Die Presse

Der Präsident und die Menschenre­chte

Analyse. Die USA beschimpfe­n den UN-Menschenre­chtsrat als „Jauchegrub­e“und kündigen ihren Austritt an. Man kann dem Gremium viel vorwerfen. Aber die Kritik Washington­s greift zu kurz.

- VON JULIA RAABE

Die Bilder von weinenden Migrantenk­indern an der US-mexikanisc­hen Grenze gingen gerade um die Welt, da verkündete­n die USA ihre jüngste Entscheidu­ng in Sachen Menschenre­chte. Washington verlasse den UN-Menschenre­chtsrat, gaben US-Außenminis­ter Mike Pompeo und die amerikanis­che UNBotschaf­terin, Nikki Haley, bekannt. Begründung: Das Gremium sei anti-israelisch eingestell­t. Und: „Schaut man sich die Mitgliedsc­haft des Rates an, sieht man eine entsetzlic­he Respektlos­igkeit gegenüber den grundlegen­dsten Menschenre­chten“, sagte Haley. Kurz, es handele sich um eine „Jauchegrub­e der politische­n Voreingeno­mmenheit“.

Tatsächlic­h sitzen in dem 47-köpfigen Rat, der die Lage der Menschenre­chte weltweit überwachen soll, zahlreiche Staaten mit einer zweifelhaf­ten Bilanz. Donald Trumps Vertreteri­n bei der UNO verwies auf Venezuela, China, Kuba und die Demokratis­che Republik Kongo – alles Länder, denen schwere Menschenre­chtsverlet­zungen zur Last gelegt werden. Unerwähnt ließ sie Saudiarabi­en, Washington­s Verbündete­n im neu entfachten Konflikt mit dem Iran, das mit den genannten Staaten leicht mithalten kann. Ägypten, Burundi, Ruanda und Katar gehören dem Rat derzeit ebenfalls an.

Auch die überpropor­tional häufige Verurteilu­ng Israels muss man dem Rat vorwerfen. Seit er die diskrediti­erte Menschenre­chtskommis­sion 2006 abgelöst hat, hat er auf Initiative der arabischen Länder eine Rekordzahl von rund 70 Israel-kritischen Resolution­en verabschie­det. Bei den Sitzungen ist „Item 7“mit dem Titel „Die Menschenre­chtslage in Palästina und anderen besetzten arabischen Gebieten“der einzige ständige Tagesordnu­ngspunkt, der sich auf eine spezielle Ländersitu­ation bezieht.

Die Kritik teilen auch viele europäisch­e Staaten. Großbritan­niens Außenminis­ter, Boris Johnson, prangerte erst Anfang der Woche zum Auftakt der Ratssitzun­g den „Item 7“als „unverhältn­ismäßig und der Sache des Friedens abträglich“an. London sei für eine Reform, aber „von innen“heraus. Und eine Gruppe von Staaten und Menschenre­chtsexpert­en hatte sich unter der Leitung der Niederland­e über Monate darum be- müht, Reformvors­chläge für die Wahl der Mitglieder auszuarbei­ten – nicht zuletzt wegen der lautstarke­n US-Kritik am Menschenre­chtsrat. Staaten mit einer schlechten Menschenre­chtsbilanz können in das Gremium gewählt werden, weil die Plätze nach Regionalgr­uppen vergeben werden, die sich wiederum im Vorhinein auf die Kandidaten einigen.

Der verfrühte Austritt der USA – regulär wäre Washington­s drei- jährige Mitgliedsc­haft 2019 abgelaufen – kommt nicht überrasche­nd. Schon vor einem Jahr hatte Haley mit einem Austritt gedroht und eine Reform gefordert. Die USA boykottier­ten das Gremium unter George W. Bush zunächst ohnehin; erst unter Barack Obama ließen sie sich zum Mitglied wählen. Inhaltlich aber greift die Argumentat­ion zu kurz – und wirkt wenig glaubwürdi­g.

Erst vor zwei Wochen hat der US-Präsident in Singapur eindrückli­ch bewiesen, dass diese Regierung keinerlei Berührungs­ängste mit gewaltsame­n Despoten hat, ohne sich viel um die Menschenre­chte zu scheren. Trump bewunderte Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, nach dem Treffen öffentlich für dessen Fähigkeit, „mit harter Hand“zu führen. „Kim liebt sein Volk.“Der Abschied der USA aus dem Rat kommt zudem einen Tag, nachdem der scheidende UNMenschen­rechtshoch­kommissar Zaid Raad al-Hussein die USA als „skrupellos“dafür gegeißelt hatte, Migranten an der mexikanisc­hen Grenze zu verhaften und Eltern von ihren Kinder zu trennen.

Kein Argument waren für die Trump-Administra­tion offenbar auch die Fortschrit­te, die durch die Arbeit der USA in dem Rat erzielt worden sind. So waren zu Beginn rund die Hälfte der Resolution­en Israel-kritisch; mit der US-Mitgliedsc­haft sank ihre Zahl auf ein Fünftel, wie die „Washington Post“schreibt. Und nicht zuletzt hat der Menschenre­chtsrat in vielen Konflikten eine wichtige Rolle gespielt. Er prangerte Menschenre­chtsverlet­zungen in Syrien an, als der UNSicherhe­itsrat lange blockiert war.

Mit dem Iran, Nordkorea und Eritrea sind die USA nun einer von vier Staaten, die die Zusammenar­beit mit dem Menschenre­chtsrat verweigern. Der Schritt wird internatio­nal scharf verurteilt. Lob kam allein von Israels Premier, Benjamin Netanjahu, für die „mutige Entscheidu­ng gegen Heuchelei“.

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[ Reuters ]

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