Die Geschlechtsumwandlung des
Film. In „Ocean’s Eleven“gingen Clooney & Co. auf Beutezug. In „Ocean’s 8“dürfen Mädels ran – Hollywood hat nach MeToo und TimesUp den Gender Swap für sich entdeckt.
Kurz vor der Entlassung aus dem Gefängnis wird die Hauptfigur der Gaunerkomödie „Ocean’s 8“gefragt, was sie sich draußen erhofft. Ihre Antwort: ein ruhiges Leben. Als Zuschauer weiß man, dass das eine Lüge ist – weil man die Szene schon kennt. Und zwar aus „Ocean’s Eleven“– trotz höherer Bezifferung Vorgänger und Wegbereiter des jüngeren Films. Einziger Unterschied: Damals machte George Clooney einen auf Unschuldsengel, um später mit Ganovenbubenklub auf Raubzug zu gehen. Diesmal ist es Sandra Bullock, die den Coup des Jahrhunderts plant – und dafür kriminelle Mädels um sich schart.
Hollywood hat den Gender Swap für sich entdeckt: Man nehme eine beliebte Filmmarke, tausche die männlichen Protagonisten durch weibliche aus, und voil`a: Fertig ist das Kassenschlager-Remake mit augenfälligem Originalitätswert und erbaulichem Gleichberechtigungsgestus. 2016 sorgte eine geschlechtlich umgepolte „Ghostbusters“-Neuauflage für Kontroversen, kürzlich startete die romantische Komödie „Overboard“, in der Anna Faris die Rolle Kurt Russells und Eugenio Derbez jene von Goldie Hawn aus der Achtziger-Vorlage übernehmen. Geplant sind ähnlich angelegte Überarbeitungen von „Zwei hinreißend verdorbene Schurken“und „The Rocketeer“(letztere in Serienform).
Neu ist diese Popkulturpraxis nicht, im Reich der Comics hat sie Tradition: Schon seit den 1960ern stehen Supergirl, Batgirl, She-Hulk und Spider-Woman ihren maskulinen Widerparts zur Seite. Feministisch motiviert waren diese Erweiterungen des Superheldenspektrums freilich nur in den seltensten Fällen. Meist ging es um Verkaufsanreiz durch Novität oder um präventive Markensicherung, die Heldinnen selbst blieben im Beiwagerl stecken – auch weil man von einem überwiegend männlichen Zielpublikum ausging.
Dass auch Frauen Comics kaufen, haben die Verleger inzwischen begriffen – die übermenschlichen Mauerblümchen von gestern werden heute ernst genommen, stehen im Vordergrund vielschichtiger Erzählungen und sind keine bloße Staffage mehr. Auch Hollywood geht langsam auf, dass die Interessen des weiblichen Marktsegments mit romantischen Komödien keineswegs abgedeckt sind. Natürlich hat die Debatte um
MeToo und TimesUp viel zum aktuellen Trend beigetragen. Doch die Traumfabrik ist kein Wohltätigkeitsverein. Emanzipatorische Bestrebungen dürften bei der gegenwärtigen Entwicklung eine untergeordnete Rolle spielen. In den Branchenblättern sprechen Produzenten Klartext: Der Hauptgrund für die Flut an weiblich angeführten Filmen ist in erster Linie die gestiegene Nachfrage.
Und die Halbherzigkeit des GenderSwap-Modells ist ein Beleg dafür. Ebenso wie bei allen anderen Großproduktionen bestehen die Studios derzeit auch bei Blockbustern mit überwiegendem Frauenanteil auf einer absichernden Anbindung an etablierte Kinomarken. Und diese wurden meist von Männern für Männer konzipiert. Also müssen sich weibliche Stars in vorgefertigte Plot-Gehäuse, Referenzrahmen und Charaktertypen zwängen, die freie Entfaltung erschweren. Resultat sind Filme, die weder als Unterhaltung noch als Gleichstellungsstatement überzeugen.
Das „Ghostbusters“-Remake etwa zäunte die beträchtlichen Improvisationstalente seiner Komikerinnenbesetzung in die Handlungsschablone des Originals ein – die Witze wussten nicht, wohin, kaum eine Pointe saß. „Ocean’s 8“ist nun so sehr damit beschäftigt, der loungigen Coolness seiner Vorgänger nachzueifern, dass er vergisst, seinen Figuren eigenständige Kontur zu geben – oder spannend zu sein.
Wozu frische Geschichten und Persönlichkeiten entwickeln, wenn man einfach Debbie Ocean, die Schwester (!) von George Clooneys Danny Ocean, aus