Bayern trifft Österreich: Freund und Feind zugleich
Vergleich. Sie sind sich ähnlich, bekämpften einander, um dann doch wieder zusammenzuhalten. Die Geschichte einer Nachbarschaft.
Jörg Haider lernte einst von Franz Josef Strauß. Horst Seehofer steht Sebastian Kurz politisch näher als Angela Merkel. Die österreichische und die bayrische Politik waren immer wieder kommunizierende Gefäße. Doch so freundschaftlich wie am Mittwoch in Linz ging es im Verhältnis der beiden Länder dann doch nicht immer zu. Davon zeugt nicht nur der Slogan „Lieber bayrisch sterben als kaiserlich verderben“, mit dem vor 300 Jahren Stimmung im Volk gegen die Habsburger gemacht wurde.
Freilich: Der Bayer fühlt sich den Österreichern schon aus sprachlichen Gründen oft näher als den Preußen. Umgekehrt hält man sich im Innviertel wegen der bayrischen Geschichte für etwas Besonderes, kam die Gegend doch erst 1816 endgültig zu Österreich. Und der FC Bayern München – in Ostösterreich weniger wohlgelitten – hat allein in Oberösterreich zwei Dutzend Fanclubs.
Die Querverbindungen in der Historie sind weitgehend. Der politische Aufstieg des Österreichers Adolf Hitler zum späteren NS–Diktator begann in München. Umgekehrt ist es der bayrischen Herzogin Sisi zu verdanken, dass Wiens Fremdenverkehr allerlei Souvenirs mit dem Konterfei der Kaisergattin unter die Touristen bringen kann.
Sprich mit Wien, sag es Berlin!
Wenn Bayern nun Verbundenheit zu Österreich demonstriert, hat das aber nicht nur mit Freundschaft zu tun. Es geht um innenpolitisches Kalkül. So wie im Jahr 2015, als München im Jahr der Flüchtlingskrise lautstark Wien geißelte. Die bayrische Regierung wollte schon damals Angela Merkel eins auswischen und mit der Kritik an der (damals noch rot-schwarzen) Regierung in Österreich indirekt die Kanzlerin in Berlin rügen. Inzwischen wird Merkel direkter von Bayern aus kritisiert. Das nunmehrige Treffen mit der neuen betont migra-
tionskritischen Koalition aus Österreich unterstreicht das Vorhaben aber noch einmal.
Wenn es um unterschiedliche Interessen geht, waren Konflikte zwischen den beiden Staaten immer wieder Thema. Etwa in Maut- und Transitfragen oder bei der Aufarbeitung der Hypo-Affäre. Die Bayern betonten, kein Vertrauen in den Finanzplatz Österreich mehr zu haben. Und im bayrischen Landtag wurde Österreich sogar mit Griechenland verglichen.
Auch im Streit um den Salzburger Flughafen gab es Wickel: Dass die Einnahmen nach Österreich fließen, aber über bayrisches Gebiet zum Start- und Landeanflug angesetzt wird, finden die Bayern nicht so lustig. Auch im Kampf um die Kaufkraft duellieren sich Bayern und Salzburg – Landeshauptmann Wilfried Haslauer senior handelte sich eine Verurteilung durch den Verfassungsgerichtshof ein, als er am 8. Dezember 1984 die Geschäfte in Salzburg öffnen ließ, damit die Kaufkraft nicht nach Bayern abfließt. In Österreich musste der Marienfeiertag damals noch streng eingehalten werden.
Nur nichts Bayrisches einimpfen lassen
Wirtschaftsduelle sind aber harmlos gegen den Kampf, den die Tiroler rund um Andreas Hofer im Jahr 1809 veranstalteten. Ihnen waren die Bayern zu wenig katholisch. Und auch die ersten Impfgegner formierten sich zu der Zeit. Ein Tiroler Kapuzinerpater widersetzte sich der von oben angeordneten Pockenimpfung mit der Begründung, dadurch solle den Tiroler Seelen ein „bayrisches Denken“eingeimpft werden.
Was Österreicher und Bayern eint, ist ein Hang zum Bier und zu deftigen Sprüchen. Gern lädt man zu Aschermittwoch auch Politiker aus dem Nachbarland als Gastredner ins eigene Bierzelt ein. Erfunden haben die Tradition die Bayern, wenngleich nur wenige Kilometer von Österreich entfernt. In Vilshofen an der Donau, einer Nachbargemeinde von Passau, wurde bereits ab dem 16. Jahrhundert heftig auf dem Viehmarkt debattiert. Berühmt wurden die Aschermittwochsreden von Franz Josef Strauß. Wenn der Politiker (bayrischer Ministerpräsident von 1978 bis 1988) gegen Berlin und den Rest der Welt polterte, kamen Tausende, um zuzuhören.
Jörg Haider kopierte nicht nur den Stil von Strauß, sondern brachte auch die Tradition der Aschermittwochsrede nach Österreich. Die erste Veranstaltung dieser Art im Jahr 1992 endete aber in Ried im Innkreis mit einer Enttäuschung. Es gab in Anbetracht des Aschermittwochs Bratheringe und geräucherte Forellen zum Fassbier. Das Rieder Publikum hätte sich aber in Anbetracht der aus Bayern importierten Veranstaltung auch ordentliche Weißwürste erwartet.
Die Verbundenheit mit dem Nachbarn geht also auch durch den Magen.