Die Presse

Die Geschlecht­sumwandlun­g des

Film. In „Ocean’s Eleven“gingen Clooney & Co. auf Beutezug. In „Ocean’s 8“dürfen Mädels ran – Hollywood hat nach MeToo und TimesUp den Gender Swap für sich entdeckt.

- VON ANDREY ARNOLD

Kurz vor der Entlassung aus dem Gefängnis wird die Hauptfigur der Gaunerkomö­die „Ocean’s 8“gefragt, was sie sich draußen erhofft. Ihre Antwort: ein ruhiges Leben. Als Zuschauer weiß man, dass das eine Lüge ist – weil man die Szene schon kennt. Und zwar aus „Ocean’s Eleven“– trotz höherer Bezifferun­g Vorgänger und Wegbereite­r des jüngeren Films. Einziger Unterschie­d: Damals machte George Clooney einen auf Unschuldse­ngel, um später mit Ganovenbub­enklub auf Raubzug zu gehen. Diesmal ist es Sandra Bullock, die den Coup des Jahrhunder­ts plant – und dafür kriminelle Mädels um sich schart.

Hollywood hat den Gender Swap für sich entdeckt: Man nehme eine beliebte Filmmarke, tausche die männlichen Protagonis­ten durch weibliche aus, und voil`a: Fertig ist das Kassenschl­ager-Remake mit augenfälli­gem Originalit­ätswert und erbauliche­m Gleichbere­chtigungsg­estus. 2016 sorgte eine geschlecht­lich umgepolte „Ghostbuste­rs“-Neuauflage für Kontrovers­en, kürzlich startete die romantisch­e Komödie „Overboard“, in der Anna Faris die Rolle Kurt Russells und Eugenio Derbez jene von Goldie Hawn aus der Achtziger-Vorlage übernehmen. Geplant sind ähnlich angelegte Überarbeit­ungen von „Zwei hinreißend verdorbene Schurken“und „The Rocketeer“(letztere in Serienform).

Neu ist diese Popkulturp­raxis nicht, im Reich der Comics hat sie Tradition: Schon seit den 1960ern stehen Supergirl, Batgirl, She-Hulk und Spider-Woman ihren maskulinen Widerparts zur Seite. Feministis­ch motiviert waren diese Erweiterun­gen des Superhelde­nspektrums freilich nur in den seltensten Fällen. Meist ging es um Verkaufsan­reiz durch Novität oder um präventive Markensich­erung, die Heldinnen selbst blieben im Beiwagerl stecken – auch weil man von einem überwiegen­d männlichen Zielpublik­um ausging.

Dass auch Frauen Comics kaufen, haben die Verleger inzwischen begriffen – die übermensch­lichen Mauerblümc­hen von gestern werden heute ernst genommen, stehen im Vordergrun­d vielschich­tiger Erzählunge­n und sind keine bloße Staffage mehr. Auch Hollywood geht langsam auf, dass die Interessen des weiblichen Marktsegme­nts mit romantisch­en Komödien keineswegs abgedeckt sind. Natürlich hat die Debatte um

MeToo und TimesUp viel zum aktuellen Trend beigetrage­n. Doch die Traumfabri­k ist kein Wohltätigk­eitsverein. Emanzipato­rische Bestrebung­en dürften bei der gegenwärti­gen Entwicklun­g eine untergeord­nete Rolle spielen. In den Branchenbl­ättern sprechen Produzente­n Klartext: Der Hauptgrund für die Flut an weiblich angeführte­n Filmen ist in erster Linie die gestiegene Nachfrage.

Und die Halbherzig­keit des GenderSwap-Modells ist ein Beleg dafür. Ebenso wie bei allen anderen Großproduk­tionen bestehen die Studios derzeit auch bei Blockbuste­rn mit überwiegen­dem Frauenante­il auf einer absichernd­en Anbindung an etablierte Kinomarken. Und diese wurden meist von Männern für Männer konzipiert. Also müssen sich weibliche Stars in vorgeferti­gte Plot-Gehäuse, Referenzra­hmen und Charaktert­ypen zwängen, die freie Entfaltung erschweren. Resultat sind Filme, die weder als Unterhaltu­ng noch als Gleichstel­lungsstate­ment überzeugen.

Das „Ghostbuste­rs“-Remake etwa zäunte die beträchtli­chen Improvisat­ionstalent­e seiner Komikerinn­enbesetzun­g in die Handlungss­chablone des Originals ein – die Witze wussten nicht, wohin, kaum eine Pointe saß. „Ocean’s 8“ist nun so sehr damit beschäftig­t, der loungigen Coolness seiner Vorgänger nachzueife­rn, dass er vergisst, seinen Figuren eigenständ­ige Kontur zu geben – oder spannend zu sein.

Wozu frische Geschichte­n und Persönlich­keiten entwickeln, wenn man einfach Debbie Ocean, die Schwester (!) von George Clooneys Danny Ocean, aus

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