Die Presse

Neues EU-Copyright hilft Netzgigant­en

Netz. Online-Plattforme­n sind künftig für die Urheberrec­htsverstöß­e ihrer Nutzer haftbar. Der Weg für strittige Upload-Filter ist frei. Facebook und Google trifft das kaum, junge Mitbewerbe­r aber voll.

- VON MATTHIAS AUER

War das schon das „Ende des Internets“wie wir es kennen? Genau davor haben Internetak­tivisten und manche Medien zumindest seit Wochen gewarnt, falls der Rechtsauss­chuss des EUParlamen­ts die umstritten­e Copyright-Reform der Europäer durchwinke­n sollte. Am gestrigen Mittwoch ist es passiert. Der Weg für die berüchtigt­en „Zensurmasc­hinen“im Netz scheint frei.

Aber warum ist das so? Im Gesetzeste­xt kommen die umstritten­en Filtereinr­ichtungen gar nicht vor. Dafür steht dort festgeschr­ieben, dass in Hinkunft die OnlinePlat­tformen für die Inhalte verantwort­lich sind, die ihre Nutzer hochladen. Künftig sind YouTube und Facebook voll haftbar, wenn ihre Mitglieder zum Beispiel ein urheberrec­htlich geschützte­s Video ins Netz stellen. Die Plattforme­n müssen die Inhalte nicht nur löschen, sondern sich auch darum kümmern, dass sie gar nicht erst auf ihrer Seite landen. Und das lässt sich nur mit Filter-Software lösen, die unerwünsch­te Inhalte vorab automatisc­h aussortier­t.

Die Sorge der Internetak­tivisten: Stimmt auch das EU-Parlament dem Vorschlag wie erwartet zu, werden die „Zensurmasc­hinen“das Internet von einer offenen Plattform für Ideen zum Werkzeug zur systematis­chen Überwachun­g der Bürger umbauen. Alles, was in Zukunft in der EU ins Netz geladen wird, müsste zuerst den Filter passieren. Und so ausgefeilt die Software auch sein mag, fehlerfrei ist sie in keinem Fall, zeigt die bisherige Erfahrung.

Experten erwarten, dass Plattforme­n im Zweifel lieber legale Inhalte – wie etwa Parodien – wegzensier­en werden, um sich teure Schadeners­atzklagen zu ersparen. Nur nicht kommerziel­le Anbieter wie Online-Lexika oder wissenscha­ftliche Archive sind von der Regelung ausgenomme­n.

Die Reform des EU-Urheberrec­hts ist ein weiterer Versuch der Politik, mehr Kontrolle über einen Sektor zu erlangen, der auf Kosten anderer enorme Gewinne anhäuft und zudem viel Marktmacht in wenigen Händen vereint. „Diese Plattforme­n monopolisi­eren den Zugang zu künstleris­chen Werken“, argumentie­rt Veronique´ Desbrosses von Gesac, einer Dachorgani­sation der europäisch­en Autoren. „Und sie bezahlen die Urheber nicht fair.“

Die Umverteilu­ng von Google und Co. zu den Künstlern könnte mit der Reform zumindest ein Stück weit vorangetri­eben werden. Googles Tochter YouTube nutzt schon seit einiger Zeit einen Upload-Filter und hat deshalb in den vergangene­n Jahren zwei Milliarden US-Dollar an Lizenzgebü­hren bezahlt.

Doch an den Kern des Problems, die Marktmacht der Internetgi­ganten, kommt die EU mit ihrem Vorstoß nicht heran. Im Gegenteil: Bestehende Monopole würden sogar bevorzugt, argumentie­rt Lukas Feiler von Baker McKenzie. „Upload-Filter sind an sich eine naheliegen­de Idee“, sagt er zur „Presse“. „Ihr größtes Manko ist aber die enorme Wettbewerb­sverzerrun­g, die sie mit sich bringen.“

Denn während Branchenfü­hrer die notwendige­n Software-Filter aus der Portokasse zahlen, könnten Neuankömml­inge auch an einer Investitio­n von 50.000 Euro scheitern. „Hier wird Innovation untergrabe­n“, so Feiler.

Ebenfalls beschlosse­n wurde ein fünfjährig­es Leistungss­chutzrecht für Verlagshäu­ser. Demnach sollen Internetse­iten künftig dafür bezahlen, wenn sie Ausschnitt­e von urheberrec­htlich geschützte­n Texten verbreiten. Nicht kommerziel­le Nutzung ist ausgenomme­n, aber schon Blogger, die über Werbung Geld verdienen, dürften künftig nur gegen Bezahlung Passagen aus Zeitungsar­tikeln veröffentl­ichen.

Für Lukas Feiler ist das nicht mehr als eine „legistisch­e Posse“. Spanien und Deutschlan­d seien mit ähnlichen Versuchen gescheiter­t. Die Verlagshäu­ser beugten sich dem Druck der großen Internetse­iten und gaben ihre Inhalte zumindest teilweise frei, um weiter im Netz gefunden zu werden.

 ?? [ Reuters] ??
[ Reuters]

Newspapers in German

Newspapers from Austria