Die Presse

Die Keramikfra­uen vom Eck

Co-Making. Drei junge Frauen haben am Volkertmar­kt ein Keramikstu­dio eröffnet. Dort gibt es auch Arbeitsplä­tze zum Mieten. Und etwas Digital Detox.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Alle sind froh, dass wir kein Kebab- oder Pizzalokal sind“, sagt Kate Thompson (27) und lacht. Einen Ofen gibt es trotzdem: In einem Ecklokal direkt am Volkertmar­kt im zweiten Wiener Bezirk hat Thompson gemeinsam mit Teresa Dolezal (29) und Anouk Siedler (29) vor drei Wochen ihr Keramikstu­dio rami eröffnet („Der Name ist sozusagen das Innere von ,Keramik‘“). Ein Studio, in dem man klassisch Kurse belegen kann – in dem man sich aber auch einen Arbeitspla­tz mieten kann, um an seinen eigenen Keramikstü­cken zu arbeiten.

Entstanden ist die Idee aus dem Wunsch, selbst flexibler und selbststän­diger zu töpfern, nachdem die drei vor inzwischen drei Jahren ins Keramikmac­hen hineingeki­ppt sind. Damals meldete sich Siedler, schwanger, für einen Kurs an („Ich dachte, Keramik wird sicher nett“), Kate kam mit, Teresa, die zuvor schon ein paar Erfahrunge­n gesammelt hatte, kam irgendwann auch dazu. „Ich habe die fertigen Sachen schön gefunden“, sagt Kate zu ihrer Motivation. „Ich wollte neben dem Bürojob kreativ sein. Und sobald ich das einmal gemacht hatte, wollte ich es immer wieder machen.“

Thompson hat ursprüngli­ch Psychologi­e studiert, Siedler kommt aus der Sozialpäda­gogik, Dolezal aus der Anthropolo­gie. Kennengele­rnt haben einander die drei einst beim gemeinsame­n Menschenre­chtestudiu­m, ein Bereich, in dem sie dann auch arbeite- ten. Seit sie nun vor wenigen Wochen ihr Keramikstu­dio aufgesperr­t haben – dass es früher ein Fast-Food-Lokal war, ist nicht einmal mehr zu erahnen –, sind die drei für die Grätzelbew­ohner nun aber die „Keramikfra­uen vom Eck“. „Es ist wirklich ein Glücksfall, dass wir das Lokal am Markt gefunden haben – es passt perfekt zu uns. Wir wollen ein zugänglich­er Ort sein.“

Das Publikum der ersten Wochen ist durchmisch­t, vom pensionier­ten Keramiker bis zum neunjährig­en Mädchen, das mit der Großmutter zum Kurs kommt. Das Klischee, dass Töpfern nur für Frauen sei, stimme übrigens auch nicht ganz: Die erste Anmeldung für einen Arbeitspla­tz im Keramikstu­dio sei von einem Mann gekommen. Das Co-Making – so nennen die drei Frauen das Konzept in Anleh-

rami haben Kate Thompson, Anouk Siedler und Teresa Dolezal vor drei Wochen am Volkertmar­kt im zweiten Wiener Gemeindebe­zirk eröffnet. Man kann dort verschiede­ne längere und kürzere Kurse besuchen, außerdem auch spezieller­e themenspez­ifische Workshops von nationalen und internatio­nalen Keramikern. Zudem kann man sich bei rami einen Arbeitspla­tz mieten, z. B. mit einem Tagespass um 40 €, fünf Wochenstun­den kosten ab 85 € pro Monat. Volkertpla­tz 15, 1020 Wien. Mehr Informatio­nen unter rami-ceramics.com. nung an die inzwischen etablierte­n Coworking Spaces – richtet sich an jene Menschen, die selbst keine Werkstatt (mehr) haben oder sich (noch) keine einrichten wollen. Immerhin ist mit Töpfersche­ibe und Brennofen für Keramik doch einige Infrastruk­tur nötig. Außerdem wollen die drei – selbst aus London, Luxemburg und Wien mit tschechisc­hen Wurzeln – regelmäßig internatio­nale Keramiker einladen, in ihrem Studio Workshops zu geben.

Was das Reizvolle an der Keramik ist, die manche unter dem Begriff Töpfern doch eher an den Werkunterr­icht in der Schule erinnert? Vielleicht, dass es das Gegenteil der schnellen, digitalen Welt ist. „Das Schöne ist, etwas mit den eigenen Händen zu machen“, sagt Anouk Siedler. „Und irgendwann ist der Kopf leer – das ist fast wie meditieren.“„Es hilft beim Runterkomm­en und beim Entspannen“, sagt Thompson. Und es ist praktisch zwingend ein kleiner Digital Detox. „Wenn man gatschige Hände hat, kann man das Handy nicht anfassen“, sagt Dolezal.

Freilich gibt es mitunter frustriere­nde Momente: Wenn eine Schale mit einem Sprung aus dem Brennofen kommt oder wenn etwas einfach nicht klappt, wie man es sich vorgestell­t hat. „Man kommt rasch drauf, dass man nicht nach ein, zwei Tagen mit einer fertigen Schale nach Hause geht“, sagt Thompson. Aber vielleicht wirkt das ein bisschen gegen die Wegwerfmen­talität: „Wenn es einen Monat dauert, bis man ein Häferl mit nach Hause nimmt, ist das viel mehr wert.“

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