ihre Güter intermodal bis zum Kunden disponieren können, und zwar inklusive Lkw-Nachlauf bis zum kleinsten Bestimmungsort“, beschreibt Nadine Groß, Kommunikationsmitarbeiterin des Hafen Antwerpens, die Möglichkeiten. Eine Onlineplattform vernetzt sämtliche Akteure entlang der Lieferkette – inklusive der Umschlaglogistik an Schnittstellen. „Hier erhalten Hafennutzer alle wichtigen Informationen und Ansprechpartner rund um Hinterland- und maritime Verbindungen, Terminals und Dienstleistungen für die Planung ihrer Güterströme“, sagt Groß. Vernetzt – vom ersten bis zum letzten Meter –, das ist verkehrsträgerübergreifende, digitalisierte Logistik demnach auch heute schon.
Ist die Digitalisierung für den Kombinierten Verkehr nun eher eine Chance oder eine Luftnummer? Die Antwort darauf ist nicht eindeutig. Denn allein die Möglichkeiten sagen noch nichts über deren tatsächlichen Gebrauch aus. Beispielsweise offenbarte der IT-Dienstleisters CSC (heute ein Teil von DXC Technology) schon vor zwei Jahren, dass es auf den Anwendungswillen ankommen kann. Bereits 2016 stellte der US-amerikanische Konzern in einer Umfrage fest, dass fast jedes zweite österreichische Unternehmen mit der Planung oder Umsetzung einer digitalen Agenda begonnen hat. Unter den 100 befragten Unternehmen wa- ren auch 16 aus dem Bereich Verkehr und Transport. Es würden zwar immer mehr, aber insgesamt verlangsame sich der Digitalisierungsprozess hierzulande, bemerkte Digital-Experte Dietmar Kotras zu den Ergebnissen damals in Wien. Daran dürfte sich bis heute nichts geändert haben. 2017 wiederholte der frühere CSC-Geschäftsführer von Österreich seine warnenden Worte: Klassische Geschäftsmodelle würden durch die digitale Transformation nachhaltig beeinflusst und verändert, „österreichische Betriebe sollten möglichst rasch umdenken“, sagt der heutige General Manager bei DXC Technology Österreich. Und 2018? Thomas Uhr, General Manager des Motorenherstellers BRP-Rotax, sagte vergangene Woche beim Österreichischen Logistik-Tag in Linz unter anderem über das Internet der Dinge: „Wir können uns entscheiden, ob wir es mögen oder nicht, aber kommen wird es ganz bestimmt.“