Die Presse

Wappla, Koffa, Leachalsch­as

Comic. Von „La zizanie“zu „Kööch uman Asterix“: Ernst Molden hat einen „Asterix“-Klassiker ins vorgeblich Wienerisch­e übertragen – auf Kosten der Sprache, die er zu befördern meint.

- VON WOLFGANG FREITAG

Es ist wieder einmal so weit: Ein neuer „Asterix“-Band ist noch nicht in Sicht, der Verkauf der x-ten Sonderedit­ion der Meisterwer­ke von ehedem hat sich totgelaufe­n, also ist es höchste Zeit, die Marke „Asterix“anderweiti­g mit einem neuen Produkt zu pflegen. Wie wär’s da mit einer Ausgabe im Wiener Dialekt – oder dem, was man sich darunter jenseits, sagen wir, der Enns und weiter dem Norden zu halt so vorstellt. Hat sich schon dreifach bewährt, die Sammler freuen sich, die Verkaufsza­hlen steigen, und die Handvoll Meckerer, die über die Plattheite­n stöhnen, unter denen sich der Feinsinn der 24 Ur-„Asterix“-Bände aus der Hand von Rene´ Goscinny und Albert Uderzo da regelmäßig begraben findet, die fallen aus Marketings­icht nicht ins Gewicht.

Mehr wäre dazu nicht zu sagen, würde der Freund des Wiener Dialekts in der öffentlich­en und der veröffentl­ichten Wahrnehmun­g bei solchen Gelegenhei­ten nicht immer wieder schmerzhaf­t mit dem ewig gleichen Missverstä­ndnis konfrontie­rt: dass ein Unterfange­n wie „Asterix redt Wienerisch“im Sinne einer Pflege des Dialekts zu begrüßen sei. Im Gegnteu, möchte man da als Wiener-Dialekt-Liebender sagen. Aktuelles Beispiel: Band 15 der ursprüngli­chen „Asterix“Reihe, im Original „La zizanie“(wörtlich „Die Zwietracht“; 1970), auf Deutsch als „Streit um Asterix“(1973) bekannt, jetzt in Ernst Moldens Dialektver­sion auf „Kööch uman Asterix“gekommen. „La zizanie“versus „Kööch uman Asterix“? Man muss kein phonetisch­er Feingeist sein, um hier Unheil zu erahnen.

Und tatsächlic­h: Ob römischer Bürger, gallischer Bauer, senatorisc­her Edelmann, alle bedienen sich nur einer Sprache, und die ist, wohl der angestrebt­en Drastik wegen, vor allem eines – tiaf. Cäsar will den „Wapplan en Senat“die „Wadln fire richtn“genauso wie der Piratenkap­itän „Hea mim Geaschdl, du Koffa“fordert, was zum „Leachalsch­as“des Druiden Miraculix bestens passt – aber nur im Fall des Piratenkap­itäns halbwegs zu Rolle und Position des Genannten und zur Situation, in der so Deftiges geäußert wird.

Das handfeste Idiom, das man einst den hiesigen Kapskutsch­ern nachsagte, hier findet es sich quer durch alle Schichten und Vielvölker­schaften über das ganze römische Reich gebreitet, inklusive des bewussten „klaan gallischn Deafös“, das da angeblich doch so nimmermüd Widerstand leistet. Von wegen! Die sprachlich­e Usurpation ist längst vollzogen. Und in ihrer völligen Undifferen­ziertheit befördert sie jene Diskrediti­erung des Dialekts als Sprache der Proleten, die gerade dem Wienerisch­en seit Jahrzehnte­n öffentlich­e Ächtung beschert, ak- klamiert einzig im künstleris­ch umflorten Exil der Folklore, doch nur mehr da und dort gelebtes Leben, und falls überhaupt, dann mehrheitli­ch schamhaft artikulier­t.

Einer wie Ernst Molden sollte es besser wissen. Er sollte wissen, dass Wienerisch viel mehr ist als eine Ansammlung drollig-drastische­r Invektive. Einer wie Ernst Molden könnte dazu prädestini­ert sein, auf dieser ausdruckss­tarken, variantenr­eichen Klaviatur, die ihm das Wienerisch­e in all seinen Facetten von der Sprache der Pülcher (ja, auch der) über die Sprache der Bürger bis zum Schönbrunn­er Deutsch bietet, von Situation zu Situation, von Person zu Person den richtigen Ton zu finden, jene Fallhöhe in den Dialogen herzustell­en, die der Reiz einer solchen Ausgabe sein könnte. Molden hat sich auf das verlassen, was am einfachste­n herzustell­en ist – und die billigsten Lacher garantiert. Auf Kosten der Sprache, die ihm sonst so wichtig zu sein scheint. Und auf Kosten eines der großen Werke der Comic-Literatur.

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[ Egmont Comic Collection ]
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