Die irre Welt der europäischen Eisenbahnpolitik
Milliarden fließen in einen ineffizienten Fleckerlteppich.
Das transeuropäische EU-Eisenbahnnetz ist ein „ineffizienter Flickenteppich ohne realistischen langfristigen Plan“. Diese Aussage ist kein fieser Angriff der Frächterlobby, sondern der Titel der Presseaussendung des Europäischen Rechnungshofs zur Prüfung des EU-Hochgeschwindigkeitsschienennetzes.
Die EU-Prüfer sind zu Recht aufgebracht: Immerhin hat die Gemeinschaft seit dem Jahr 2000 23,7 Mrd. Euro für die Kofinanzierung von Eisenbahnstrecken aufgebracht (die Nationalstaaten ein Vielfaches davon). Mit dem Ergebnis, dass der Großteil des Geldes für sinnlose Prestigebauprojekte verplempert wird, ohne dass ein europäisches Eisenbahnsystem, das diesen Namen auch nur halbwegs verdient, zustande kommt.
Die Gründe: Schienenprojekte werden ausschließlich nach nationalstaatlichen Gesichtspunkten durchgezogen. Internationale Verknüpfungen gibt es kaum, Koordinierung schon gar nicht. Auch national werden (das hat übrigens auch der österreichische Rechnungshof vor ein paar Tagen festgestellt) Projekte überwiegend politisch und nach den Wünschen der nationalen Infrastrukturgesellschaften beziehungsweise der Bauindustrie realisiert. Gesamtübergreifende Verkehrskonzepte gibt es in der Praxis nicht.
Dazu verhindern von Gewerkschaften beherrschte nationale Bahngesellschaften vernünftige internationale Verbindungen. Zwischen Österreich und Italien, mokieren sich die EU-Prüfer, stehen Züge beispielsweise bis zu 45 Minuten, weil Bahnpersonal mitten im Schengenraum nicht einfach in „Feindesland“fahren darf. Und: 11.000 nationale Normen behindern den europäischen Verkehr, aber gesamteuropäische Eisenbahnnormen gibt es de facto nicht. K urzum: Hier werden europaweit planlos irre Milliardenbeträge investiert, ohne dass damit irgendwelche Ziele auch nur annähernd erreicht werden. Ein Totalversagen der Verkehrspolitik, auch der österreichischen. Wundert sich jetzt noch jemand, wieso die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene nicht und nicht klappen will, obwohl dreimal so viel in die Schiene wie in die Straße investiert wird?