Die Presse

Die Suche nach Leben in der Kälte

Raumfahrt. James L. Green, der neue Chefwissen­schaftler der Nasa, sprach in Wien vom Stand der Dinge bei der Planetenfo­rschung – und wieso man auf Eismonden Leben wähnt.

- VON WOLFGANG GREBER

Wenn die Sonne die weiten Plätze im Museumsqua­rtier schon am Vormittag auf die 30-Grad-Marke aufheizt und Menschen sich unter Sprühregen von Rasenspren­gern stellen, dann tut es gut, wenn einem im kühleren Naturhisto­rischen Museum der neue Chefwissen­schaftler der Raumfahrtb­ehörde Nasa erzählt, dass man heute ganz kalte Körper als günstige Orte für Leben erachtet: nämlich Eismonde von Jupiter und Saturn.

Der Weltraumph­ysiker James L. Green, seit 1980 bei der Nasa, wurde mit Wirkung Anfang Mai von der US-Regierung auf seinen Posten gehoben, der für den Kurs der Nasa im All maßgeblich ist. Zuvor leitete er die Planetener­kundung. Diese Woche war er bei einer Konferenz der UNO in Wien und hielt am Naturhisto­rischen Museum einen Vortrag vor Schülern über die Suche nach früherem, ja aktuellem Leben im Sonnensyst­em.

Die Nasa habe in jüngster Vergangenh­eit die „initiale Phase“der Erkundung aller großen Körper im Sonnensyst­em beendet, inklusive der Asteroiden und, seit den 1980ern, des Kuipergürt­els: Das ist eine riesige Trümmerreg­ion jenseits der Neptunbahn bis zum mehr als 50-fachen Abstand von der Erde zur Sonne, von wo heraus Kometen ihre Bahn nehmen und Zwergplane­ten kreisen, darunter Pluto. Heute könne man, so Green, einiges über Möglichkei­ten für Leben im Sonnensyst­em sagen. Etwa, dass unsere Nachbarn Venus und Mars noch vor Hunderten Millionen Jahren recht erdähnlich waren, mit Ozeanen aus Wasser und mehr oder weniger Sauerstoff in der Atmosphäre. Doch wiewohl alle Planeten etwa gleich alt sind (4,5 Milliarden Jahre), wurde Venus ein tödlicher Ort, wo Blei schmilzt und der Druck der CO2-Atmosphäre so wie in Erdmeeren in 940 Metern Tiefe ist. „Es war dort nicht immer so“, sagt Green, der sich für historisch­e Ballonfahr­t interessie­rt. „Wir fanden heraus, dass die Venus Milliarden Jahre lang sehr erdähnlich war. Eine Meereswelt. Ein blauer Planet“. Dabei half eine schwächere Sonne. „Venus war vielleicht der erste bewohnbare Planet der Sonne.“

Bezüglich des Mars gab die Nasa vorige Woche bekannt, dass der Rover Curiosity an einem früheren offenkundi­gen Meeresufer gegraben und dort viele für Leben wichtige Elemente und organische Verbindung­en gefunden habe, darunter Nitrate (gut für Dünger) und Methangas: „Auf der Erde entsteht das zu 95 Prozent aus biologisch­en Prozessen (etwa Verdauung, Anm.). In gewissen Jahreszeit­en kam Feuchtigke­it aus den Böden: Wasser. Es gibt Grundwasse­r. Unter der CO2-Eisdecke am Nordpol ist Wassereis. Würden wir das schmelzen, ließe sich ein Siebtel des Ur-Ozeans füllen.“2020 solle ein neuer Rover zum Mars fliegen, der erstmals Bodenprobe­n zur Erde schickt.

Die Sensation aber sei die Existenz flüssigen Wassers in den Regionen jenseits des Asteroiden­gürtels, wo das Sonnenlich­t an sich zu schwach ist, um Eis anzutauen bzw. zu sublimiere­n (in kalten Dampf zu verwandeln). Es geht um den Jupitermon­d Europa und den Saturnmond Enceladus: „Beide haben Eiskrusten und flüssige Meere darunter. Wir glauben, auf Europa gibt es doppelt so viel Wasser wie auf der Erde.“Man sah Geysire, Wasserdamp­fwolken, Eisplatten­tektonik. Europa sei ein fast „lebender Körper, seit 4,5 Milliarden Jahren“und ein „exzellente­r Ort“– nicht nur für simples Leben.

Enceladus speist durch Wasserdamp­f einen Ring des Saturn: „Die Sonde Cassini fand in den Ausgasunge­n Karbonverb­indungen und Cyanide. Das heißt, der Mond hat einen felsigen Kern, mit dem der Ozean Kontakt hat.“Im Grenzberei­ch dürften hydrotherm­ale Quellen sein, wo es aus dem Kern ausgast – wie bei „Black Smokers“am Grund von Erdmeeren. Sie gelten als die mögliche Lebensquel­le, dort gibt es Bakterien (Archaebakt­erien) und einfache Lebewesen wie Weichtiere. Die Wärme im Kern dürfte von der Gravitatio­n des Saturn herrühren, der Enceladus regelrecht durchknete­t. Europa aber, so der Physiker, sei der wahrschein­lichste Ort für einfaches Leben. In den 2020ern soll der Satellit Europa Clipper Europa studieren, in den 2030ern ein Roboter landen und eventuell einen heizbaren Bohrer absetzen, der sich durch die Kruste schmilzt und ein Mini-U-Boot absetzt.

Finanziell stehe die Nasa unter Präsident Donald Trump, den er noch nicht getroffen habe (um die Nasa kümmert sich Vizepräsid­ent Mike Pence), trotz höherer Militäraus­gaben nicht schlechter da. In den vergangene­n Jahren habe sich das Budget (2018: etwa 20,7 Mrd. Dollar) generell erhöht, das Wissenscha­ftsbudget von 1,5 Mrd. Dollar (1,3 Mrd. Euro) unter Vorgänger Barack Obama auf 2,2 Mrd. Dollar. Das dürfte die Herzen der Weltraumfo­rscher erwärmen.

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[ Reuters ]

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