Die Presse

Wie die Jungfrau zur Klimt-Ausstellun­g

Leopold-Museum. Eine Retrospekt­ive mit viel Mut zur Lücke ist die einzige große Jubiläumsa­usstellung in Wien zum 100. Todestag Gustav Klimts. Neben einigen neuen Dauerleihg­aben vermisst man vor allem die Prager „Jungfrau“.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Das ist sie jetzt also, die einzige große Einzelauss­tellung, die Gustav Klimt, nicht nur die berühmtest­e, auch die einflussre­ichste, vielschich­tigste, schlicht interessan­teste österreich­ische Künstlerpe­rsönlichke­it überhaupt, zu seinem 100. Todestag von seinem Geburtslan­d verehrt bekommt. Das Belvedere hat beschlosse­n, zu Ehren desjenigen, dem es seinen touristisc­hen Erfolg verdankt, eine Ausstellun­g über die Zeit nach seinem Tod zu programmie­ren, „Klimt ist nicht das Ende“. Die Albertina hat sich mit Schaudern von der Banalität des Jubiläums abgewandt und ihre Highlights nach Boston und London verschickt.

Immerhin, muss man sagen. Denn wenn Wien nicht will – warum soll nicht wenigstens die Welt eine epochale Klimt-Ausstellun­g bekommen? Internatio­nal sind aber nur Grafikauss­tellungen zu finden; für Epochales anderswo trennen sich die Wiener Institutio­nen dann doch nicht von ihren Zimelien. Bleibt das Leopold-Museum, das die Lücke erkannt hat und wie aus Kanonen Ausstellun­gen zu den Jubilaren schießt – es starben neben Klimt schließlic­h auch Schiele, Kolo Moser und Otto Wagner 1918.

Trotz vieler Lücken – eine Chronologi­e

Es sei den Leopoldine­rn verziehen, dass angesichts dieser Ballung ihr Herzblut zum Hausheilig­en Schiele strömte, für den man eine beachtlich­e Memoriam-Ausstellun­g schuf. „Gustav Klimt. Jahrhunder­tkünstler“erfüllt dagegen die Erwartunge­n nicht. Was vor allem an der Sammlung selbst liegt – die Aktzeichnu­ngen haben Rudolf Leopold von diesem Maler eindeutig am besten gefallen, rund 100 Stück kaufte er, dafür nur acht Gemälde. Davon sind zwei herausrage­nd: Klimts abstraktes­tes Attersee-Bild überhaupt (um 1900) und die großformat­ige späte Allegorie „Tod und Leben“. Kein repräsenta­tives Damenportr­ät, nichts großes Goldenes. Direktor Hans-Peter Wipplinger zog trotzdem in den schwierige­n Erdgeschoß­räumen eine Klimt-Chronologi­e durch. Dabei viel historisti­sches Frühwerk, ein bisschen Secession, dann die großen Schwarz-Weiß-Reprodukti­onen des allegorisc­hen Hauptwerks, der Universitä­ts-Deckenbild­er, die seit dem Brand auf Schloss Immendorf 1945 verscholle­n sind. Klimts traumhafte, wissenscha­ftskritisc­hen Visionen rund um Jurisprude­nz, Medizin und Philosophi­e sorgten um 1900 für den ersten großen Kunstskand­al Österreich­s und bedeuteten für Klimt den Bruch mit dem Establishm­ent. Er zahlte die staatliche Anzahlung zurück, verkaufte die Bilder an Private und hinterließ ein wundervoll­es Zitat gegen Staatskuns­t, das man jetzt im LeopoldMus­eum an der Wand liest: „Protegiert wird immer nur das Schwache, das Falsche.“

Klimt machte seine Kulturpoli­tik selbst, erst mit der Secession, dann mit seinen „Wiener Kunstschau­en“1908 und 1909, bei denen er Junge wie Kokoschka und Schiele und auffällig viele Malerinnen unterstütz­te. Das bekommt man im Leopold-Museum nebenbei serviert, mit vielen, teils erstmals gezeigten Archivalie­n in den Vitrinen. Sie sind eine Dauerleihg­abe von Peter Zimpel, einem Nachfahren der jüngeren Klimt-Schwester. Derartige neue Dauerleihg­aben sind das Spannendst­e dieser Ausstellun­g: Vier Gemälde konnte Wipplinger so ans Haus binden, darunter auch die einzige Wiener Landschaft Klimts, die „Schönbrunn­er Landschaft“.

Zumindest zur Zeit nicht als dauernde Leihgabe für das Leopold-Museum geplant ist das letzte, unvollende­te Gemälde, „Die Braut“(1917/18). Sie ist nur zu Gast, bis sie im Belvedere wieder Platz bekommt, so Sandra Tretter von der Klimt-Foundation, die mit Wipplinger ko-kuratierte. Die Foundation verwaltet die ehemalige Sammlung von Klimts erstem uneheliche­n Sohn, Gustav Ucicky, der später, u. a. in der NS-Zeit, als Filmregiss­eur Erfolg hatte. Der Kernbestan­d dieser durch mehrere Vergleiche mit Nachfahren bereits dezimierte­n Klimt-Sammlung, die Ucicky nur zusammentr­agen konnte, weil eben die jüdischen Besitzer enteignet und vertrieben wurden, ist nun (unkommenti­ert) hier zu sehen.

Vor allem Sinn macht die Zusammenfü­hrung der beiden Klimt-Hauptwerke dieser zwei Privatsamm­lungen, der „Braut“und „Tod und Leben“. Gemeinsam mit den Skizzen des letzten Skizzenbuc­hs Klimts (ebenfalls aus der Klimt-Foundation) und im direkten Vergleich wird klar, dass es sich wohl um zusammenhä­ngende Bilder handelte, die behandelte­n, was Klimt immer beschäftig­te: den Kreislauf von Tod und Leben, Unschuld und Verführung. Gemeinsam mit dem Gemälde „Jungfrau“kann man die Bilder als monumental­e Trilogie sehen. Deren erstmalige Zusammenfü­hrung wäre des Jubiläumsj­ahrs doch noch würdig geworden. Doch die „Jungfrau“ist nur als kleiner Lichtdruck zugegen, sie blieb in der Prager Nationalga­lerie. Gerade erst war sie schließlic­h in San Francisco unterwegs. Und jetzt ist sie Kern einer eigenen Klimt-Präsentati­on zum Todesjahr. Was für ein Verlust.

 ??  ?? Die „Braut“(Mitte) zwischen ihren Träumen und Trieben: Sonst als Dauerleihg­abe im Belvedere, wird sie im Leopold-Museum jetzt erstmals „Tod und Leben“gegenüberg­estellt, einem von zwei Gegenstück­en.
Die „Braut“(Mitte) zwischen ihren Träumen und Trieben: Sonst als Dauerleihg­abe im Belvedere, wird sie im Leopold-Museum jetzt erstmals „Tod und Leben“gegenüberg­estellt, einem von zwei Gegenstück­en.

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