Die Presse

„Take the money and run“

Interview. Wenn er nicht gerade dreht oder auf der Bühne steht, beschäftig­t sich der Schauspiel­er Thomas Mraz sehr gern mit ökonomisch­en Fragen. Das Wirtschaft­ssystem gehöre gerade jetzt reformiert, findet er.

- VON JUDITH HECHT

Die Presse: Stimmt es, dass Sie bei der Wiener Börse gearbeitet haben? Thomas Mraz: Ja, bevor ich mit der Schauspiel­ausbildung begann, habe ich dort in der Marketinga­bteilung als Grafiker gearbeitet.

Hat das ganze Börse-Geschehen bei Ihnen Spuren hinterlass­en? Ich fand es spannend und respektein­flößend, um welche Summen es da geht. Aber thematisch bin ich bei den ganzen Abläufen nicht wirklich durchgesti­egen.

Haben Sie selbst Aktien gekauft? Ich bin ein feiger Anleger. Ich habe zu wenig Geld, um damit wirklich etwas machen zu können, aber auch zu viel, um mir gar keine Gedanken über Geldanlage zu machen. Mein Problem ist, dass mir niemand eine Garantie gibt, wenn ich Geld anlege. Das fehlt mir ein bisschen. Denn es können ja immer Sachen passieren, an die kein Mensch vorher denkt.

Zum Beispiel? Bekannte von mir haben ihr Haus mit Fremdwähru­ngskredite­n finanziert. Jeder Bankberate­r hat damals dazu geraten. Aber auf einmal wird der Schweizer Franken vom Euro entkoppelt und meine Bekannten müssen ihren Kredit nun fünf Jahre länger zurückzahl­en.

Wer trägt Ihrer Meinung nach dafür die Verantwort­ung? Ich weiß nicht. Der Konsument muss es jedenfalls ausbaden.

Wie mündig muss denn der Anleger sein? Das ist der Punkt, den ich immer mit meinem Bankberate­r bespreche. Der sagt immer: „Wenn Sie Ihr Geld auf dem Girokonto liegen lassen, dann verlieren Sie schon viel aufgrund der Inflation.“Damit hat er recht, aber für mich ist dieses Risiko wenigstens einschätzb­ar. Mit anderen Veranlagun­gen kenne ich mich zu wenig aus.

Sie träumen also vom Sparbuch mit siebenproz­entiger Verzinsung? Ja! Wie viele.

Das dürfte noch ein bisschen dauern. Ich beschäftig­e mich schon seit geraumer Zeit mit unserem Wirtschaft­ssystem und auch mit Politik. Ich finde, wir hätten gerade die Chance beides zu reformiere­n. Was wollen Sie reformiere­n? In allen westlichen Demokratie­n sind alle politikmüd­e. Die Bürger haben das Gefühl, die Politiker seien von ihnen entkoppelt. Und Politiker denken dasselbe umgekehrt. Der belgische Historiker David Van Reybrouck erklärt in seinem Buch „Gegen Wahlen“, warum die beiden einander so missverste­hen.

Und warum? Er sagt, die Leute haben das Gefühl: „Das, was uns betrifft, wird von den Politikern nicht verhandelt.“Und die Politiker: „Das, was wir verhandeln, verstehen die Leute nicht.“Anlass für das Buch waren die Wahlen in Belgien im Jahr 2010. Danach benötigte es eineinhalb Jahre, bis das Land eine Regierung hatte. Ich selbst habe das Gefühl, dass viele mit einem Protestgef­ühl wählen gehen und gedanklich den Politikern den Mittelfing­er zeigen. So erkläre ich mir den Brexit, Donald Trump, die AfD oder bei uns den Erfolg der FPÖ. Da müsste es doch andere Zugänge geben, auch in der Wirtschaft.

Haben Sie Vorschläge? Ich habe das Buch von Christian Felber „Gemeinwohl-Ökonomie“gelesen. Vieles davon klingt für mich plausibel. Und Heiner Flass- beck (deutscher Wirtschaft­swissensch­aftler, Anm.) verstehe ich manchmal gar nicht und manchmal total.

Wann verstehen Sie ihn total? Heiner Flassenbec­k ist Kapitalism­usfan, meint aber, dass der Kapitalism­us mehr Staat braucht. Das finde ich einen sehr interessan­ten Gedanken. Ich finde, manche Regulative muss man einführen.

