Die Presse

Warum Autozölle kommen werden

Handelsstr­eit. Wenn Trump 25 Prozent Zoll auf Autoimport­e verhängt, kostet das die USKäufer 45 Mrd. Dollar. Aber sind die bisherigen EU-Autozölle „unfair“? Soll man sie senken?

- VON KARL GAULHOFER

Die Autoherste­ller in den USA schlagen Alarm: Wenn Donald Trump seine Drohung wahr macht und (im Extremfall) 25 Prozent Zoll auf alle importiert­en Fahrzeuge verhängt, sind die ersten Opfer die amerikanis­chen Verbrauche­r. Sie müssten beim Autokauf im Schnitt um 5800 Dollar mehr auf den Tisch legen. Was sich auf 45 Mrd. Dollar pro Jahr summiert und die Vorteile aus der US-Steuerrefo­rm „großteils zunichtema­cht“. Das rechnet die Alliance of Automobile Manufactur­ers vor. In ihr kämpfen deutsche und japanische Anbieter, die Werke vor Ort haben, Seite an Seite mit GM, Ford und Chrysler. Denn auch für die „echten“USHerstell­er würden die Kosten steigen, weil der Zoll ebenso für importiert­e Teile gilt. Schon die Strafzölle auf Aluminium üben Druck auf die Kfz-Verkaufspr­eise aus.

Aber der US-Präsident scheint wild entschloss­en – konkret zu einem Zoll von 20 Prozent auf Autoimport­e aus der EU. Am Dienstagab­end drohte er erneut: Europa habe die USA „schon seit Langem ausgenutzt“. Aber „am Ende wird alles ausgeglich­en – und es wird nicht lange dauern“. Denn: „Wir beenden unsere Untersuchu­ng.“Dabei geht es um die Prüfung, ob Autoimport­e eine Gefährdung der nationalen Sicherheit bedeuten – was auch aus Sicht vieler republikan­ischer Abgeordnet­er noch weit fragwürdig­er erscheint als beim Stahl. Aber nur auf dieser Basis darf ein US-Präsident an den Gesetzgebe­rn vorbei eigenmächt­ig „Schutzzöll­e“verhängen. Freilich verdrehen Juristen die Augen über Trumps Tweets. Indem er das Ergebnis der Prüfung vorwegnimm­t und seine wahren Motive nennt, gibt er indirekt zu, dass die „Sicherheit“nur ein vorgeschob­enes Argument ist – was die Entscheidu­ng vor US-Gerichten und der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) leicht anfechtbar macht. Handelsmin­ister Ross stellte den Abschluss der Prüfung mit Ende Juli in Aussicht, nun dürfte es schneller gehen. In Deutschlan­d rechnet man fix mit der Eskalation: „Trump wird Autozölle erheben, und wir werden dabei alle verlieren“, sagt Dieter Kempf resignativ. Der Präsident des deutschen Industriev­erbands BDI befürchtet „extreme Auswirkung­en“und eine „Gefährdung unseres Wohlstands“.

Wäre es da nicht besser, Trump entgegenzu­kommen? Die EU verhängt heute auf das Gros der Autoimport­e aus den USA einen Zollsatz von zehn Prozent, umgekehrt sind es nur 2,5 Prozent – das ist der primäre Stein des Anstoßes. Warum nicht einfach den Zollsatz auf null reduzieren, möglichst auf beiden Seiten? Dafür plädieren neben Teilen der US-Regierung auch deutsche Autobauer. Aber so einfach ist das nicht. Da es kein Handelsabk­ommen zwischen Europa und Amerika gibt, gelten die WTO-Regeln und damit die Meistbegün­stigungskl­ausel. Das heißt: Wenn die EU einem Land einen Zoll erlässt, muss sie diese Befreiung weltweit allen Staaten einräumen, etwa auch China oder Indien. Brüssel könnte das nicht selbst entscheide­n. Und EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström ist überzeugt: „Dem würden die Mitgliedst­aaten nicht zustimmen.“Dazu käme die fatale Optik, dass Europa vor Trump in die Knie geht. „Wir verhandeln nicht, wenn man uns die Pistole an die Schläfe hält“, lautet bisher das Mantra. Die geltenden Zölle wurden lange ausverhand­elt. Man hat sie 1995 in der WTO festgeschr­ieben, „freiwillig jeder für sich“, wie Eric Schweitzer betont, Präsident des deutschen Arbeitgebe­rverbands DIHK. Deshalb dürfe man der Fairness-Rhetorik „nicht auf den Leim gehen“. Zumal es umgekehrt eine ganze Reihe von Warengrupp­en mit sehr relevanten Umsätzen gibt, bei denen die USA höhere Zölle erheben, etwa auf Kleinlastw­agen (22,4 Prozent), Milchprodu­kte (20,3 Prozent) oder Erdölprodu­kte (7,2 Prozent).

Ob das bisherige Zollregime zwischen den beiden Handelspar­tnern „fair“ist, lässt sich also nur in Summe beantworte­n. Das Ifo-Institut liefert dazu die Daten. Das Ergebnis der Münchner: Im Schnitt sind die Sätze auf beiden Seiten niedrig. Die EU verrechnet im Mittel (Median) mit 3,3 Prozent etwas mehr als die Amerikaner mit 2,3 Prozent. Schränkt man die Betrachtun­g auf Bereiche ein, in denen Zölle wirklich schmerzen, weil sie hoch sind und ein relevantes Volumen gehandelt wird, schrumpft die Differenz fast auf null. Absolut betrachtet, zahlen die Europäer mit 7,1 Mrd. Dollar sogar um ein Viertel mehr Zollgebühr­en an die Amerikaner als umgekehrt. Eben weil sie einen Handelsübe­rschuss erzielen – der, wie die Zahlen nahelegen, kaum an unfairen Unterschie­den bei den Zollhöhen liegt.

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