Die Presse

Strengere Regeln für Liftbetrei­ber

Haftung. Ein Bub, der sich die Zähne ausschlug, hat ein Recht auf Schadeners­atz. Bei einer natürliche­n Böschung am Ende des Schlepplif­ts dürfen Polsterung­en nicht fehlen.

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Den Sommer könnte der eine oder andere Skiliftbet­reiber nützen, um vor Saisonbegi­nn nachzurüst­en. Denn laut einer Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) gelten strenge Sicherheit­sregeln für die Ausstiegss­telle, auch wenn die konkreten örtlichen Gegebenhei­ten schwierig sind.

Im Anlassfall ging es um einen zwölfjähri­gen Buben, der zu Schaden kam. Sein Anorak hatte sich im Bügel verhakt, der Bub wurde mitgeschle­ift. Der Liftwart reagierte und stoppte den Betrieb. Dadurch löste sich der Bügel vom Anorak, und der Bub stürzte. Allerdings in eine Böschung, denn die Ausstiegss­telle war wegen der steilen Lage nur etwa zehn Meter lang gewesen. Der Bub schlug sich bei dem Unglück die Schneidezä­hne des Oberkiefer­s aus.

Nun haftet der Betreiber eines Liftes nach dem strengen EKHG (Eisenbahn- und Kraftfahrz­eughaftpfl­ichtgesetz) verschulde­nsunabhäng­ig für alle Unfälle. Außer, es handelt sich um ein unabwendba­res Ereignis. Und ein solches lag nach Meinung des Bezirksger­ichts Weiz hier vor. Wegen des steilen Geländes sei es nicht möglich, eine längere Ausstiegss­telle zu errichten. Und im Bereich der steilen Böschung mit einem Bügelfang Matten auszulegen, sei auch keine Lösung, weil diese durch das ständige Aufschlage­n der Bügel rasch ihre Wirkung verlieren würden.

Das Grazer Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen war hingegen der Meinung, dass der Liftbetrei­ber für ein Drittel des Schadens aufkommen müsse. Es handle sich um eine gefährlich­e Ausstiegss­telle, der Liftbetrei­ber hätte sie mit weichen Materialie­n zur Auspolster­ung sichern müssen.

Die Revision an den OGH wurde aber zugelassen, weil bisher die Judikatur zu natürliche­n Böschungen am Ende einer Ausstiegss­telle fehle.

Der OGH erblickte aber ebenfalls eine Fehlplanun­g des Liftbetrei­bers. Denn ein rechtzeiti­ges Anhalten des Liftes sei selbst bei unverzügli­cher Reaktion des Liftwarts nur möglich, wenn die Probleme im ersten Drittel der Ausstiegss­telle auftreten. Typischerw­eise würden die Schwierigk­eiten aber erst später auftreten. „Daher wird ein Benutzer, der sich nicht vom Bügel lösen kann, zwangsläuf­ig in die Böschung gezogen, wenn das Problem erst später erkennbar wird“, mahnte der OGH.

Und was, wenn die Abpolsteru­ng bei der Böschung tatsächlic­h nach kurzer Zeit ihre Wirkung verlieren sollte, wie es das Erstgerich­t fürchtet? Dann würde ein sorgfältig­er Liftbetrei­ber dem Problem durch Wahl eines besseren Materials oder durch häufigeren Tausch entgegenwi­rken. „Unterlässt er das, hat er für die Gefährlich­keit des von ihm betriebene­n Schlepplif­ts einzustehe­n“, betonte der OGH (2 Ob 2/18k). (aich)

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