Die Presse

Warum der Buwog-Prozess ausufert

Gericht. Das Korruption­sverfahren läuft nur noch in Zeitlupe: Karl-Heinz Grasser musste stundenlan­g das handschrif­tliche Notizbuch seines Ex-Kabinettsc­hefs entziffern.

- VON MANFRED SEEH

Es wird immer zäher. Der sprichwört­liche Silberstre­if am Horizont ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Er ist noch weiter weg als am Beginn des Endlos-Verfahrens. Die Rede ist – wovon sonst? – von der Causa Buwog. Am Donnerstag, dem 43. Verhandlun­gstag, stellte sich bei Beobachter­n erstmals eine gewisse Ratlosigke­it ein.

Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser fiel am dritten Tag seiner Einvernahm­e eine diffizile Rolle zu. Stundenlan­g sollte er versuchen, das handschrif­tlich geführte Notizbuch seines früheren Kabinettsc­hefs Heinrich Traumüller zu interpreti­eren. Dafür wurde Zeile für Zeile, Wort für Wort, per Beamer auf eine Leinwand projiziert.

Als Angeklagte­r hätte Grasser auch schweigen dürfen. Aber er zeigte sich relativ willig. Seine vielfach fast flehentlic­h vorgetrage­ne Bitte, Richterin Marion Hohenecker möge doch Traumüller selbst fragen, fruchtete nicht.

Diese Episode zeigt exemplaris­ch, wie unglaublic­h ausführlic­h die Richterin das Untreuever­fahren um die seinerzeit von Grasser orchestrie­rte Privatisie­rung von 60.000 Bundeswohn­ungen führt. Mehr noch: Seit offiziell bestätigt wurde („Die Presse“berichtete schon im Vorfeld), dass auch noch ein Strafverfa­hren aus der Telekom-Serie (meist geht es dabei um Schmiergel­der) mit der BuwogVerha­ndlung verflochte­n wird, sind Prognosen zur Gesamtdaue­r noch schwierige­r zu treffen. Von Urteilen, die erst Ende 2019 fallen könnten, ist mittlerwei­le die Rede.

Auch die Frage nach dem praktische­n Ablauf stellt derzeit die Verteidige­rriege vor ein Rätsel. So viel scheint fix: Im Herbst sollen die Angeklagte­n aus dem Telekom-Prozess aufmarschi­eren. Fünf Personen. Zwei davon, Walter Meischberg­er und Peter Hochegger, sind auch in der Strafsache Buwog angeklagt.

Schwarze Schmiergel­dkassen

Inhaltlich geht es um die Bildung von „schwarzen Kassen“, einst gefüllt mit Geld der Telekom Austria. Mit eben diesem Geld hätte das Wohlwollen von politische­n Parteien gekauft werden sollen. So sagt das die Anklage.

Wenn schließlic­h bis Ende 2018 die Befragung der TelekomAng­eklagten auch „durch“ist – was dann? Geht es mit dem Beweisverf­ahren (Zeugen, Gutachter, Verlesunge­n etc.) zum Thema Buwog weiter? Wohl ja. Daraufhin müsste dann noch das Beweisverf­ahren Telekom kommen. Erst danach kann es Urteile geben. Vielleicht wirklich erst Ende 2019.

Aber noch einmal zurück zum aktuellen 43. Verhandlun­gstag: Wie man es auch dreht und wendet, der zentrale Korruption­svorwurf, der Grasser gemacht wird, hält nur, wenn der Nachweis gelingt, dass der Ex-Minister den entscheide­nden Preis- bzw. AnbotsTipp an die späteren Buwog-Käufer verraten hat. Habe er aber nicht, sagt er.

Woher sein Freund Meischberg­er dann gewusst habe, dass man mehr als 960 Millionen Euro bieten müsse? Das wisse er nicht, so Grasser. Ob er denn im Nachhinein nicht nachgefrag­t habe (was unter Freunden lebensnah gewesen wäre)? Nein, habe er nicht. „Es wäre geradezu ein Fehler gewesen, wenn ich mich belastet hätte – mit den Details dieses Geschäfts!“Nach diesen Ausführung­en wurde der Prozess auf 17. Juli vertagt.

Apropos lange Verfahrens­dauer: Es könnte ein „Richter-Problem“geben. Von den ursprüngli­ch zwölf erschienen­en Schöffen (Laienricht­er) sitzen nur mehr sechs im Saal. Zwei sind für die Urteilsfin­dung (in Kooperatio­n mit zwei Berufsrich­tern) vorgeschri­eben. Fällt die Zahl unter zwei, steht die Verhandlun­g, bis der ausgefalle­ne Schöffe wieder fit ist. Fällt bei nur noch zwei Schöffen einer dauerhaft aus, muss der gesamte Prozess von vorn beginnen.

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