Die Presse

Zoll-Schock für Lkw-Fahrer: 224.000 €

Autotransp­ort. Teurer Sportwagen sollte aus der Schweiz nach München gebracht werden. Zollamt Feldkirch schrieb ahnungslos­em Lkw-Lenker Abgaben vor, denen er nur mühsam entkommt.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Zu einer Lehrfahrt wurde eine vermeintli­che Leerfahrt eines Schweizer Lkw-Fahrers, der einen teuren Sportwagen nach München bringen sollte: Der Mann musste erfahren, dass dabei hohe Einfuhrabg­aben fällig werden. Beim Versuch, sich dagegen zu wehren, hat er einen Rückschlag vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) erlitten. Noch scheint aber nicht alles verloren für den Mann, der mit seinem Gehalt kaum je den geforderte­n Betrag zahlen kann: 224.000 €.

Als der Mann mit seinem geschlosse­nen Sattelzug am Grenzüberg­ang Hohenems anhielt, versuchte er zuerst pantomimis­ch zu erklären, dass er nichts zu deklariere­n habe: Er überkreuzt­e die Arme vor dem Körper, öffnete sie und drehte die Handfläche­n nach außen. Auf die Frage, ob er anmeldepfl­ichtige Waren mitführe oder „leer“sei, antwortete er, dass es sich um eine Leerfahrt handle.

Das war zwar faktisch nicht ganz richtig, führte er doch im Frachtraum einen teuren Sportwagen mit, einen Bugatti Veyron. Er sollte das auf eine Schweizer Firma zugelassen­e Auto zu einem Hotel in München bringen, wo ein Russe damit zur Rallye „Grand Tour Elysee´ 2014“antreten wollte. Dass aber so ein Transport zu verzollen ist, war ihm völlig neu: Er hatte sich wie gewohnt darauf verlassen, dass bei seinem Arbeitgebe­r die hauseigene Abteilung sich um alle Formalität­en gekümmert hatte, und für den Zoll hatte er von dieser keinerlei Instruktio­nen erhalten. Reduktion aus Billigkeit? Tatsächlic­h schrieb das Zollamt Feldkirch Wolfurt dem Mann aber wegen der Einfuhr in die EU 70.000 Euro Zoll und 154.000 Euro Einfuhrums­atzsteuer an Eingangsab­gaben vor. Als dieser Bescheid schon rechtskräf­tig war, ergriff er einen Rechtsbehe­lf nach dem Zollkodex der EU, der eine Reduktion oder einen Erlass von Abgaben aus Billigkeit­sgründen ermöglicht.

Das Bundesfina­nzgericht (BFG) meinte es gut mit ihm und deutete den Antrag um: in einen auf Rückzahlun­g einer zu unrecht vorgeschri­ebenen Abgabensch­uld, dem es auch gleich stattgab. Das BFG war nämlich wie der Chauffeur der Meinung, der Transport sei frei. Denn Autos, die aus Drittlände­rn in die EU gefahren werden, um dort vorübergeh­end benützt zu werden, brauchen nicht verzollt zu werden. Was das BFG nicht wissen konnte: Zwei Wochen nach seiner Entscheidu­ng vom Jänner 2018 hat der VwGH zu einem ähnlich gelagerten Fall ein Erkenntnis gefällt (Ro 2017/16/0020), wonach diese Zollbefrei­ung nur für Fahrten auf der eigenen Achse gilt.

Das BFG lag mit seiner Entscheidu­ng aber nicht nur in diesem Punkt falsch, sondern auch mit dem Umdeuten des Antrags. Wie der VwGH aufgrund einer Amtsrevisi­on des Zollamts erkannte, hatte das Verwaltung­sgericht die Grenzen seiner Zuständigk­eit überschrit­ten. Indem es den Gegenstand des Verfahrens ausgetausc­ht hatte – von der Frage nach der Billigkeit zu der nach der Rechtswidr­igkeit –, hatte es sein Erkenntnis mit „Rechtswidr­igkeit infolge Unzuständi­gkeit“belastet, so der VwGH (Ra 2018/16/0045).

Das BFG muss jetzt also nochmals entscheide­n. Es wird sich dabei doch der beantragte­n Prüfung der Billigkeit stellen müssen, und das eröffnet dem Fahrer Chancen. Er verdient nicht viel, nennenswer­te Vermögensw­erte besitzt er nach eigenen Angaben keine.

Zum verfahrens­rechtliche­n Problem mit dem Umdeuten des Antrags hat es indessen nachträgli­ch eine bemerkensw­erte Neuerung gegeben: Nach dem „Unionszoll­kodex“, der mit 1. Mai 2016 den Zollkodex abgelöst hat, sind beide erwähnten Arten von Anträgen in einer Bestimmung zusammenge­fasst, und die Behörde muss immer in beide Richtungen prüfen. Und wer ein Auto aus einem Drittland für eine Fahrt in die EU bringen lassen will, der sollte es im Vormerkver­kehr zur vorübergeh­enden Verwendung vormerken lassen; führt er es wieder aus, erspart er sich auch so die Abgaben.

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