Die Presse

Waffen und Ziele des Islamismus

Europa unterschät­zt noch immer die Gefahren, die von einem militanten politische­n Islam ausgehen.

- VON NIKOLAUS LEHNER Prof. Dr. Nikolaus Lehner (* 1939 in Wien) war 40 Jahre lang als Rechtsanwa­lt in Wien tätig, spezialisi­ert auf Kunst, Kultur und Patientens­chutz.

In den 1970er-Jahren kam es in der gesamten islamische­n Welt zu einem Erwachungs­prozess. Er manifestie­rte sich im Erstarken der Religiosit­ät sowie im zunehmende­n Einfluss der islamische­n Kultur. Diese Reislamisi­erung ist als Abwehrreak­tion gegen die Verwestlic­hung und die Modernisie­rung zu verstehen und äußerte sich durch Terroratta­cken auf Zivilisten ebenso wie auf militärisc­he Ziele.

Aus westlicher Perspektiv­e ergibt sich, dass der Einfluss des Islam im Vergleich zum Christentu­m immer mehr zunimmt. Die Regierunge­n im Iran, Sudan, Afghanista­n/Taliban, Ägypten, Libyen und Pakistan sind indirekt Produkte des Wiederaufl­ebens des Islamismus ebenso wie die türkische Partei für Gerechtigk­eit und Aufschwung (AKP) von Recep Tayyip Erdogan.˘ Bedauerlic­herweise wurde dem Erstarken des Islamismus im Westen mit Unverständ­nis begegnet.

Die Salafisten sind eine rasch wachsende Gruppierun­g in Europa, sie unterminie­ren das schwächer werdende Christentu­m mit ihren Ideen. Die Behauptung, dass der Koran in seinen Suren gegen jede Art von Kampf und Krieg sei, ist falsch, weil es sehr wohl Suren gibt, in denen das Gegenteil normiert ist. Der Jihad findet immer immer mehr Anhänger. Das signalisie­rt eine Rückkehr zur islamische­n Politik der ersten Kalifen und dem Zusammensc­hluss der Muslime gegen die Christenhe­it.

In der Türkei propagiert Erdogan˘ den Neo-Osmanismus und Panturkism­us. Erst unlängst hat er zum heiligen Krieg aufgerufen. Die Mehrheit der in Europa lebenden Türken hat den türkischen Pass behalten. Ihre Integratio­n in die europäisch­en Gesellscha­ften ist nicht gelungen, weil Erdogan˘ Signale an seine Landsleute sendet und ihnen Versprechu­ngen macht, die sie mehr ansprechen, als es die Politik in ihrer neuen Heimat vermag. Von den europäisch­en Staaten ist zu überlegen, wie dem politische­n Islamismus Einhalt geboten werden kann. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass Erdogan˘ seine Machtfülle mit Hilfe seiner Millionen Landsleute über Teile Europas auszuweite­n trachtet.

Böse Erinnerung­en kommen da auf an das brutale Vorgehen der Türken gegen Armenier und Kurden. Erdogan˘ versteht es auf geradezu diabolisch­e Weise, Europas Abhängigke­it im Hinblick auf die Rücknahme von Flüchtling­en auszunütze­n, und er lässt sich dafür und als Mitglied der Nato mit Kriegsmate­rial beliefern.

Die Gefahren, die von einem militanten politische­n Islam ausgehen, werden in Europa in Unkenntnis der Geschichte noch sehr unterschät­zt. Durch die Uneinigkei­t innerhalb der EU aber wird dieses Problem nur noch brisanter.

Der Islamismus verheimlic­ht keineswegs seine Absicht, den Westen zur Religion des Propheten zu bekehren. Terrorismu­s, wirtschaft­licher Druck mit der Öl-Waffe und psychologi­sche Kriegsführ­ung sind seine Waffen. Der Islam duldet auch keine Kritik am Konzept des Jihad.

Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass sie nicht statisch, sondern dynamisch ist. Es sind schon zahlreiche Völker und blühende Kulturen untergegan­gen. Es ist dies keine Angelegenh­eit, bei der man zwischen den Guten auf der einen, den Bösen auf der anderen Seite unterschei­den kann. Denn wie bei einem Epos vermischt und überschnei­det sich hier alles im Laufe der Zeit.

Der menschlich­e Charakter ist vielfältig: servil, korrupt, kraftlos, kleinmütig und überheblic­h, aber auch gleichzeit­ig gebildet, fleißig und heldenhaft – in einem menschlich­en Magma geformt, dem sich der Historiker nur mit Respekt nähern kann.

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