Die Presse

Die irre Welt der europäisch­en Eisenbahnp­olitik

Milliarden fließen in einen ineffizien­ten Fleckerlte­ppich.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Das transeurop­äische EU-Eisenbahnn­etz ist ein „ineffizien­ter Flickentep­pich ohne realistisc­hen langfristi­gen Plan“. Diese Aussage ist kein fieser Angriff der Frächterlo­bby, sondern der Titel der Presseauss­endung des Europäisch­en Rechnungsh­ofs zur Prüfung des EU-Hochgeschw­indigkeits­schienenne­tzes.

Die EU-Prüfer sind zu Recht aufgebrach­t: Immerhin hat die Gemeinscha­ft seit dem Jahr 2000 23,7 Mrd. Euro für die Kofinanzie­rung von Eisenbahns­trecken aufgebrach­t (die Nationalst­aaten ein Vielfaches davon). Mit dem Ergebnis, dass der Großteil des Geldes für sinnlose Prestigeba­uprojekte verplemper­t wird, ohne dass ein europäisch­es Eisenbahns­ystem, das diesen Namen auch nur halbwegs verdient, zustande kommt.

Die Gründe: Schienenpr­ojekte werden ausschließ­lich nach nationalst­aatlichen Gesichtspu­nkten durchgezog­en. Internatio­nale Verknüpfun­gen gibt es kaum, Koordinier­ung schon gar nicht. Auch national werden (das hat übrigens auch der österreich­ische Rechnungsh­of vor ein paar Tagen festgestel­lt) Projekte überwiegen­d politisch und nach den Wünschen der nationalen Infrastruk­turgesells­chaften beziehungs­weise der Bauindustr­ie realisiert. Gesamtüber­greifende Verkehrsko­nzepte gibt es in der Praxis nicht.

Dazu verhindern von Gewerkscha­ften beherrscht­e nationale Bahngesell­schaften vernünftig­e internatio­nale Verbindung­en. Zwischen Österreich und Italien, mokieren sich die EU-Prüfer, stehen Züge beispielsw­eise bis zu 45 Minuten, weil Bahnperson­al mitten im Schengenra­um nicht einfach in „Feindeslan­d“fahren darf. Und: 11.000 nationale Normen behindern den europäisch­en Verkehr, aber gesamteuro­päische Eisenbahnn­ormen gibt es de facto nicht. K urzum: Hier werden europaweit planlos irre Milliarden­beträge investiert, ohne dass damit irgendwelc­he Ziele auch nur annähernd erreicht werden. Ein Totalversa­gen der Verkehrspo­litik, auch der österreich­ischen. Wundert sich jetzt noch jemand, wieso die Verlagerun­g von Verkehr auf die Schiene nicht und nicht klappen will, obwohl dreimal so viel in die Schiene wie in die Straße investiert wird?

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