Über der Börsenparty ziehen Wolken auf
Risken. Italiens Schuldenberge, der Handelsstreit, eine mögliche Inflation und eine Blasenbildung – über den Märkten hängen viele Damoklesschwerter. Die meisten Gefahren dürften nicht schlagend werden. Doch sind es schon ziemlich viele.
„Handelskrieg? Das ist nicht unser Hauptszenario“, betonen Ökonomen, Analysten und andere Experten, wenn es um ihre Einschätzung der Märkte in den kommenden Monaten geht. Handelskonflikt ja, Krieg der Worte ja, aber letztlich würden die Konfliktparteien doch einlenken und eine für alle zufriedenstellende Lösung finden. Ähnlich denken die Experten über die Gefahr einer zu steilen Zinsanhebung in den USA, die Eskalation einer der vielen politischen Krisen sowie die Möglichkeit, dass die italienische Regierung tatsächlich all ihre kostspieligen Versprechungen umsetzt.
Banken sitzen auf Italien-Bonds
Das alles hätte das Zeug, die Märkte ordentlich ins Schlingern zu bringen, es sei aber nicht wahrscheinlich. Dennoch: Allein die schiere Anzahl der Gewitterwolken, die über den Märkten aufziehen, ist groß, und dass sich nicht doch die eine oder andere entlädt, wird immer weniger wahrscheinlich. Da wäre einmal Italien, dessen Schuldenberg bei 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt und das diesen Schuldenberg nach der Krise nicht reduziert hat, wie Andreas Auer, Investmentexperte bei der Bank Gutmann, betont. Sogar im Vorjahr, als die Wirtschaft florierte, habe Italien ein relativ hohes Defizit eingefahren.
Dabei ist das Land auch für die Zukunft nicht gut gerüstet. In der Konjunkturentwicklung hinkt Italien seit zehn Jahren dem Rest der Eurozone hinterher, sein Bruttoinlandsprodukt hat noch nicht einmal den Wert von 2008 wieder erreicht, und seine Produktivität ist kaum gestiegen – ganz im Gegensatz zu den Lohnstückkosten, zeigt Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek auf.
Anders als etwa Österreich und Deutschland habe das hoch verschuldete Land die Nullzinsphase kaum genutzt, um die Laufzeiten der Staatsanleihen zu verlängern. Die Folge: Bis 2019 hat Italien einen besonders hohen Refinanzierungsbedarf. Eine unangenehme Situation in Zeiten, in denen die Renditen italienischer Staatsanleihen steigen.
Doch was kratzt das die Anleger, sieht man von jenen ab, die italienische Staatsanleihen gekauft haben? Das Problem ist, dass europäische Banken – vor allem französische, spanische und deutsche – auf hohen Beständen an italienischen Anleihen sitzen, erklärt Brezinschek. Das bringt nicht nur europäische Bankaktien unter Druck, sondern stellt auch ein Risiko für die Wirtschaft insgesamt dar.
Heiße Luft im Handelsstreit
Beim Handelskonflikt werde derzeit vor allem heiße Luft abgesondert, meint Bank-Gutmann-Vorstand Friedrich Strasser. Weder China noch die USA hätten ein Interesse, einen Handelskrieg eskalieren zu lassen. Die USA brauchen China als Hauptabnehmer für USAnleihen. Auch Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise geht davon aus, dass eine spürbare Eskalation des Handelskonflikts vermieden werden kann und der globale Handel weiter zunimmt – das ist zumindest sein Basisszenario, in dem die Durchschnittszölle weltweit um 0,5 Prozentpunkte steigen. Käme es zu einem Handelskrieg mit Zollanstiegen um durchschnittlich 8,5 Prozentpunkte oder höher, würde das dem Wirtschaftswachstum schwer zusetzen.
Zuletzt habe sich aber gezeigt, dass die Märkte vor allem eines fürchten: Inflation. Während der Brexit, die Wahl von Donald Trump und das Verfassungsreferendum in Italien die Börsen kalt
gelassen hätten, haben Inflationsängste im vergangenen Februar zu einem kleinen Erdbeben an den Aktienmärkten geführt. „Die Märkte fürchten, dass das Ende eines Aufschwungzyklus durch Inflation eingeleitet wird“, sagt Heise. Denn auf zu stark anziehende Inflationsraten reagieren Notenbanken gern mit Zinserhöhungen – und die sind grundsätzlich unangenehm für Anleihenund Aktienmärkte. Noch seien die Inflationsraten in den USA und der Eurozone aber moderat. Die USNotenbank Fed dürfte heuer noch zwei Mal die Zinsen anheben, was der Markt bereits erwarte. Der Ausstieg der EZB aus ihrer ultra-lockeren Geldpolitik vollziehe sich weiter nur in Minischritten. Eine erste Leitzinserhöhung sei erst ab Mitte 2019, eine Reduktion der EZB-Bilanzsumme nicht vor 2020 zu erwarten. Ein weiteres Risiko ist eine Überhitzung der Märkte selbst. Das gebe es zum Teil bei Anleihen, nicht aber bei Aktien, zumindest nicht generell, meint Heise. Nur bei Technologiewerten sei die Euphorie zuletzt sehr stark gewesen. So habe sich der Kurs des Zahlungsdienstleisters Adyen am ersten Börsentag zum Ausgabepreis fast verdoppelt, auch der Preis des Konkurrenten Wirecard sei in die Höhe geschnellt. Die Unternehmen verfügten zwar über ein gutes Geschäft, die starken Kursanstiege zeigten aber, dass viel Spekulation im Spiel sei.
Ähnlicher Ansicht ist Strasser von der Bank Gutmann. Bei Aktien suche man generell Firmen mit niedriger Verschuldung, deren Produkte nachgefragt werden, die global aktiv und innovativ sind. Doch auch wenn diese Kriterien teilweise auch auf Amazon, Netflix & Co. zutreffen, sei man bei diesen Werten untergewichtet. Nicht nur wegen der hohen Bewertung, sondern auch, weil sie in den Indizes ein sehr starkes Gewicht haben und daher von ETFs (Fonds, die einfach Indizes nachbilden, Anm.) stark gekauft werden. Sollten Anleger Geld aus diesen Fonds abziehen, werde das Technologiewerte ebenfalls hart treffen.
Gehypte Technologiewerte