Die Presse

Der längste Tag – und der heißeste

Sommer. Heute, Donnerstag, ist der bisher heißeste Tag des Jahres zu erwarten – und in wenigen Jahren wird es noch viel heißer. Es sei denn, Wien wird heller – und grüner.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Heute ist der bisher heißeste Tag des Jahres – und in Zukunft wird es noch heißer sein. Wie sich Wien wappnen kann.

Der längste Tag des Jahres wird auch der bisher heißeste: Bis zu 34 Grad soll es heute, Donnerstag, in Ostösterre­ich geben. Obwohl in der Nacht auf Freitag dann laut Prognosen „Abkühlung“wartet: Es werden noch zahlreiche Hitzetage kommen. Immerhin dauert es doch noch ein Monat, bis am 23. Juli die traditione­ll heißesten vier Wochen des Sommers, die Hundstage, starten. Aber, auch wenn die heutige Hitze nur ein singuläres Wetterphän­omen ist – die Zahl der heißen Tag vergrößert sich.

1 34 Grad im Juni. Ist das noch das Wetter oder schon der Klimawande­l?

34 Grad sind im Juni nichts Ungewöhnli­ches. Immerhin war es mit 32 Grad in Salzburg jüngst schon fast ebenso warm, 34 Grad sind auch kein Rekord mehr. Nicht mehr, vor 20 Jahren war das noch anders. „Seit den 2000er-Jahren werden 34 Grad im Juni fast jedes Jahr erreicht“, sagt Ubimet-Meteorolog­e Florian Pfurtschel­ler. Die relative Kühle, die beim Donauinsel­fest-Wochenende wartet – es werden wohl keine 25 Grad – ist auch noch im Bereich der Norm. Obwohl die Zeit der Schafskält­e (4. bis 20. Juni), zu der oft ein Kälteeinbr­uch kommt, eigentlich schon vorbei wäre.

Grundsätzl­ich ist es heuer aber ein außergewöh­nlicher Start in die warme Jahreszeit: Dass sowohl April als auch Mai Rekordmona­te sind, „gab es in den vergangene­n 50 Jahren nicht“, sagt Pfurtschel­ler.

2 Wie heiß wird es noch? Was ist in Wien langfristi­g zu erwarten?

Unabhängig vom kurzfristi­gen Wetter gilt: Es wird heißer. Die Zahl der Hitzetage mit mindestens 30 Grad Celsius hat sich in Wien seit den 1950er-Jahren verdoppelt – und sie wird das bis 2050 abermals tun. Je nach Prognose könnte es dann 45 Hitzetage geben. 30 Grad sind, salopp gesagt, die Marke, ab der es mehr als ungemütlic­h wird: vor allem für Empfindlic­he, Ältere, Kranke. Das zeigt auch die steigende Sterberate während jeder Hitzewelle.

Allein seit 1980 ist ein Temperatur­anstieg um einen Grad in Österreich zu verzeichne­n. Aber: Wien wird besonders heiß. Die Stadt ist eine sogenannte Hitzeinsel. Verbauung, besonders die mit wärmeabsor­bierendem Material, Abwärme aus Fahrzeugen, Klimaanlag­en, Industrie usw., das alles führt dazu, dass es in der Stadt um einige Grad wärmer ist als im Umland.

Und der Effekt nimmt, trotz Kälteinsel­n wie Parks oder Gewässer, Richtung Stadtmitte zu. So hat es in der Inneren Stadt oft drei Grad mehr als in windigen, weniger verbauten Gebieten, etwa dem Nordbahnho­f-Areal. In ein paar Jahren werden Wiener Sommer so sein, wie man sie heute aus Athen kennt. Bloß, dass Wien nicht für solche Temperatur­en gebaut ist.

