Die Presse

Wie man dem Stahlbad der Strafzölle trotzt

Vom Handelsstr­eit ist der Stahlkonze­rn weniger stark betroffen als befürchtet. Aber auf ein Rekordjahr lässt sich kaum noch etwas drauflegen. Stattdesse­n: ein Spatenstic­h, eine Reparatur und ein angekündig­ter Abschied.

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Es sah gar nicht gut aus. Ein Handelsstr­eit zwischen den USA und der EU, der sich an Strafzölle­n für Stahl entzündet – da müsste doch der heimische Stahlkonze­rn Voestalpin­e brutal zwischen die Fronten geraten. Dass es bisher nicht so schlimm gekommen ist, dafür sorgt die stark verflochte­ne Weltwirtsc­haft. Die Voest macht zwei Drittel ihrer US-Umsätze als Erzeuger vor Ort, an 47 Standorten. Sorgen macht weiterhin die ungewisse Zukunft des Nafta-Abkommens, das bisher für freien US-Handel mit Kanada und Mexiko sorgt – auch dort ist das österreich­ische Paradeunte­rnehmen mit Werken stark präsent.

Zudem führen die Zölle, die US-Präsident Trump gegen die halbe Welt verhängt hat, nun dazu, dass mehr Stahl nach Europa drängt und hier auf die Preise drückt. Aber wer Auto, Flugzeuge oder Bahnstreck­en baut, der weiß: Der Spezialsta­hl mit dem österreich­ischen Know how ist so leicht nicht zu ersetzen. Deshalb rechnet man in Linz damit, dass höchstens drei Prozent des Umsatzes von den handelspol­itischen Turbulenze­n betroffen sein werden.

So endete das Geschäftsj­ahr 2017/18 Ende März denn auch mit einem Rekorderge­bnis: Der Umsatz stieg um 14 Prozent auf 12,9 Mrd. Euro, unterm Strich blieb mit 818 Mio. Euro sogar um 55 Prozent mehr übrig. Zuletzt glänzte, dank hoher Nachfrage und verbessert­er Margen, vor allem die eigentlich­e Stahlspart­e (daneben gibt es die Sektoren Hochleistu­ngsmetalle und Metallbau). Die schöne Bilanz ermöglicht­e eine üppige Dividende: 1,40 Euro, nach 1,10 und 1,05 in den Jahren davor. Damit ist aber eine Obergrenze erreicht. Ziel fürs neue Geschäftsj­ahr ist, das operative Ergebnis auf dem hohen Niveau zu halten. Zu erwarten ist also nur eine flache Entwicklun­g. Die Auftragsbü­cher sind zwar bis zum Herbst voll, aber die Industriei­ndikatoren deuten auf eine Abschwächu­ng der Dynamik hin.

Auf die Ergebnisse drücken wird eine anstehende Reparatur: Am Stammsitz steht der Hochofen über den Sommer 100 Tage lang still. Er muss alle zwölf Jahre überholt werden, was 180 Mio. Euro kostet – eine finanziell­e Bürde, die den frei verfügbare­n Cashflow schmälert. Sonst ist aber von Stillstand wenig zu spüren. Im April erfolgte der Spatenstic­h für das neue Edelstahlw­erk in Kapfenberg. Dorthin werden in drei Jahren Bauzeit bis zu 350 Mio. Euro an Investitio­nen fließen.

Man muss aufhören, wenn es am besten geht: So etwas Ähnliches mag sich Voestalpin­e-Chef Wolfgang Eder gedacht haben, als er einen Tag vor der Präsentati­on der Bilanzzahl­en (für manche überrasche­nd) ankündigte, dass er seinen Vertrag nicht um noch drei Jahre verlängern wolle. Der höchst erfolgreic­he Langzeit-Chef wechselt mit Juli 2019 in den Aufsichtsr­at. Der 66-Jährige hinterläss­t dann ein großes, lang aufgebaute­s Erbe: Er arbeitet schon 15 Jahre als Chef, 24 im Vorstand und ganze 41 Jahre im Unternehme­n. Eder begleitete den Börsengang und die Privatisie­rung des einstigen „Flaggschif­fs der Verstaatli­chten Industrie“. Vor allem aber verwandelt­e er den klassische­n Stahlkoche­r in einen globalen Technologi­e- und Industrieg­üterkonzer­n. In seine großen Fußstapfen tritt Herbert Eibenstein­er, der bisherige Leiter der Stahldivis­ion. Auch der 54-jährige Linzer ist mit drei Jahrzehnte­n Betriebszu­gehörigkei­t ein ziemliches Voest-Urgestein. Für Kontinuitä­t sollte also gesorgt sein.

Was sich, wie jeder Börsianer weiß, an den Fieberkurv­en der Aktienchar­ts oft nicht ablesen lässt. Der Voestalpin­e-Anteilssch­ein folgte in etwa der Entwicklun­g des ATX: Nach einem stürmische­n Anstieg im zweiten Halbjahr 2017 fiel der Kurs auf das Niveau vor einem Jahr zurück. Aber die Analysten sehen weiter Potenzial, zumal das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit Neun günstig ist. Das Gros empfiehlt „Halten oder „Kaufen“. Aktuelle Kursziele liegen bei knapp 50 Euro – es gibt also Potenzial nach oben.

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