Das eigene Wildpferd in Reichweite
Fahrbericht. Zehn Gänge sollten für ein Getriebe reichen, aber reichen vier Zylinder für einen Mustang? Zumal der kleine Motor beim aktuellen Update des Sportcoupes´ Haare lassen musste.
Wer den Vierzylinder gleich in Bausch und Bogen verdammt, weil ein Mustang nur mit blubberndem V8 denkbar sei, der wird der Geschichte des Autos nicht ganz gerecht. Denn der Begründer der Gattung Pony Cars kam 1964 als Sportcoupe´ des kleinen Mannes heraus, und wenn man ihn auch als Achtzylinder-Muskelauto bestellen konnte, so waren es doch die Einstiegsvarianten mit karger Ausstattung und mäßig temperamentvollem Sechszylinder, die das Modell zu Fords großem Überraschungserfolg machten. Eine Zeit lang war der Mustang das meistverkaufte Auto in den USA.
Es soll die Brot-und-Butter-Variante also niemand verächtlich machen, wenn sie den Traum vom eigenen Wildpferd in greifbare Nähe rückt. Der Fünfliter-V8 (ab 60.450 Euro) wurde mittlerweile von 422 auf 450 PS aufgestockt, das macht die Sache auch nicht günstiger.
Wie fährt sich der gezähmte Mustang? Wir ritten mit Automatik aus, und das heißt seit dem aktuellen Update der Baureihe: Zehnganggetriebe. Die Gemeinschaftsproduktion von GM und Ford kommt in einigen Modellen zum Einsatz, auf Wunsch auch im V8-Mustang.
Eine interessante Entwicklung, denn anderswo ist man zum Schluss gekommen, dass man es bei neun Gängen bewenden lassen kann (bei VW verschwand das nahezu fertige Zehngang-DSG in der Schublade – zu viel Aufwand für zu wenig Nutzen, sprich Treibstoffersparnis, hieß es dort).
Im Ford staunt man über die Zahlen, die im nunmehr digitalen Display erscheinen: Schon im Ortsgebiet ist die Siebte eingespannt, bei 55 km/h manchmal auch die Achte. Schaltstufen werden dabei auch übersprungen, sodass es nach dem Anfahren in der Zweiten sofort in die Vierte geht und so weiter. Die ganze Sache macht einen soliden Eindruck, im Gegensatz zu früheren US-Fabrikaten gibt das Getriebe keine Geräusche von sich, es agiert schnell und geschmeidig.
Der Motor liefert erwartungsgemäß kein akustisches Straßenspektakel beim Anlassen, so ein Turbovierzylinder, sofern dem Reglement entsprechend, bringt halt keinen großen Sound. Kräftig ist er sicherlich, wobei uns etwas der Punch abging. War da nicht einmal mehr im letzten Drehzahldrittel, so ein markantes, zorniges Aufbäumen?
Da täuschte uns der Eindruck nicht: Ford hat den 2,3-Liter-Ecoboost um 27 PS gekappt, und klar, das spürt man. Der Hersteller verweist darauf, dass im Gegenzug das Drehmoment anstieg und die Fahrwerte leicht besser ausfielen als beim Vorgänger. Mag sein, aber der Alte ging gefühlt besser. Der Neue braucht dafür weniger Sprit.
Dafür hat der Reiter am Lenkrad nun Zugriff auf allerlei Spielereien – allen voran die Line-LockEinrichtung, bei der die Vorderräder gebremst werden, um den hinteren leichter in den Burn-out zu
L/B/H 4794/1916/1381 mm, Radstand 2720 mm, Leergewicht 1747 kg, Wendekreis 12,2 Meter, Kofferraumvolumen 408 Liter
2,3-Liter-Otto-Turbo-Vierzylinder, Leistung max. 213 kW (390 PS), Drehmoment max. 440 Nm bei 3000/min, Vmax 234 km/h, Zehngangautomatik, Hinterradantrieb, Testverbrauch 9,5 l/100 km, CO2: 205–211 g/km laut Norm ab 52.750 Euro helfen. Mit der Prozedur, bei der Pneugummi von fest in gasförmig verwandelt wird, macht man sich auf öffentlichen Straßen kaum Freunde (Reifenhändler ausgenommen). Auf einschlägigen Veranstaltungen mag hingegen auch die über das Bordmenü aufgerufene DragStrip-App hilfreich sein, die dem klassischen Ampelschema („Weihnachtsbaum“) auf der Viertelmeile nachempfunden ist. Ohne V8-Krawall freilich alles eine halbe Sache.
Trotzdem, wer die Automatik weglässt, kommt mit dem Vierzylinder zu einer vertretbar teuren Art, Mustang zu fahren, wobei auszublenden ist, dass das Auto in den USA ziemlich genau die Hälfte kostet, und das noch ohne Revanche-Strafzölle auf US-Produkte. Ford bemüht sich, den Listenpreis mit einer ordentlichen Grundausstattung zu versüßen. Das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis hat der V8, so viel Hubraum gibt es sonst nirgendwo für das Geld.
Unabhängig von der Ausstattung des Motorraums hat sich die Baureihe hübsch gemausert. Eine Augenweide war sie schon, als sie in sechster Generation 2015 nach Europa kam und seither nicht mehr als Grauimport ins Land getrieben werden muss. Abermals, wie schon bei der Einführung in den Sixties, dürfte Ford vom Erfolg überrascht worden sein.
Umso spürbarer die Bemühungen, auch den Innenraum auf den Stand europäischer Ansprüche zu bringen. Da gibt es nicht viel auszusetzen, Platz ist ausreichend vorhanden, auch im Kofferraum, und die aufrechte Sitzposition mit dem großen, hohen Lenkrad vermittelt einen Touch des Verwegenen. Ob mit vier oder mehr Zylindern vorn drin.