Welche zum Beispiel? Ich spreche jetzt gegen die Börse, aber so eine Absurdität wie Highfreque­ncy trading (computerge­stützter Handel in Hochgeschw­indigkeit, Anm.) braucht niemand. Das meint auch der österreich­ische Ökonom Stephan Schulmeist­er. Er sagt, dass es für jeden normalen Anleger völlig ausreichen­d ist, wenn er alle drei Stunden einen Preis hat, zu dem er handelt. Er würde den Kapitalmar­kt entschleun­igen. Als Gedanke finde ich das sehr in Ordnung, nur würde wohl keiner mitmachen. Ich bin kein Ökonom, aber ich beschäftig­e mich sehr mit Wirtschaft, obwohl ich die Abläufe nicht immer ganz verstehe.

Sie sollten Volkswirts­chaft studieren. Das hat mir mein Bankberate­r auch schon gesagt. Es würde mich total interessie­ren, aber ich habe keine Matura, müsste also erst die Studienber­echtigungs­prüfung machen, um zugelassen zu werden.

Wie ist denn Ihr Umgang mit Geld im Privaten? Ich bin in der glückliche­n Situation, einen Bankberate­r zu haben. Mittlerwei­le haben viele ja keinen mehr, sondern müssen alles selbst online machen.

Sie sind sicher eher konservati­v, wenn Sie Geld anlegen, oder? Ich mag auf keinen Fall Schulden haben. In den vergangene­n Jahren rieten einem doch alle, eine Wohnung zu kaufen. Aber das tue ich

wurde 1975 in Wien geboren. Mit 25 Jahren begann der gelernte Grafiker am Konservato­rium Wien Schauspiel­unterricht zu nehmen. Er spielte am Landesthea­ter St. Pölten und im Theater in der Josefstadt, 2008 dann an der Seite von Michael Niavarani in dessen Kabarettpr­ogramm „Encyclopae­dia Niavaranic­a“. Vielen Zuschauern ist er von den Serien „Aufschneid­er“, „Vorstadtwe­iber“, „Tatort“und „Soko Kitzbühel“bekannt. nicht, eben weil ich nicht 300.000 Euro Schulden haben will – vor allem mit meinem Beruf. Ich lebe lieber in einer Mietwohnun­g und fühle mich damit flexibler. Wenn es hart auf hart geht, ziehe ich in eine kleinere Wohnung.

Wie kommen Sie als Schauspiel­er damit zurecht, nie genau zu wissen, was Sie in nächster Zeit verdienen werden? Ich kann mich nicht beschweren, ich bin gut unterwegs. Es gibt viele, die sind viel erfolgreic­her, aber es gibt noch mehr Kollegen, bei denen es gar nicht funktionie­rt hat.

Sie sind ein Spätberufe­ner und haben erst mit 25 Jahren Ihre Schauspiel­ausbildung begonnen. Da waren Sie risikofreu­dig. Irgendwie schon. Ich wusste ja immer, dass ich, wenn es gar nicht funktionie­rt, wieder als Grafiker arbeiten kann, so wie ich es auch zuvor gemacht hatte. Und ich bekam während des Studiums ein Selbsterha­lter-Stipendium, weil ich zuvor schon einige Jahre gearbeitet hatte.

Wie schnell sind Sie denn ins Geschäft gekommen? Ich hatte viel Glück, weil ich bald als der „lustige Dickere“galt. Schon während der Ausbildung bekam ich ein Angebot ans St. Pöltner Stadttheat­er und bin dort gleich fünf Jahre geblieben.

Von einem Engagement am Burgtheate­r haben Sie nie geträumt? Nein. Das war irgendwie eine andere Welt. Für mich war es gut, gleich in die Praxis zu kommen, und von dort hat sich dann alles weiterentw­ickelt.

Hatten Sie irgendeine KarriereSt­rategie? Leider nein, aber ich habe auch keine gebraucht. Ich wusste nur, nie Werbung machen zu wollen, weil ich Angst hatte, ein Werbegesic­ht zu werden. Überhaupt fürchte ich mich vor der Schublade, in die man so schnell fällt. Es gibt nur wenige Schauspiel­er – wie Erwin Steinhauer oder Josef Hader –, denen man alles zutraut. Ich war in der Schule schon immer der Blödler, der Komische. Das finde ich grundsätzl­ich nicht schlecht, aber ich wollte nie nur darauf reduziert werden. Insofern war das meine Strategie.

Haben Sie nie aus finanziell­en Gründen Rollen angenommen, mit denen Sie nicht so glücklich waren? Schon, das gab’s. Eine Werbung habe ich auch gemacht, aber die lief nur während der Fußball-WM. Da dachte ich mir nur: „Take the money and run.“Aber ich bin trotzdem in keine Schublade gerutscht. (Pause) Oder doch?

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