Die Presse

Die neue Attraktion der Sele¸c˜ao

Gruppe E. Brasilien steht bereits unter Zugzwang, Superstar Neymar aber schwächelt und steht zunehmend in der Kritik. Die Hoffnungen ruhen nun auf Philippe Coutinho. Doch hat der neue Barcelona-Star auch den richtigen Sturmpartn­er?

- VON JOSEF EBNER

St. Petersburg/Wien. Der brasiliani­sche Verband setzt dieser Tage alles daran, der Fußballwel­t zu vermitteln, wie fit sein Superstar Neymar doch sei. Einen Tag, nachdem der 26-Jährige eine Trainingse­inheit humpelnd und vorzeitig beendet hatte, veröffentl­ichten die Brasiliane­r neue Fotos und Videos. Auf den Bildern ist ein dribbelnde­r Neymar zu sehen, der den Ball auch wieder mit seinem lang verletzten rechten Bein spielt. In einem Video übt er Freistöße, in einem andern sagt er: „Ich habe gut trainiert, mich wohlgefühl­t.“

Die Schweizer haben ihn beim Auftaktspi­el (1:1) ordentlich bearbeitet, insgesamt zehnmal wurde er gefoult. Neymar bekam keinen Spielfluss, er rieb sich auf, seine dennoch mitunter egoistisch­e Spielweise gab in der Heimat Anlass für Kritik. Teamchef Tite hatte aber schon vor dem Turnier erklärt, dass sein Topstar nach der dreimonati­gen Verletzung­spause wohl erst zum dritten Gruppenspi­el völlig fit sein werde. Nun stehen die Brasiliane­r aber schon in ihrer zweiten Partie gegen Costa Rica unter Zugzwang.

Die Erwartungs­haltung der Fußballnat­ion Brasilien, nämlich dass eine WM nur dann als erfolgreic­h gilt, wenn sie gewonnen wird, bekommt nun mit Philippe Coutinho plötzlich ein anderer Stürmersta­r zu spüren. Sein WMDebüt gegen die Schweiz war vielverspr­echender als der Auftritt von Neymar. Nicht nur wegen seines Treffers, eines Schlenzers aus 22 Metern ins Kreuzeck, Prädikat Traumtor. Vom 26-Jährigen, der im Winter für 125 Millionen Euro vom FC Barcelona als Neymar-Ersatz verpflicht­et worden war, ging auch weit mehr Gefahr aus.

Schlüssel dazu war sein Barca-¸ Klubkolleg­e Paulinho. Der defensive Mittelfeld­mann hat ihm den Rücken freigehalt­en. „Ich bleibe etwas zurück, damit sich Coutinho nach vorn bewegen und dort seine großen Qualitäten ausspielen kann“, erklärte Paulinho. Und der Spieler aus Rio de Janeiro meinte: „Wenn jeder seinen Job erledigt, wächst die Mannschaft und spielt gut. Ein Spieler kann die Hauptfigur in einer Partie sein, ein anderer dann in der nächsten, aber das Wichtigste ist die Gruppe.“

In dieser Gruppe beschäftig­t noch eine andere Frage: Wer soll an Coutinhos Seite an vorderster Front stürmen? Gabriel Jesus, der 21-jährige Manchester-City-Jungstar, oder Roberto Firmino, der Liverpool heuer ins ChampionsL­eague-Finale geführt hat?

Das Dilemma des Teamchefs

Jesus ist seit jeher der Favorit von Teamchef Tite, seit dieser vor zwei Jahren die Nationalma­nnschaft übernommen hat, er stand auch gegen die Schweiz in der Startelf. Aber wie üblich machte er in Hälfte zwei Platz für Firmino, der sich in den verblieben­en elf Minuten ordentlich ins Zeug gelegt und bei- nahe noch den Siegtreffe­r erzielt hat. Ob dieser Vorstellun­g könnte der 26-jährige Liverpool-Angreifer die bessere Option sein, das glauben auch zahlreiche Journalist­en im brasiliani­schen WM-Quartier in Sotschi. 27-mal traf Firmino in der abgelaufen­en Saison für Liverpool, er ist darüber hinaus auch der bessere Spielgesta­lter als Mittelstür­mer Jesus (17 Saisontore für Manchester City). Auch wenn Costa Rica etwas anderes angekündig­t hat, erwartet die Brasiliane­r heute wohl ein mittelamer­ikanisches Abwehrboll­werk. Der pfeilschne­lle Dribbler Jesus würde dann auch die nötigen Räume nicht finden, die er für sein Spiel benötigt.

Coutinhos Präferenze­n in dieser Angelegenh­eit sind nicht bekannt. Mit Firmino hat er aber mehr als zwei Jahre lang bei Liverpool zusammenge­spielt. Zur anstehen Partie gegen Costa Rica, die Brasilien unbedingt gewinnen muss, sagte der neue Hoffnungst­räger der Selec¸ao˜ nur: „Wir bleiben bei unserem Spiel, wollen mit Freude und Mut spielen.“

Und da ist ja auch noch Neymar. Selbst wenn dieser nur 80, 90 Prozent seines Könnens abrufen kann, ist er jederzeit für einen Geniestrei­ch gut. „Neymar ist einer der besten Spieler der Welt, es ist ein großer Vorteil, ihn im Team zu haben“, sagt Coutinho.

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[ Reuters ] Philippe Coutinho, in Bestform ein Garant für Tore und „Samba-Fußball“.

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