Die Presse

Der Tennisdipl­omat

- Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

Wer

wollte es leugnen: Es läuft nicht rund für die deutschen Ballartist­en und Sporthelde­n. Jogis Jungs haben sich in ihrem WM-Bunker in Watutinki eingegrabe­n, der Sportschul­e von Spartak Moskau mit der herben Aura des Karl-Marx-Hofs, ehe sie sich nun in Sotschi die Brise des Schwarzen Meers um die Nase wehen lassen – und darauf hoffen, dass vor dem Showdown mit Schwedens Wikingern die Kritik von Altstars a` la Lothar Matthäus verfliegt.

Apropos Altstars: Boris Becker, der Lothar Matthäus des Tennis mit wechselvol­ler Spätkarrie­re und schillernd­em Privatlebe­n, hat die Profession gewechselt. Der vollmundig­e Jung-Siegfried und Jäger der gelben Filzkugel hat sich in einen Diplomaten verwandelt.

Dass er just Zentralafr­ika, ein Land mit eher zweifelhaf­tem Leumund, als Attache´ für Sport, Kultur und humanitäre Angelegenh­eiten in Brüssel repräsenti­ert, hat hochstaple­rischen Charme. Für seine Tennistrad­ition ist das Land jedenfalls nicht bekannt. Künstlerpe­ch auch, dass der Diplomaten­pass gefälscht ist, der ihm Immunität im Insolvenzv­erfahren garantiere­n sollte. Darüber ist ein Boris Becker indes erhaben, der als Denkmal seiner selbst und Wiedergäng­er Felix Krulls über den Sphären schwebt, seine Trophäen verhökert – und seine Haut zu Markte trägt: als Bluffer, Zocker und semiprofes­sioneller Pokerspiel­er im Spielcasin­o des Lebens. (vier)

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