Das Leder ist wund: Berichte aus einer Fußballwelt des Irrsinns
Der Weltfußballverband Fifa ist zu einer Organisation der Selbstherrlichkeit und unstillbarer Geldgier verkommen.
R echtzeitig zur laufenden Fußball-WM in Russland veröffentlichte der Suhrkamp Verlag ein Taschenbuch. Der Titel besagt alles: „Das wunde Leder. Wie Kommerz und Korruption den Fußball kaputt machen.“Am Ende des Bändchens findet sich ein „Manifest wider die Sportdiktatur“, nachgedruckt auch im „
Verfasst wurde es vom Schriftsteller Ilija Trojanow und dem aus Graz stammenden Germanisten Klaus Zeyringer. Darin werden die Sportfans zum Widerstand gegen den Weltfußballverband (Fifa) sowie das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufgerufen. Fifa und IOC würden Kulturgüter der Menschheit als „Monopol einer elitären, neofeudal organisierten Gruppe“betreiben, auffällig viele ihrer Mitglieder seien mafiös, autoritär und korrupt.
Widerstand, aber wie? „Wir sollten die neofeudalen Machenschaften und dunklen Geschäfte, die absurde soziale Ungerechtigkeit des ganzen Systems nicht länger unterstützen. Intransparenz und Korruption dürfen von einer demokratischen Gesellschaft nicht länger hingenommen werden. Boykottieren wir die WM 2018 in Russland. Schauen wir uns kein einziges Match an!“Na ja, wenn man dieser Tage durch Wiener Gassen oder entlang des Donaukanals spaziert, scheinen diesem Boykottaufruf nicht allzu viele Folge zu leisten. Public viewing überall, volle Lokale, begeisterte Fußballfans. Die Masse interessieren die zynischen Machenschaften und die unstillbare Geldgier im Fußballgeschäft wohl nicht, sie wollen das runde Leder auf dem grünen Rasen rollen sehen.
Dabei fanden sich rund um die WM in Russland in vielen Publikationen umfangreiche Berichte, die sich mit der Fifa und ihrem seit zwei Jahren waltenden Präsidenten Gianni Infantino befassen – allesamt nicht sehr freundlich. „Schlau“ist noch die positivste Charakterisierung des 48-jährigen Wallisers. Selbst die stets zurückhaltende urteilt: „Der Verband präsentiert sich nicht viel anders als unter Joseph Blatter. An der Spitze steht ein selbstherrlicher Präsident, der die Macht monopolisiert und Alleingänge liebt.“Im schrieben Navi Pillay, Miguel Maduro und Joseph Weiler, die Infantino alle drei mehr oder weniger elegant aus Aufsichts- und Kontrollorganen der Fifa hinausgeekelt hatte, in einem Gastkommentar: Das schöne Spiel Fußball sei jetzt in den Händen einer „abscheulichen Organisation“. D er Münchner Richter und erfahrene Korruptionsbekämpfer Hans-Joachim Eckert, der fünf Jahre lang die Ethikkommission der Fifa geleitet hatte, erklärte in einem Interview mit dem „ „Fußball ist ein irrsinniger Markt mit irrsinnig viel Geld, das zirkuliert. Wenn man sieht, welche Milliardensummen im Fußball bewegt werden, dann versaut das die Moral.“Der Umgang mit Geld in der Fifa erinnerte ihn dabei an die Geldwäsche und organisierte Kriminalität aus seiner Zeit als Korruptionsjäger in München. Das jetzige Problem der Fifa: „Infantino fehlt ein Gegenpol. Es ist niemand mehr da, der ihm auf die Finger schaut.“
Das bemängelte auch die Luxemburger Politikerin Anne Brasseur, die dem Europarat einen 22-seitigen kritischen Bericht über die Amtsführung in Fifa und Uefa vorgelegt hatte („Der Fußball gehört nicht einer Person, er gehört allen“), worauf sie aus Fifa-Kreisen angeschwärzt wurde. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte im Jänner trotzdem die EU auf, eine Einrichtung zu schaffen, die die Einhaltung ethischer Grundsätze und die Auswahl wichtiger Posten in Fifa und Uefa überwachen solle.