Die Presse

Bayern trifft Österreich: Freund und Feind zugleich

Vergleich. Sie sind sich ähnlich, bekämpften einander, um dann doch wieder zusammenzu­halten. Die Geschichte einer Nachbarsch­aft.

- VON PHILIPP AICHINGER

Jörg Haider lernte einst von Franz Josef Strauß. Horst Seehofer steht Sebastian Kurz politisch näher als Angela Merkel. Die österreich­ische und die bayrische Politik waren immer wieder kommunizie­rende Gefäße. Doch so freundscha­ftlich wie am Mittwoch in Linz ging es im Verhältnis der beiden Länder dann doch nicht immer zu. Davon zeugt nicht nur der Slogan „Lieber bayrisch sterben als kaiserlich verderben“, mit dem vor 300 Jahren Stimmung im Volk gegen die Habsburger gemacht wurde.

Freilich: Der Bayer fühlt sich den Österreich­ern schon aus sprachlich­en Gründen oft näher als den Preußen. Umgekehrt hält man sich im Innviertel wegen der bayrischen Geschichte für etwas Besonderes, kam die Gegend doch erst 1816 endgültig zu Österreich. Und der FC Bayern München – in Ostösterre­ich weniger wohlgelitt­en – hat allein in Oberösterr­eich zwei Dutzend Fanclubs.

Die Querverbin­dungen in der Historie sind weitgehend. Der politische Aufstieg des Österreich­ers Adolf Hitler zum späteren NS–Diktator begann in München. Umgekehrt ist es der bayrischen Herzogin Sisi zu verdanken, dass Wiens Fremdenver­kehr allerlei Souvenirs mit dem Konterfei der Kaisergatt­in unter die Touristen bringen kann.

Sprich mit Wien, sag es Berlin!

Wenn Bayern nun Verbundenh­eit zu Österreich demonstrie­rt, hat das aber nicht nur mit Freundscha­ft zu tun. Es geht um innenpolit­isches Kalkül. So wie im Jahr 2015, als München im Jahr der Flüchtling­skrise lautstark Wien geißelte. Die bayrische Regierung wollte schon damals Angela Merkel eins auswischen und mit der Kritik an der (damals noch rot-schwarzen) Regierung in Österreich indirekt die Kanzlerin in Berlin rügen. Inzwischen wird Merkel direkter von Bayern aus kritisiert. Das nunmehrige Treffen mit der neuen betont migra-

tionskriti­schen Koalition aus Österreich unterstrei­cht das Vorhaben aber noch einmal.

Wenn es um unterschie­dliche Interessen geht, waren Konflikte zwischen den beiden Staaten immer wieder Thema. Etwa in Maut- und Transitfra­gen oder bei der Aufarbeitu­ng der Hypo-Affäre. Die Bayern betonten, kein Vertrauen in den Finanzplat­z Österreich mehr zu haben. Und im bayrischen Landtag wurde Österreich sogar mit Griechenla­nd verglichen.

Auch im Streit um den Salzburger Flughafen gab es Wickel: Dass die Einnahmen nach Österreich fließen, aber über bayrisches Gebiet zum Start- und Landeanflu­g angesetzt wird, finden die Bayern nicht so lustig. Auch im Kampf um die Kaufkraft duellieren sich Bayern und Salzburg – Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer senior handelte sich eine Verurteilu­ng durch den Verfassung­sgerichtsh­of ein, als er am 8. Dezember 1984 die Geschäfte in Salzburg öffnen ließ, damit die Kaufkraft nicht nach Bayern abfließt. In Österreich musste der Marienfeie­rtag damals noch streng eingehalte­n werden.

Nur nichts Bayrisches einimpfen lassen

Wirtschaft­sduelle sind aber harmlos gegen den Kampf, den die Tiroler rund um Andreas Hofer im Jahr 1809 veranstalt­eten. Ihnen waren die Bayern zu wenig katholisch. Und auch die ersten Impfgegner formierten sich zu der Zeit. Ein Tiroler Kapuzinerp­ater widersetzt­e sich der von oben angeordnet­en Pockenimpf­ung mit der Begründung, dadurch solle den Tiroler Seelen ein „bayrisches Denken“eingeimpft werden.

Was Österreich­er und Bayern eint, ist ein Hang zum Bier und zu deftigen Sprüchen. Gern lädt man zu Aschermitt­woch auch Politiker aus dem Nachbarlan­d als Gastredner ins eigene Bierzelt ein. Erfunden haben die Tradition die Bayern, wenngleich nur wenige Kilometer von Österreich entfernt. In Vilshofen an der Donau, einer Nachbargem­einde von Passau, wurde bereits ab dem 16. Jahrhunder­t heftig auf dem Viehmarkt debattiert. Berühmt wurden die Aschermitt­wochsreden von Franz Josef Strauß. Wenn der Politiker (bayrischer Ministerpr­äsident von 1978 bis 1988) gegen Berlin und den Rest der Welt polterte, kamen Tausende, um zuzuhören.

Jörg Haider kopierte nicht nur den Stil von Strauß, sondern brachte auch die Tradition der Aschermitt­wochsrede nach Österreich. Die erste Veranstalt­ung dieser Art im Jahr 1992 endete aber in Ried im Innkreis mit einer Enttäuschu­ng. Es gab in Anbetracht des Aschermitt­wochs Brathering­e und geräuchert­e Forellen zum Fassbier. Das Rieder Publikum hätte sich aber in Anbetracht der aus Bayern importiert­en Veranstalt­ung auch ordentlich­e Weißwürste erwartet.

Die Verbundenh­eit mit dem Nachbarn geht also auch durch den Magen.

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