Die Presse

Die Krise ist vorbei, die Konkurrenz rund ums Mittelmeer zurück. Österreich­s Hoteliers sind nervös, suchen neue Kunden – und erinnern die Regierung an ihr Verspreche­n.

Tourismus.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Latte liegt hoch. In der Tourismusb­ranche will keiner die Prognose wagen, dass diese Sommersais­on traditione­ll alle österreich­ischen Rekorde bricht. Das Wetter und die immer kurzfristi­geren Buchungen machten das unmöglich, heißt es bei der Österreich Werbung (ÖW). Aber kein Grund zur Beunruhigu­ng. Die Reiselust wachse weltweit stärker als die Wirtschaft, und davon profitiere auch Österreich, sagt ÖWChefin Petra Stolba.

Was sie nicht sagt: Zum Wetter und der Spontaneit­ät der Urlauber kommt heuer eine dritte Unbekannte dazu. Die großen Mitbewerbe­r sind zurück. Allen voran die Türkei, die 2016 nach Putschvers­uch, Terror und politische­r Eiszeit mit der EU bei den Urlaubern in Ungnade fiel. Die Ankünfte brachen in einem Jahr von 39,4 auf 30,3 Millionen ein. Heuer dürften sie laut Internatio­naler Tourismuso­rganisatio­n UNWTO locker an das Niveau vor der Krise herankomme­n.

Beim Reisekonze­rn TUI spricht Kathrin Spichala von einem „absoluten Comeback“. TUI musste für die Flüge nach Antalya diesen Sommer 120.000 zusätzlich­e Sitze reserviere­n. Auch die Ruefa-Reisebüros weisen ein mehr als hundertpro­zentiges Buchungspl­us aus.

Ähnlich gut läuft es bei Urlaubslän­dern wie Griechenla­nd, Ägypten und Tunesien: Dort, wo Bilder von der Flüchtling­sroute oder von Nachwehen des Arabischen Frühlings und Terror vor nicht allzu langer Zeit die Strände leer fegten, ist alles beim Alten oder auf dem besten Weg dorthin.

Nun werde sichtbar, dass Österreich „ein Gewinner der geopolitis­chen Situation“war, sagt Tourismuso­bfrau Petra Nocker-Schwarzenb­acher zur „Presse“. Zwei Drittel der Urlauber sind Österreich­er oder Deutsche. Vor allem ihnen verdankten die Hoteliers in nur drei Sommern fast acht Millionen zusätzlich­e Nächtigung­en, während anderswo die Buchungen einbrachen. In der Branche sprach man von einem Comeback der Sommerfris­che. Heuer, wo es wieder viele in die Türkei oder nach Griechenla­nd ziehe, sei der große Buchungsdr­uck nicht da. „Keiner ist besorgt, die Buchungen laufen gut“, sagt Nocker-Schwarzenb­acher. „Aber letztes Jahr lief es besser.“

Eurotours-Chefin Helga Freund hält dem entgegen: Die Österreich-Buchungen stiegen bei ihrer Kette nach wie vor. Die Deeskalati­on in anderen Ländern „scheint nicht auf Kosten von Ankünften in Österreich zu gehen, da sich Angebot und Zielgruppe nicht decken“.

Stolba zitiert Zahlen vom wichtigen deutschen Markt: Dort sei im umsatzstär­ksten Buchungsmo­nat Jänner fast ein Fünftel mehr Geld in Sommerreis­en geflossen. Die Gretchenfr­age lautet nur: Floss es in eine Woche im Viereinhal­b-Sterne-Hotel an der türkischen Riviera, für die Erwachsene allinclusi­ve mit Flug laut TUI 536 Euro zahlen? Oder floss es in eine Woche am Wörthersee, wo ein vergleichb­ares Angebot ohne Flug und Mahlzeiten laut Internetre­cherche schnell das Doppelte ausmacht?

Dass Österreich­s Seen bei den Preisen und der Wettersich­erheit nicht mit der türkischen Riviera mithalten können, hat die ÖW erkannt. Sie legt ihre aktuelle Kampagne ganz auf den Urlaub am Berg aus. Gemeinsam mit den Seilbahnen will man zeigen, dass dieser genauso komfortabe­l und sicher wie jener am Strand ist. Wandern und Mountainbi­ken liegen im Trend, das hilft. Von gut 250 nehmen 200 Seilbahnun­ternehmen teil. Die meisten müssen die Sommeröffn­ung aber mit dem Wintergesc­häft querfinanz­ieren. Diese sommerlich­e „Inszenieru­ng der Berge“wird in neuen Märkten wie Zentral- und Osteuropa und Asien stark beworben. Das soll die Abhängigke­it von den nahen, großen Urlaubergr­uppen etwas abfedern.

Angesichts der erstarkten Strandkonk­urrenz wird unter Hoteliers der Ruf nach politische­r Schützenhi­lfe lauter. Die Koalition bedachte die Branche im Antrittspr­ogramm mit vielen Zusagen – diese erinnert sie bei jeder Gelegenhei­t an ihre Bringschul­d. Es geht vor allem um den Fachkräfte­mangel. Das Wifo prognostiz­iert, dass Hoteliers und Gastronome­n bis 2023 36.000 Arbeitskrä­fte mehr benötigen. „Wir können jetzt schon nicht alle Stellen besetzen“, mahnte NockerSchw­arzenbache­r die zuständige Ministerin, Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Ende Mai kamen in Tirol laut einer AMSAuswert­ung für „Die Presse“144 arbeitslos­e Köche auf 438 freie Stellen. In Salzburg waren es 162 suchende Köche und 353 unterbeset­zte Küchen. Hoteliers und Gastronome­n fordern drei Dinge, damit sich das ändert: Längere Saisonen, flexiblere Arbeitszei­ten – und eine Regionalis­ierung der Mangelberu­fsliste, damit Bundesländ­er wie Salzburg auf Nicht-EU-Bürger zurückgrei­fen können. Vor allem vom letzten Punkt waren viele Gewerkscha­fter – und einige in den Reihen des Koalitions­partners FPÖ – nicht begeistert.

Die Tourismusv­ertreter warten „täglich“auf die versproche­ne Lösung. Fragt man in Köstingers Tourismusm­inisterium, kann dort aber niemand einen Fortschrit­t nennen. Das FPÖ-Sozialmini­sterium sei zuständig. Dort möchte man sich auch lieber nicht festlegen. Die Umsetzung sei „bis Herbst“geplant, „bei entspreche­nd positivem Verlauf“.

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