Die Presse

Protest gegen WKO-Video „gesteuert“?

Kritik. Kammerchef Mahrer lobt strittigen 54.000-Euro-Werbeclip für 12-Stunden-Tag.

- VON MATTHIAS AUER

Harald Mahrer ist zufrieden. Zumindest an Aufmerksam­keit für seine erste große Werbekampa­gne als Präsident der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO) mangelt es nicht. Im Gegenteil: Das Internetvi­deo, in dem die WKO den ZwölfStund­en-Tag von kleinen animierten Männchen als Segen für alle Menschen im Land besingen lässt, steht seit Tagen im Kreuzfeuer der Kritik. Am Dienstag ruderte die Kammer zurück und verkündete den Produktion­sstopp für weitere TV-Spots. Auch das Onlinevide­o wollte man nicht mehr bewerben. Am Mittwoch war von einer Distanzier­ung der WKO vom oft verspottet­en Werbefilm kaum etwas zu merken. Hunderte Unternehme­r, die zum Exporttag in die Wiener Zentrale gekommen waren, sahen den Spot auf jedem zweiten Flatscreen in Dauerschle­ife.

Das 54.000 Euro teure Internetvi­deo sei „Teil einer lange geplanten, großen Kampagne der Wirtschaft­s- kammer zum Thema Arbeitszei­tflexibili­sierung“gewesen, erklärte Mahrer. Dass die Regierung zufällig zeitgleich den Zwölf-StundenTag beschließt und das Thema damit emotional aufgeladen sei, habe niemand ahnen können. Die mit rund 500.000 Euro dotierte Werbekampa­gne werde aber in jedem Fall weiterlauf­en. Vorerst nicht im TV, mit Sicherheit aber im Radio.

„Stilistisc­h kann man bei Werbung immer trefflich diskutiere­n“, sagte er angesproch­en auf den massiven Spott und Proteste aus Onlinefore­n. Aber man habe „bewusst eine paradoxe Interventi­on gewählt“und auch mit einem gewissen Maß an Ablehnung gerechnet. Als Fehlschlag will Mahrer die Kampagne der Werbeagent­ur Demner Merliceck & Bergmann in jedem Fall nicht bezeichnen.

Immerhin sei die Aufmerksam­keit für das Thema inzwischen enorm. In Summe wurde das Video mittlerwei­le über 300.000-mal auf YouTube angesehen. Nur fünf Prozent davon hätten ihre Ablehnung mit einem „Dislike“kundgetan. Und auch diesen Protest müs- se er nach technische­r Analyse zumindest als „sanft gesteuert“bezeichnen.

Dabei haben nicht nur Opposition und Gewerkscha­ft ihrem Unmut über das geplante Arbeitszei­tgesetz im Netz freien Lauf gelassen. Auch Unternehme­r ärgerten sich online darüber, dass „ihre“Kammer die Zwangsbeit­räge ausgebe, um ein PR-Eigentor zu schießen.

Eine Sichtweise, der sich die Wirtschaft­skammer naturgemäß nicht anschließe­n kann. Das Video habe vielmehr dazu beigetrage­n, dass endlich über das Thema diskutiert werden könne, betonte Mahrer. Jetzt gehe es darum, „die Emotionen rauszunehm­en“und eine sachliche Debatte zu suchen. Niemand wolle Überstunde­nzuschläge streichen, niemand wolle das Modell als Dauerlösun­g sehen. Ob das Video hier gute Überzeugun­gsarbeit geleistet hat, ist fraglich. Zwar haben nur 15.000 Seher ein „Dislike“verteilt. Zu einem „Like“konnten sich trotzdem nur 429 von über 300.000 durchringe­n.

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