Wachstum gibt es auch jenseits von Sibirien
Der Mineralölkonzern will seine Produktion bis 2025 fast verdoppeln und dafür neue Öl- und Gaslagerstätten zukaufen. Europa liegt nicht mehr im Fokus. Wachsen will das Unternehmen im Nahen Osten und in Asien.
„Die OMV ist mehr als Russland“, wird Rainer Seele, General des heimischen Mineralölkonzerns, nicht müde zu betonen. Zwar ist sein Unternehmen weiterhin sehr eng mit der russischen Gazprom verbunden – man teilt sich Unternehmen, Lagerstätten und die große Liebe zur umstrittenen Erdgasleitung Nord Stream 2. Doch Rainer Seele hat mit der OMV mehr vor als das.
Im März legte er eine sanfte Erneuerung der Strategie vor. Bis 2025 will das Unternehmen, das zuletzt vor allem durch den Verkauf von Beteiligungen aufgefallen ist, wieder kräftig wachsen. Die Produktionsleistung soll in den kommenden sieben Jahren auf 600.000 Fass Öläquivalent pro Tag fast verdoppelt und das bereinigte Ergebnis um 70 Prozent auf fünf Milliarden Euro gesteigert werden. Die Analysten zeigten sich erfreut: Elf von zwanzig raten zum Kauf der Aktie, sechs würden halten, drei verkaufen.
Kaufen will sich auch das Unternehmen ein gutes Stück des geplanten Wachstums. Der Kauf des knappen Viertelanteils am russischen Gasfeld Juschno Russkoje bringt der OMV 100.000 Fass Öläquivalent zusätzlich im Jahr. Das ist immerhin ein Viertel der gesamten Produktionsmenge des Konzerns. Und das Gas ist so billig, dass die Förderkosten je Fass auf sieben Dollar sinken werden.
Zudem liegen etliche Milliarden Euro auf der hohen Kante, um Öl- und Gaslagerstätten zu erwerben. Die Nettoverschuldung liegt bei zwei Mrd. Euro, der Verschuldungsgrad bei 14 Prozent. Neben den beiden Kernmärkten Europa und Russland soll die OMV in Zukunft auch stärker im Nahen Osten aktiv werden sowie eine neue Kernregion in Asien und Pazifik („Australasien“) aufbauen.
„Die Musik spielt künftig in der Region Asien und Pazifik“, meint auch Seele. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur werden bis 2030 rund 90 Prozent der zusätzlichen Ölnachfrage und 70 Prozent der zusätzlichen Nachfrage nach petrochemischen Produkten aus den Ländern rund um Indien und China kommen.
Der erste Schritt in Richtung Asien ist bereits geschafft. Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Kurswechsels legte das Unternehmen mit einem größeren Zukauf nach. Der teilstaatliche Energiekonzern übernimmt Neuseelands größtes aktives Erdgasfeld, Pohokura, und das größte Erdölfeld, Maui, vom britisch-niederländischen Mitbewerber Royal Durch Shell um 578 Millionen USDollar (469 Millionen Euro). OMV war bisher als Minderheitspartner an Bord, jetzt wird das österreichische Unternehmen zum Alleineigner.
Zweite große Stoßrichtung der überarbeiteten Strategie ist die Stärkung des Raffinerie- und Petrochemiegeschäfts. Bis 2025 soll die Raffineriekapazität verdoppelt werden. Die Hälfte der zehn Milliarden Euro Kaufbudget sollen im Downstream-Bereich, also für neue Raffinerien oder petrochemische Werke wie die OMV-Tochter Borealis, ausgegeben werden.
Im Raffineriebereich reagiert die OMV auf die sinkende Treibstoffnachfrage in Europa und baut die Raffinerien in Österreich, Rumänien und Deutschland in Richtung Petrochemie um.
Die größten Baustellen teilt sich die OMV trotz der Neuausrichtung immer noch mit Russland. Der geplante Tausch von OMV-Anteilen in Norwegen mit russischen Gazprom-Feldern soll frühestens Ende des Jahres über die Bühne gehen.
Auch bei der geplanten Erdgasleitung durch die Ostsee legen sich etliche EU-Mitgliedsländer weiterhin quer. Die Gazprom will mit der Nord Stream 2 eine weitere stabile Route zur Versorgung der EU aufbauen, die OMV ist einer von fünf westlichen Financiers des Projekts. Kritiker warnen vor einer zu hohen Abhängigkeit des Kontinents von russischem Gas.