„Populismus macht uns mehr Sorgen“
Interview. Joachim Fels, Chefökonom der Investmentgesellschaft Pimco, rechnet frühestens 2020 mit einer Rezession. Marktfeindliche Strömungen fürchtet er mehr als einen Handelskrieg.
Die Presse: Es heißt, wir sind in der Spätphase eines Zyklus. Wie gefährlich ist das für die Märkte? Joachim Fels: Wir glauben, dass wir noch nicht am Ende dieses Zyklus sind, aber das Ende rückt in Sichtweite. Grund ist, dass die Finanzpolitik in den USA genau zum falschen Zeitpunkt expansiv wird. Jetzt, wo die Wirtschaft gut wächst und die Arbeitslosenquote unter vier Prozent gefallen ist, kriegen wir den Fiskalstimulus. Der macht den Zyklus zyklischer. Das bedeutet dieses und wahrscheinlich auch nächstes Jahr ein starkes Wirtschaftswachstum und damit auch stärkere Inflationsrisken.
Ist die Gefahr in Europa nicht höher? Die USA haben schon mehrmals die Zinsen angehoben. Was soll die EZB machen, wenn ein Abschwung kommt? Das frage ich die EZB auch immer. Der mangelnde Spielraum der Geldpolitik und der Finanzpolitik könnten dafür sorgen, dass die nächste Rezession länger andauert als die letzte, auch wenn sie nicht unbedingt sehr tief wird. Wenn Sie an Buchstaben denken, dann wird sie nicht eine v-förmige Rezession wie die letzte, sondern eher wie ein sehr flaches U aussehen, eher suppentellerförmig.
Unmittelbar ist die Überhitzungsgefahr in den USA größer? Die ist erst einmal größer. Die Fed wird erst nächstes Jahr zum neutralen Zins gehen und eventuell auch darüber hinweg. In der Vergangenheit hat das nie gut geendet. Wenn die Fed auf die Bremse getreten hat, ist immer jemand durch die Windschutzscheibe gegangen. Deswegen sehen wir ein
ist Chefökonom von Pimco, einer auf Anleihen spezialisierten Investmentgesellschaft mit Sitz in Newport Beach im US-Bundesstaat Kalifornien, die der Allianz gehört. Davor war der studierte Volkswirt am Kieler Institut für Weltwirtschaft sowie für die Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley tätig. Risiko, dass die nächste Rezession 2020 beginnen könnte.
Welche Anlageklassen sind dann am stärksten gefährdet? Natürlich haben steigende Zinsen einen direkten Effekt auf Anleihen, deren Kurse dann sinken. Ich glaube, dass die Bereiche, wo die Verschuldung stark gestiegen ist, am stärksten gefährdet sind, etwa der High-Yield-Bereich (hochriskante Unternehmensanleihen mit hohen Zinsen, Anm.) in den USA. Das heißt nicht, dass wir KreditAssets in den USA insgesamt negativ sehen. Bei Hypotheken-Anleihen sind wir übergewichtet. Wir denken, dass die Bilanzen der Haushalte besser aussehen als im Unternehmensbereich.
Hochzinsanleihen korrelieren ja stark mit Aktien. Heißt das, dass die Aussichten für Aktien auch nicht so gut sind? Auf mittlere Sicht nicht. Aber normalerweise ist es so, dass der Kreditzyklus eher reagiert als der Aktienzyklus. Zumindest in den letzten beiden Zyklen war es so. Die Spread-Ausweitung (wachsende Zinsdifferenz von Unternehmensund Staatsanleihen, Anm.), die wir jetzt schon sehen und die noch nicht dramatisch war, ist ein gewisser Warnhinweis für die Aktien. In unseren Multi-Asset-Funds sind wir aber, was Aktien angeht, ziemlich neutral gewichtet. Wir glauben nicht, dass schon der große Crash bevorsteht. Das kommt erst kurz vor einer Rezession, und die sehen wir frühstens im Jahr 2020.
Hat Sie der Markteinbruch im Februar überrascht? Unsere Erwartung war, dass es dann, wenn die Fed die Liquidität wieder absaugt, zu Volatilität an vielen Märkten kommt. Natürlich: Der Zeitpunkt selbst ist immer überraschend.
Das klingt, als würden Sie die Gefahr bei den Notenbanken sehen. Kann es auch politische Auslöser wie Handelskriege geben? Natürlich. Einen Handelskrieg würde ich als Risiko bezeichnen, aber nicht als unsere zentrale Erwartung. Wir sehen den Handelskonflikt zwischen den USA und China oder den USA und Europa eher als Show-Kampf an zur Be- lustigung des Publikums. Das Publikum ist in dem Fall die Wählerschaft von Donald Trump.
Glauben Sie, dass es am Ende doch zu Deals kommt, die alle Seiten zufriedenstellen? Ich glaube schon. Die Chinesen denken langfristig und werden dem Präsidenten etwas geben, was ihm in den Mid-Term-Elections hilft. Sie haben ja schon angeboten, größere Mengen an US-Gütern zu importieren. Was uns mehr Sorgen macht, ist, dass die nächste Welle des Populismus eine marktfeindliche sein wird. Ich nenne da als Beispiel die neue italienische Koalition oder die Labour-Partei in Großbritannien, die sich zurückentwickelt hat zu der radikalen linken Partei, die sie in den Siebzigerjahren einmal war. Das ist aus unserer Sicht das größere politische Risiko als ein Handelskrieg.
Das ist nur für Europa ein Szenario, oder auch für die USA? Auch in den USA könnte ich mir vorstellen, dass ein nächster demokratischer Präsident viel stärker regulieren will. Da geht es nicht nur um den Finanzsektor, sondern auch den Techsektor. Thema Datenschutz. Oder stärkere Umverteilung über höhere Steuern auf Vermögen oder Einkommen.
Hätte mehr Regulierung für den Techsektor auch über den Techsektor hinaus Folgen? Ja, denn erstens war die Kursentwicklung der großen Techunternehmen der Haupttreiber für den Aktienmarkt. Wenn der Sektor stärker reguliert wird und die Gewinne leiden, würde der gesamte Aktienmarkt leiden. Der zweite Punkt ist: Ein großer Teil der Gewinne, die die Apples und Googles dieser Welt erwirtschaften, wird in Anleihen angelegt. Wenn ihre Gewinne schrumpfen, müssen sie einen Teil dieser Anlagen auflösen, und das könnte Aufwärtsdruck für die Zinsen bringen.