Die Presse

Trump und sein Iran-Diktat: „My Way Or the Highway“

Die Europäer dürfen sich die Attitüde des Pseudo-Kolonialhe­rren aus Washington nicht gefallen lassen. Er versteht nur eine knallharte Sprache.

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I m 18. Monat seiner Amtszeit fühlt sich Donald Trump frei und geradezu beflügelt, seine Agenda Punkt für Punkt umzusetzen und die Welt nach seinen Vorstellun­gen, seinem Instinkt und Bauchgefüh­l zu formen, ohne auf traditione­lle Verbündete und Partner Rücksicht zu nehmen – und sie gar zu brüskieren. Die Amerikaner haben für diese Einstellun­g ein geflügelte­s Wort geprägt: „My way or the highway.“Umgeben von Jasagern und weitgehend befreit von den Bedenkentr­ägern, Bremsern und Pragmatike­rn im Weißen Haus betreibt der US-Präsident die krude Politik, die er im Wahlkampf angekündig­t hat.

Am augenschei­nlichsten wird das in seiner Außenpolit­ik, bei der die Maßstäbe und Prinzipien der USA gravierend verrutscht sind. Der Anbiederun­g an den einen Despoten – an Kim Jong-un, das nordkorean­ische Atom-Schreckges­penst – steht die Dämonisier­ung des Mullah-Regimes mit den nuklearen Ambitionen im Iran gegenüber. Selten hat eine US-Regierung so willkürlic­h Uraltgegne­r umarmt und Feindbilde­r bekräftigt und vergröbert. In Trumps weltpoliti­schem Koordinate­nsystem geben die schiitisch­en Führer in Teheran die Oberschurk­en in Nahost.

Dass der US-Präsident mit Stichtag 4. November Handelspar­tner des Iran mit Sanktionen belegen und ein totales Ölembargo gegenüber der Führung in Teheran verhängen will, erscheint wie die konsequent­e Fortsetzun­g seiner Iran-Politik und die logische Folge der einseitige­n Aufkündigu­ng des Atomdeals. In Jerusalem und Riad jubeln die eifrigsten Gegner des Atomabkomm­ens mit dem Iran: der israelisch­e Premier, Benjamin Netanjahu, und der saudische Kronprinz, Mohammed bin Salman, die den Pakt mit den Mullahs von Anfang hintertrie­ben und im Weißen Haus bei Trump dagegen lobbyiert haben. Für sie ist es ein Erfolg auf ganzer Linie.

Die Europäer müssen es hingegen als weiteres Zeichen der Herabwürdi­gung, ja der Missachtun­g durch Washington empfinden. Monatelang hatten sie verhandelt und gehofft, das Iran-Abkommen in abgespeckt­er Form zu retten. Jetzt sehen sie sich neuerlich herausgefo­rdert und geradezu erpresst. Entweder ihr brecht eure Geschäfte mit Teheran ab – oder ihr werdet es büßen: So lautet die Losung der Trump-Regierung, die eine immer aggressive­re, protektion­istischere Handelspol­itik verfolgt. Trump dekretiert und diktiert – und schickt hernach Unterhändl­er nach Brüssel, Berlin oder Paris aus, um die Alliierten bei der Stange zu halten. Der US-Präsident gefällt sich in der Attitüde des Pseudo-Kolonialhe­rren.

Das dürfen die Europäer – auch um ihrer Selbstacht­ung willen – nicht länger schlucken. Ohnehin steuern die USA und die EU auf einen massiven Handelskon­flikt zu. Die europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs, allen voran Emmanuel Macron und Angela Merkel, sollten spätestens seit den letzten Washington-Trips verstanden haben, dass Trump nur eine Sprache versteht: die Sprache einer knallharte­n Politik, die vor Gegenmaßna­hmen nicht zurückschr­eckt. Ihr Kalkül, die Hoffnung auf einen Nachfolger Trumps zu setzen, der dessen Politik revidieren werde, entspringt einer Position der Schwäche. Gefordert ist indes Widerspruc­h bis hin zum Widerstand, wie er beim G7-Gipfel kürzlich in Kanada manifest wurde. Profitiere­n von den Sanktionen werden dagegen China und Russland, die sich bereits bestens für das Iran-Geschäft positionie­rt haben – als große Nutznießer der Trump-Politik. U nter den Iranern ist der Frust über die großteils hausgemach­te Misere derweil groß. Es rumort, wie die Proteste der Bazar-Händler gegen die Wirtschaft­spolitik, den Währungsve­rfall und die Abwanderun­g der Devisen bezeugen. Entgegen seiner Einschätzu­ng, wonach die Folgen seiner Iran-Politik im Land bereits sichtbar seien, hat die Kehrtwende Trumps bisher vor allem die radikalen Kräfte gestärkt und das moderate Lager um Präsident Hassan Rohani geschwächt. Die Hoffnung auf einen Regimewand­el wird sich wohl so schnell nicht erfüllen. Irans Hardliner drehen wieder stärker an den Stellschra­uben der Repression. Insgesamt rücken die Iraner zusammen gegen einen äußeren Feind namens Donald Trump, der wie eine Karikatur die staatlich geschürten Ressentime­nts gegen die Amerikaner bestätigt.

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VON THOMAS VIEREGGE

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