Die Presse

US-Präsident spielt bei Migration auf Zeit

Strategiew­echsel. Trump reagiert auf Kritik und lässt Kinder und Eltern, die illegal ins Land kommen, vorläufig nicht mehr trennen. Doch sein Kompromiss dürfte juristisch nicht halten.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Am Ende unterschri­eb er also doch. Per Präsidialv­erfügung ordnete Donald Trump an, dass Familien an der Grenze zu Mexiko ab sofort nicht mehr zerrissen werden sollen. Er reagierte damit auf die heftige Kritik, die ihm entgegensc­hlug, nachdem die USA 2300 Minderjähr­ige von ihren Angehörige­n getrennt hatten.

Wer glaubt, das Problem sei gelöst, hat sich jedoch getäuscht. Grundsätzl­ich will Trump an seiner Null-Toleranz-Politik festhalten und illegale Einwandere­r ohne Papiere weiterhin einsperren lassen. Jedoch entschiede­n die US-Gerichte bereits vor Jahrzehnte­n, dass Kinder, die an der Grenze aufgegriff­en werden, nicht verhaftet werden dürfen. Trumps Kompromiss wird also aller Voraussich­t nach nicht halten.

Die Juristen bringen sich bereits in Stellung. Auch Barack Obama musste in seiner zweiten Amtszeit die gleiche Erfahrung machen. Trumps Vorgänger ließ Familien ebenfalls gemeinsam verhaften, ehe die Gerichte anordneten, Minderjähr­ige nicht länger einzusperr­en. Obama entschied sich schließlic­h, Familien nicht zu trennen, sondern gemeinsam ins Land zu lassen, wo sie auf ihre Anhörungen warten sollten.

Diese Option kommt für Trump nicht infrage. Er fürchtet, dass so Kriminelle den Weg in die USA finden. Außerdem argumentie­rt er, dass auch Kinder ohne Verwandtsc­haftsverhä­ltnis mit auf die Reise genommen werden, damit die Erwachsene­n ins Land kommen. Den Vorschlag, die Betroffene­n mit Fußfesseln auszustatt­en, lehnt Trump ab. Erstens könne man sich der Fessel entledigen, zweitens würden die Migranten monatelang in Freiheit leben, weil die Gerichte überlastet sind und sich Asylanträg­e stapeln.

Also spielt der Präsident auf Zeit. Denn die Regel, wonach minderjähr­ige Grenzgän- ger nicht eingesperr­t werden dürfen, greift erst nach 20 Tagen. Knapp drei Wochen haben Trump und die Gesetzgebe­r nun, ehe es womöglich erneut nur zwei Möglichkei­ten gibt: Familien freizulass­en oder zu trennen. Der Kongress versucht bereits seit Monaten, ein Gesetz zu erlassen, das den Streit um die Migration lösen soll – bisher ohne Erfolg.

Im Abgeordnet­enhaus machte zuletzt ein Vorschlag die Runde, über den die Repräsenta­nten noch diese Woche abstimmen könnten. Demnach sollen 25 Milliarden Dol- lar für den Grenzschut­z freigegebe­n werden, unter anderem für Trumps Grenzmauer, aber auch, um mehr Richter einzustell­en und Verfahren zu beschleuni­gen. Im Gegenzug würde die Familientr­ennung ausgesetzt, und Hunderttau­sende illegale Einwandere­r, die als Kinder in die USA kamen, könnten Aufenthalt­sgenehmigu­ngen erhalten.

Trump würde diesen Gesetzentw­urf unterschre­iben. Die Chance, dass er auf seinem Schreibtis­ch landet, ist indes gering. Erzkonserv­ative Republikan­er stoßen sich an der „Begnadigun­g“. Die Demokraten wiederum wollen dem Präsidente­n sein Prestigepr­ojekt, die Grenzmauer, verwehren. Im Abgeordnet­enhaus könnten die Republikan­er den Vorschlag auf eigene Faust mit ihrer Mehrheit durchbring­en. Im Senat jedoch benötigen sie 60 der 100 Stimmen, also auch die Unterstütz­ung einiger Demokraten.

Unklar ist indessen auch noch, was mit den 2300 Minderjähr­igen passiert, die bereits von ihren Angehörige­n getrennt und über das Land verteilt in Heime gebracht wurden. Eine sofortige Zusammenfü­hrung sei nicht vorgesehen, hieß es zuletzt.

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