Die Krise ist vorbei, die Konkurrenz rund ums Mittelmeer zurück. Österreichs Hoteliers sind nervös, suchen neue Kunden – und erinnern die Regierung an ihr Versprechen.
Tourismus.
Die Latte liegt hoch. In der Tourismusbranche will keiner die Prognose wagen, dass diese Sommersaison traditionell alle österreichischen Rekorde bricht. Das Wetter und die immer kurzfristigeren Buchungen machten das unmöglich, heißt es bei der Österreich Werbung (ÖW). Aber kein Grund zur Beunruhigung. Die Reiselust wachse weltweit stärker als die Wirtschaft, und davon profitiere auch Österreich, sagt ÖWChefin Petra Stolba.
Was sie nicht sagt: Zum Wetter und der Spontaneität der Urlauber kommt heuer eine dritte Unbekannte dazu. Die großen Mitbewerber sind zurück. Allen voran die Türkei, die 2016 nach Putschversuch, Terror und politischer Eiszeit mit der EU bei den Urlaubern in Ungnade fiel. Die Ankünfte brachen in einem Jahr von 39,4 auf 30,3 Millionen ein. Heuer dürften sie laut Internationaler Tourismusorganisation UNWTO locker an das Niveau vor der Krise herankommen.
Beim Reisekonzern TUI spricht Kathrin Spichala von einem „absoluten Comeback“. TUI musste für die Flüge nach Antalya diesen Sommer 120.000 zusätzliche Sitze reservieren. Auch die Ruefa-Reisebüros weisen ein mehr als hundertprozentiges Buchungsplus aus.
Ähnlich gut läuft es bei Urlaubsländern wie Griechenland, Ägypten und Tunesien: Dort, wo Bilder von der Flüchtlingsroute oder von Nachwehen des Arabischen Frühlings und Terror vor nicht allzu langer Zeit die Strände leer fegten, ist alles beim Alten oder auf dem besten Weg dorthin.
Nun werde sichtbar, dass Österreich „ein Gewinner der geopolitischen Situation“war, sagt Tourismusobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher zur „Presse“. Zwei Drittel der Urlauber sind Österreicher oder Deutsche. Vor allem ihnen verdankten die Hoteliers in nur drei Sommern fast acht Millionen zusätzliche Nächtigungen, während anderswo die Buchungen einbrachen. In der Branche sprach man von einem Comeback der Sommerfrische. Heuer, wo es wieder viele in die Türkei oder nach Griechenland ziehe, sei der große Buchungsdruck nicht da. „Keiner ist besorgt, die Buchungen laufen gut“, sagt Nocker-Schwarzenbacher. „Aber letztes Jahr lief es besser.“
Eurotours-Chefin Helga Freund hält dem entgegen: Die Österreich-Buchungen stiegen bei ihrer Kette nach wie vor. Die Deeskalation in anderen Ländern „scheint nicht auf Kosten von Ankünften in Österreich zu gehen, da sich Angebot und Zielgruppe nicht decken“.
Stolba zitiert Zahlen vom wichtigen deutschen Markt: Dort sei im umsatzstärksten Buchungsmonat Jänner fast ein Fünftel mehr Geld in Sommerreisen geflossen. Die Gretchenfrage lautet nur: Floss es in eine Woche im Viereinhalb-Sterne-Hotel an der türkischen Riviera, für die Erwachsene allinclusive mit Flug laut TUI 536 Euro zahlen? Oder floss es in eine Woche am Wörthersee, wo ein vergleichbares Angebot ohne Flug und Mahlzeiten laut Internetrecherche schnell das Doppelte ausmacht?
Dass Österreichs Seen bei den Preisen und der Wettersicherheit nicht mit der türkischen Riviera mithalten können, hat die ÖW erkannt. Sie legt ihre aktuelle Kampagne ganz auf den Urlaub am Berg aus. Gemeinsam mit den Seilbahnen will man zeigen, dass dieser genauso komfortabel und sicher wie jener am Strand ist. Wandern und Mountainbiken liegen im Trend, das hilft. Von gut 250 nehmen 200 Seilbahnunternehmen teil. Die meisten müssen die Sommeröffnung aber mit dem Wintergeschäft querfinanzieren. Diese sommerliche „Inszenierung der Berge“wird in neuen Märkten wie Zentral- und Osteuropa und Asien stark beworben. Das soll die Abhängigkeit von den nahen, großen Urlaubergruppen etwas abfedern.
Angesichts der erstarkten Strandkonkurrenz wird unter Hoteliers der Ruf nach politischer Schützenhilfe lauter. Die Koalition bedachte die Branche im Antrittsprogramm mit vielen Zusagen – diese erinnert sie bei jeder Gelegenheit an ihre Bringschuld. Es geht vor allem um den Fachkräftemangel. Das Wifo prognostiziert, dass Hoteliers und Gastronomen bis 2023 36.000 Arbeitskräfte mehr benötigen. „Wir können jetzt schon nicht alle Stellen besetzen“, mahnte NockerSchwarzenbacher die zuständige Ministerin, Elisabeth Köstinger (ÖVP).
Ende Mai kamen in Tirol laut einer AMSAuswertung für „Die Presse“144 arbeitslose Köche auf 438 freie Stellen. In Salzburg waren es 162 suchende Köche und 353 unterbesetzte Küchen. Hoteliers und Gastronomen fordern drei Dinge, damit sich das ändert: Längere Saisonen, flexiblere Arbeitszeiten – und eine Regionalisierung der Mangelberufsliste, damit Bundesländer wie Salzburg auf Nicht-EU-Bürger zurückgreifen können. Vor allem vom letzten Punkt waren viele Gewerkschafter – und einige in den Reihen des Koalitionspartners FPÖ – nicht begeistert.
Die Tourismusvertreter warten „täglich“auf die versprochene Lösung. Fragt man in Köstingers Tourismusministerium, kann dort aber niemand einen Fortschritt nennen. Das FPÖ-Sozialministerium sei zuständig. Dort möchte man sich auch lieber nicht festlegen. Die Umsetzung sei „bis Herbst“geplant, „bei entsprechend positivem Verlauf“.