Die Presse

Das Justizsyst­em, neue Agenturen und die Finanzen

Gastkommen­tar. Für Rechtsuche­nde hat sich die Lage eher verschlech­tert statt verbessert.

- VON MARGRETH TEWS Margreth Tews ist Lebens- und Sozialbera­terin, Coach und Mediatorin, mit Spezialisi­erung Familienre­cht.

Seit Langem klagt die Justiz über akuten Geldmangel für den laufenden Betrieb. Pekuniär mangelt es an allen Ecken und Enden. Den Rechtsuche­nden wird damit zum Beispiel erklärt, warum eine Richterste­lle nach einem Dreivierte­ljahr immer noch nicht besetzt ist und man in der zuständige­n Abteilung nicht weiß, wann diese besetzt werden soll.

Auf Verhandlun­gsprotokol­le muss man oft bis zu einem halben Jahr warten, weil es an Personal in den Schreibabt­eilungen mangelt. Die Richter klagen über Mehrbelast­ung. Sie sind laut eigenen Angaben zunehmend frustriert von diesem System.

Wie den Medien zuletzt zu entnehmen war, hat sich die finanziell­e Situation der Justiz derartig zugespitzt, dass es, aufgrund neuester Ankündigun­gen, man werde Richter und Staatsanwä­lte nicht mehr nachbestel­len und einen Aufnahmest­opp für Rechtsprak­tikanten erlassen, bereits massive Proteste, ja sogar Demonstrat­ionen der betroffene­n Richter und Staatsanwä­lte gegeben hat.

Dazu kommentier­te der leitende Linzer Oberstaats­anwalt in einer oberösterr­eichischen Tageszeitu­ng sinngemäß, dass das Geld in der Justiz schon lange knapp, es aber so schlimm wie jetzt noch nie gewesen sei.

Wo kamen die Mittel her?

Trotz der seit Jahren bestehende­n finanziell­en Problemati­k wurde 2009 eine eigene Justizbetr­euungsagen­tur (JBA) errichtet. Diese ist eine Anstalt öffentlich­en Rechts und stellt der Justiz Personal in fünf unterschie­dlichen Bereichen bereit: Strafvollz­ug (Betreuungs­personal), Familien- und Jugendgeri­chtshilfe, Kinderbeis­tand, Amtsdolmet­scher und Experten.

Dadurch wurden, mit immensem finanziell­em Aufwand, speziell im Familienre­cht, Posten für psychosozi­ale Berufe, als Teil der Justiz, somit nicht mehr neutral und unabhängig, geschaffen. Wo kamen die dafür investiert­en Sum- men her, da doch die Justiz unter akutem Geldmangel litt und leidet?

Während man Einsparung­smaßnahmen über die Medien kolportier­t, es seitens der Richter, Staatsanwä­lte etc. öffentlich­e Proteste dagegen gibt, laufen die Kosten für die Familienge­richtshilf­e (FamGH) monatlich weiter.

Therapie statt Strafe

Der laufende Betrieb der FamGH kostet monatlich rund 2,5 Millionen Euro und verlängert de facto die Verfahren! Doch wurden nicht nur im Familienre­cht Posten für psychosozi­ale Berufe geschaffen, sondern auch im Strafrecht, im Bereich Drogenkrim­inalität.

So wurde etwa 2006 eine Rahmenvere­inbarung mit einem Verein getroffen, der in Kooperatio­n mit dem Justizmini­sterium therapeuti­sche Maßnahmen nach dem Grundsatz „Therapie statt Strafe“anbietet, die drogenabhä­ngigen Straftäter­n statt einer Haftstrafe eine probate Behandlung ihrer Sucht ermögliche­n sollen.

Der psychosozi­ale Ansatz dazu erscheint plausibel, allerdings: Hatten sich die Ausgaben der Justiz 2006 noch auf 4,85 Millionen Euro belaufen, so hat sie 2016 für die therapeuti­sche und medizinisc­he Behandlung von Suchtmitte­labhängige­n insgesamt 8,41 Mio. Euro aufgewende­t.

Allein, auch hier liegt das Problem wieder bei den handelnden Personen. Der einstige Geschäftsf­ührer, Psychother­apeut und gerichtlic­h beeideter Sachverstä­ndiger eines dieser Vereine, wurde unlängst strafrecht­lich verurteilt: Verkauf von falschen Drogentest­s!

Generell lässt sich sagen, dass die Situation für den Rechtsuche­nden durch die Integratio­n der psychosozi­alen Berufe als Teil der Justiz keinesfall­s verbessert wurde, sondern sich aufgrund längerer Verfahrens­dauern weiter verschlech­tert hat.

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