Die Presse

Börse will mehr Privatisie­rung sehen

Die Börse setzt große Hoffnungen in die Regierung: KMU sollen leichter an die Börse, die KESt sinken und Staatsante­ile an OMV, Telekom und Post bis zur Sperrminor­ität verkauft werden.

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Wenn es um die Zukunft des Kapitalmar­kts in Österreich geht, wird Heimo Scheuch beinahe lyrisch: „Der Wind der Veränderun­g weht durch das Land der Beharrer“, sagt der Aufsichtsr­atspräside­nt der Börse Wien am Dienstag vor Journalist­en. Die neue Regierung scheint zu verstehen, was das Land an einem gut funktionie­renden Aktienmark­t habe. Im Herbst soll der Wind auch in Form neuer Gesetze greifbar werden.

Wie berichtet, will Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) kleinen Unternehme­n den Zugang zur Börse wieder erleichter­n. Zu diesem Zweck soll der Handel mit anonymen Inhaberakt­ien statt Namensakti­en auf dem sogenannte­n dritten Markt wieder erlaubt werden. Die Vorgängerr­egierung hatte das verboten, um jeden Versuch der Geldwäsche vorab verhindern zu können. Börse-Chef Christoph Boschan ist in jedem Fall bereits auf die Deregulier­ung vorbereite­t und hält das neue Börsensegm­ent „direct market“schon bereit. Einzige Voraussetz­ung für interessie­rte Unternehme­n: die AG als Gesellscha­ftsform und „ein paar Dutzend Investoren Streubesit­z“.

Die Wiener Börse verspricht sich davon nach einem guten Jahr 2017 (48,9 Mio. Euro Umsatz, plus 2,3 Prozent; 28,07 Mio. Euro Gewinn, plus 10,4 Prozent) weitere Impulse. Aber Boschan hofft auf mehr. Die notwendige „Vollharmon­isierung auf internatio­nales Regulierun­gsniveau“hieße unter anderem die Absenkung der Kapitalert­ragsteuer auf 16 Prozent, ein höherer Gewinnfrei­betrag und ein Ende der Veröffentl­ichungspfl­icht in der „Wiener Zeitung“.

80 Prozent des Umsatzes der Wiener Börse kämen von internatio­nalen Großinvest­oren wie Morgan Stanley oder der Deutschen Bank, erklärt er. Und in London interessie­re sich niemand für „österreich­ische Sonderlock­en“, sagt der gebürtige Deutsche. Was er meint: Die „Extrawürst­el“, die sich Österreich in Sachen Regulierun­g des Kapitalmar­kts leistet, seien vor profession­ellen Investoren kaum noch zu rechtferti­gen.

Eine Botschaft, die – so scheint es – bei der Koalition angekommen ist. „Diese Regierung hört offen zu. Und das ist schon mehr als bisher“, lobt der Börse-Chef vorab. Ob diese Vorschussl­orbeeren zu voreilig verteilt wurden, wird sich spätestens im Herbst zeigen, wenn die ersten Gesetze zur Stärkung des Kapitalmar­ktes beschlosse­n werden sollen. Bis dahin legt Boschan noch ein paar Forderunge­n nach. So solle Österreich danach trachten, „europäisch­es Normalnive­au bei Privatisie­rungen“zu erreichen. Eine ganze Studie ließ die Börse erstellen, um aufzuzeige­n, wo sich die öffentlich­e Hand noch von Unternehme­nsbeteilig­ungen trennen könnte. Das Ergebnis: Ein Großteil des Potenzials liegt nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Dass die Landesfürs­ten allzu leicht von ihren Energiever­sorgern lassen werden, glaubt allerdings auch der Börse-Chef nicht.

Er schlägt stattdesse­n vor, „den Streubesit­z bei den bereits börseoptie­rten Staatsunte­rnehmen zu erhöhen“. Die Republik Österreich hält über die Staatshold­ing Öbib unter anderem Anteile an den ATX-Konzernen OMV, Telekom und Post. Hier sollte der Bund seine Beteiligun­g auf die Sperrminor­ität von 25 Prozent plus einer Aktie absenken – und „der Bevölkerun­g eine Chance geben, sich zu beteiligen“, so die Idee.

Die Koalition kommentier­te den Vorstoß der Wiener Börse bis dato nicht. Klar ist, dass bis Jahresende eine neue Struktur und eine neue Strategie für die Staatsbete­iligungen gefunden werden soll. Auch der Zu- und Verkauf von Anteilen soll dann nicht mehr tabu sein. (auer)

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