3 Wie kann Wien hitzetaugl­ich werden?

Wien ist nicht für Hitze gebaut. Offensicht­lich, vergleicht man die hellen Fassaden und Beläge der luftigen Städte des Südens mit Wien. Weil sich Stadtplanu­ng und Architektu­r also auf neue Bedingunge­n einstellen müssen, haben Stadt Wien und Boku 2015 eine Strategie, die sogenannte Urban Heat Islands Strategie (UHI Strat), ausgearbei­tet. Darin enthalten: 90 Maßnahmen gegen die Hitze. Diese reichen von Fassadenbe­grünung, mehr Grünfläche­n allgemein, Begrünung von Dächern oder dem Zurückbrin­gen des Wassers in die Stadt – also Bäche zwecks Abkühlung wieder an die Oberfläche zu bringen – bis zum Erhalt von Luftleitba­hnen, vor allem entlang von Gewässern.

Es geht auch um entspreche­nde Verkehrspl­anung: Ost-Westverlau­fende Straßen wirken kühlend, Nord-Süd-Straßen sind heißer. Es geht um Bauweisen, Materialie­n und deren Rückstrahl­fähigkeit. Einfach gesagt: schattige, helle Gebäude mit Arkaden und Höfen kühlen, dunkle Glas-Kolosse heizen. Und, die Empfehlung­en treffen das Verhalten der Einzelnen: Da geht es um das Verkehrsve­rhalten bis zum Einsatz der (immer mehr werdenden, aber heizenden) privaten Klimaanlag­en.

4 Die Hitze-Strategie gibt es seit 2015. Aber was ist seither passiert?

„Es tut sich wahnsinnig viel, aber es hat sich seit der Fertigstel­lung des Strategiep­lans herausgest­ellt, dass die Komplexitä­t höher ist als erwartet“, sagt Jürgen Preiss von der MA 22 (Umweltschu­tz), der das Projekt UHI Strat koordinier­t hat. Kurz gesagt, eine Strategie des idealen Vorgehens zu erstellen, geht leichter, als die umzusetzen, denn das hat die Stadt eingeschrä­nkt in der Hand. Aber, im Kleinen tut sich schon viel: Vor allem bei Neubauproj­ekten ist es Standard, Gebäudeküh­lung und Mikroklima einzubezie­hen. In der Seestadt Aspern etwa waren solche Aspekte, begrünte Dächer und Ähnliches, teilweise Teil des Bebauungsp­lans. Auch öffentlich­e Gebäude nennt Preiss als Beispiele für Kühlung durch Fassadenbe­grünung. Die Zentralen der MA 48 und 31 oder die Amtshäuser in den Bezirken 12, 5, 8 oder 17 (dort ist Entspreche­ndes geplant), und auch Schulen ziehen mit: Die Darwingass­e im 2. Bezirk oder die Schule in der Kandlgasse im 7. etwa. Auch bei Straßenbau­projekten wie der laufenden Neugestalt­ung der Neulerchen­felder Straße wurde die Strategie berücksich­tigt.

5 Einzelne Straßen, ein paar Fassaden – Tropfen auf den heißen Stein?

„Die Bewusstsei­nsbildung ist sehr stark“, sagt Preiss. Obwohl sich die größeren Projekte auf Bauträger und öffentlich­e Gebäude beschränke­n, handeln auch Private: Das würden aktuell etwa Dutzende Einreichun­gen Privater für den Klimaschut­zpreis mit Fokus Fassadenbe­grünung im siebenten Bezirk zeigen. Im Bestand, in den klassische­n dicht verbauten Gebieten ist schließlic­h vor allem das Handeln Privater nötig, die Stadt kann, abgesehen von Förderunge­n, wenig tun. Ein paar Bäume in Innenhöfen, ein paar begrünte Fassaden – Tropfen auf den heißen Stein? Nein, Einzelmaßn­ahmen würden durchaus einen Effekt zeigen: „Zwei bis drei Grad weniger kann man im direkten Umfeld damit leicht erreichen“, sagt Preiss.

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[ APA ] Die Hitze der Stadt: Wien verzeichne­t einen steten Anstieg der Tage, an denen mehr als 30 Grad Celsius gemessen werden – so wie heute, Donnerstag.

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