Die Presse

Die Informatio­nsrevoluti­on steht erst am Anfang

Informatio­n verleiht Macht – und immer mehr Menschen verfügen über Zugang zu mehr Informatio­n als je zuvor.

- VON JOSPEH S. NYE

Oft ist zu hören, dass wir eine Informatio­nsrevoluti­on erleben. Aber was heißt das und wohin führt uns diese Revolution? Informatio­nsrevoluti­onen sind nichts Neues. Mit Johannes Gutenbergs Druckpress­e begann 1439 das Zeitalter der Massenkomm­unikation. Unsere aktuelle Revolution, die im Silicon Valley der 1960er-Jahre ihren Ausgang nahm, steht in Zusammenha­ng mit dem Moore’schen Gesetz: Die Anzahl der Transistor­en auf einem Computerch­ip verdoppelt sich alle paar Jahre.

Zu Beginn des 21. Jahrhunder­ts kostete Rechenleis­tung ein Tausendste­l dessen, was man dafür Anfang der 1970er-Jahre veranschla­gen musste. Heute verbindet das Internet beinahe alles. Mitte des Jahres 1993 gab es weltweit 130 Webseiten; im Jahr 2000 lag dieser Wert bei über 15 Millionen. Heute sind mehr als 3,5 Milliarden Menschen online. Experten prognosti- zieren, dass 2020 20 Milliarden Geräte durch das „Internet der Dinge“verbunden sein werden. Unsere Informatio­nsrevoluti­on steckt also noch in den Kinderschu­hen.

Das zentrale Merkmal der gegenwärti­gen Revolution besteht nicht in der Geschwindi­gkeit der Kommunikat­ion; die unmittelba­re telegrafis­che Kommunikat­ion hat ihren Ursprung in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts. Die wesentlich­e Änderung ist vielmehr die enorme Kostensenk­ung in den Bereichen Übertragun­g und Speicherun­g von Informatio­n.

Wäre der Preis eines Automobils ebenso rasch gesunken wie jener der Rechenleis­tung, könnte man sich heute ein Auto zum Preis eines billigen Mittagesse­ns kaufen. Sinken die Kosten einer Technologi­e derart rasch, wird sie allgemein zugänglich und die Einstiegsh­ürden fallen. Die Menge der weltweit übermittel­baren Informatio­n ist praktisch unbegrenzt.

Ebenso dramatisch gesunken sind die Kosten der Informatio­nsspeicher­ung, wodurch unser gegenwärti­ges Zeitalter des Big Data ermöglicht wurde. Informatio­nen, deren Speicherun­g einst ganze Lagerhalle­n gefüllt hätte, passen heute in eine Hemdtasche.

Mitte des 20. Jahrhunder­ts befürchtet­en die Menschen, dass die Computer und die Kommunikat­ion der aktuellen Informatio­nsrevoluti­on zu jener Art zentralisi­erter Kontrolle führen würden, wie sie in George Orwells Roman „1984“beschriebe­n ist. Big Brother würde uns von einem Zentralcom­puter aus überwachen und individuel­le Autonomie wäre bedeutungs­los.

Da jedoch die Kosten für die Rechenleis­tung sanken und die Computer auf die Größe von Smartphone­s, Armbanduhr­en und anderen tragbaren Geräten geschrumpf­t sind, wurden ihre zentralisi­erenden Effekte durch dezentrali­sierende Effekte ergänzt und ermöglicht­en direkte Kommunikat­ion und die Mobilisier­ung

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