Huch, „Nationalmannschaft“! Ist das nicht schon NS-Wiederbetätigung?
Dass „Nation“und „Nationales“wieder an Ansehen gewinnen, liegt nicht an der Dummheit der kleingeistigen Wähler, sondern am Versagen des Postnationalen.
Nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt mit sturer Beharrlichkeit im aktuellen Drama um die Kontrolle der deutschen Grenzen vor illegaler Zuwanderung vor „nationalen Lösungen“. Glaubt man dem, was in diesen Tagen Spitzenpolitiker und das mediale Kommentariat im Stakkato von sich geben, dann ist nämlich der Nationalstaat die größte Bedrohung der Menschheit seit der Erfindung der Atombombe.
Von der deutschen Kanzlerin bis zum französischen Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, von Alexander Van der Bellen bis zum EU-Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker, wird vor den „Gefahren des Nationalismus“, dem „Aufwallen nationalistischer Strömungen“oder dem „Neuen Nationalismus“mit einer Inbrunst sondergleichen gewarnt.
Selbst Kardinal Schönborn hat, schon vor einiger Zeit, den Nationalismus die „Ursünde Europas“genannt. Und egal, ob es gerade gegen Trump, Putin oder sonst einen globalen Bösewicht geht – der Vorwurf des Nationalismus gehört zum Standardrepertoire der damit verbundenen Invektive.
„Nation“und davon abgeleitet „national“oder „Nationalismus“sind derzeit übel beleumundet. Dass bei der FußballWM noch „Nationalmannschaften“gegeneinander antreten, ist in diesem Kontext eigentlich erstaunlich. Grenzt so ein widerlicher Begriff nicht schon an nationalsozialistische Wiederbetätigung?
Nun stimmt zweifellos, dass Nationalismus viel Unglück angerichtet hat in Europa. Und es stimmt auch, dass nicht wenige Probleme der Gegenwart vom Nationalstaat nicht so gut gelöst werden können wie von größeren politischen Entitäten. Schließlich trifft auch zu, dass die Neigung zu nationalstaatlichen Politiken und die Aversion gegenüber transnationaler Politik nicht nur in Kontinentaleuropa stark zugenommen hat, sondern genauso in den USA oder im Vereinigten Königreich; in gewisser Weise auch in Russland oder der Türkei.
Doch nichts ist kontraproduktiver als die im Milieu der politischen und medialen Eliten weit verbreitete Neigung, dem aus irgendeinem Grund jählings vertrottelten Wähler dafür die Schuld zuzuweisen, der zu blöd ist, mit seinem Spatzenhirn die Segnungen postnationaler Politik zu behirnen. Und dem dafür ordentlich eins mit der Nationalismuskeule übergebraten werden muss, damit er wieder zu Sinnen kommt und aufhört, die neuen Konkurrenten des bisherigen politischen Establishments zu wählen.
Dass die Wähler in fast ganz Europa wieder nationalistische Politiker und Politiken stärken, liegt nämlich in erster, zweiter und dritter Linie am weitgehenden Versagen jener Politiker, Politiken und übernationalen politischen Gebilde, die uns als dem engstirnigen, provinziellen und gestrigen Konzept der Nation in jeder Hinsicht überlegen angedreht worden sind.
Hätte das wirklich funktioniert, kaum jemand weinte dem Nationalstaat heute eine Träne nach. Hat es aber nicht – und das gebiert neuen Nationalismus, nicht die Doofheit der Regierten. Am besten sieht man dieses Phänomen natürlich in der alles beherrschenden Völkerwanderung der Jahre 2015 ff. und ihren Folgen.
Wenn bis heute die (theoretisch) transnational organisierte Kontrolle des Zuzugs von Illegalen durch das Schengen-Abkommen noch immer nicht effizient funktioniert, wer kann es dann Deutschen, Österreichern oder Dänen verargen, dass sie sich ersatzhalber eben Kontrollen durch die Nationen an deren Grenzen wünschen? Das ist nicht „dumpfer Nationalismus“, sondern pragmatische Vernunft und ein legitimes Bedürfnis der Bevölkerung.
Politik, die den vermeintlich oder auch tatsächlich grassierenden neuen Nationalismus bekämpfen will, hat dazu nur eine einzige gute Option: das, was sie sich an die Stelle der nationalen Politik wünscht, so zum Funktionieren zu bringen, dass sich niemand mehr nach dem nationalen Weg zurücksehnt. Politische Publikumsbeschimpfungen hingegen werden da eher weniger hilfreich sein.