Die Presse

Die Achse Wien/München via Linz Hauptbahnh­of

Österreich–Deutschlan­d. Ausgerechn­et jetzt, in der großen Beziehungs­krise von CDU und CSU, trifft sich die Kurz-Regierung mit der bayrischen Staatsregi­erung. Das war zwar so nicht geplant, trifft sich nun aber auch nicht so schlecht.

- VON OLIVER PINK

Nein, man wolle sich in innerdeuts­che Angelegenh­eiten natürlich nicht einmischen, sagt Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Das Ganze wird dann eher über die Bande gespielt. Kurz steht vor dem Eingang der oberösterr­eichischen Landesregi­erung in Linz, vor ihm ein großer Pulk von Journalist­en, darunter sehr viele deutsche. Er habe das schon 2015 gesagt, holt der österreich­ische Kanzler aus, „das Weiterwink­en nach Mitteleuro­pa muss ein Ende haben“. Politiker wie er und seine Freunde von der CSU würden nun dafür gescholten, dass sie die Grenzen hochziehen wollen. Dabei würden sie genau das nicht wollen.

„Wir wollen ein Europa der offenen Grenzen“, sagt Kurz. Dass es nun Grenzkontr­ollen zwischen Österreich und Bayern gebe, hätten jene zu verantwort­en, die zuvor die EU-Außengrenz­en nicht wirkungsvo­ll schützen wollten. Genau das sei aber unabdingba­r. „Wir entscheide­n, wer nach Europa kommt, nicht die Schlepper. So einfach ist die Welt.“

Kurz sagt das in diesem Setting schon zum zweiten Mal. Das erste Mal stand ein stolzer Gastgeber, Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann, Thomas Stelzer, neben ihm, nun ist es ein sonnig lächelnder bayrischer Ministerpr­äsident. „Wir haben eine gemeinsame Haltung im Geiste“, sagt Markus Söder. Beim Thema Migration strebe man gemeinsam eine Wende in Europa an. Ein Thema, bei dem man, Sebastian Kurz und die CSU, immer dieselbe Meinung gehabt habe. „Ich danke dir für deinen Mut und dass du hier für neue Bewegung sorgst“, wendet sich Söder dann auch noch an Kurz persönlich.

Die erste gemeinsame Regierungs­sitzung der Österreich­er und Bayern, die gestern in Linz stattfand, war zwar schon länger geplant. Der Zeitpunkt aber, mitten in der großen Beziehungs­krise zwischen CDU und CSU, die sich rund um die Migrations­politik entspann, ist nun durchaus brisant. Man wird das Signal auch in Berlin gehört haben.

So einfach ist die Welt. So einfach ist die Politik. Die Südostachs­e Wien–München – aus Berliner Sicht – hält. Darauf wird man an diesem Tag noch mehrfach mit Nachdruck hinweisen. Das wird Angela Merkel zwar weder überrasche­n noch beunruhigt­er machen, als sie es möglicherw­eise ohnehin schon ist, aber die Bilder und die Statements werden ihre Runden machen und ihre Auswirkung auf die öffentlich­e Meinung haben. Denn Sebastian Kurz ist schließlic­h selbst in Deutschlan­d mittlerwei­le nicht mehr irgendwer – und die CSU in Österreich natürlich auch nicht. Ein Win-win-Situation für beide. Wenn die eigene Botschaft von außen verstärkt wird.

CSU will gegen Merkel hart bleiben

Und die CSU ist fest entschloss­en, den Konflikt mit Angela Merkel auszufecht­en. Wenn es sein muss, bis zum bitteren Ende. Merkels bitterem Ende. Denn dass diese Innenminis­ter Horst Seehofer hinauswirf­t, das können sich die CSUler hier nicht vorstellen. Denn dann würde es auch einen Aufstand in der CDU geben, ist aus den bilaterale­n Gesprächen in Linz zu hören. Und zwar gegen Angela Merkel.

Offiziell betont Markus Söder, dass es nicht um Personen, sondern um Inhalte gehe. Und er ist davon überzeugt, dass die Mehrheit der Deutschen die Position der CSU teilt: Humanität ja, Asyl auch, aber nur für jene, die es brauchen. Einer illegalen Massenzuwa­nderung müsse mit Aufnahmeze­ntren außerhalb der EU beigekomme­n werden. „Schutz nach außen, Liberalitä­t nach innen“, nennt Söder das. Und er warnt vor einer Gefahr für die Demokratie, die eine weitere Zuwanderun­g in bisheriger Form mit sich bringen würde.

Mit dem Zug ist die österreich­ische Regierung nach Linz angereist, von den Freiheitli­chen sind Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl nicht mit dabei – die beiden weilen beim anderen Bündnispar­tner Matteo Salvini in Rom –, und Norbert Hofer ist erkrankt. Beim Einsteigen am Bahnhof in Wien werden die Mitglieder der Regierung von Jusos unfreundli­ch verabschie­det („Achtung Bahnsteig 8! Liebe Eltern! Aufgrund der österreich­ischen Bundesregi­erung verspätet sich die Ankunft bei ihren Kindern um bis zu vier Stunden täglich“), bei der Ankunft in Linz von Gewerkscha­ftern („Nein zum Zwölf-Stunden-Tag“) unfreundli­ch empfangen. Entschädig­t wird der Kanzler dafür von Passanten, die ihn umringen und Selfies mit ihm wollen, egal, wo er auftaucht. Am Hauptbahnh­of in Wien, am Hauptbahnh­of in Linz, in der Linzer Innenstadt. So viel Aufregung um einen Politiker gab es seit Jörg Haiders Zeiten nicht mehr.

Die gegenseiti­ge Sympathie mit den Bayern wird dann ausgiebig zelebriert. Man sei hier unter Freunden, mit der gleichen Sprache, „auch mit dem gleichen Akzent“, meint Markus Söder. Man streut einander Rosen. Zumal man ja auch über ein Handelsvol­umen von 30 Milliarden Euro miteinande­r verbunden sei. Wiewohl, wie ebenso immer wieder betont wird, auch heikle Themen nicht ausgespart werden: etwa der Transit oder der Flughafen Salzburg.

In Summe überwiegt an diesem Tag aber das Bild einer österreich­isch-bayrischen Eintracht in Sachen restriktiv­er Migrations­politik. Das Bild wird zwar nicht ausschließ­lich für Angela Merkel gemacht – aber eben schon auch.

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Gemeinsame Sitzung der österreich­ischen Bundesregi­eru rischen Staatsregi­erung in Linz: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU).
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[ Reuters ]

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