Wenn Kunst Gewicht zulegt, mit Ölfässern und Hotdogs
Kunst im öffentlichen Raum hat Saison: Wien bekommt Fake-News-Plakate, London 7506 Ölfässer und New York Hot Dogs von Erwin Wurm.
Aus einem „Fat Bus“lässt Erwin Wurm gratis Würstel verteilen.
Der Sommer ist die Zeit für spektakuläre Kunstprojekte im öffentlichen Raum, und wie immer ist es ein Balanceakt zwischen relevanter Bespaßung und spaßiger Relevanz. In London wurde gerade Christos 20 Meter hohe „Mastaba“enthüllt. Die aus 7506 eigens produzierten Ölfässern aufgestapelte Pyramide ohne Spitze, eine Art mesopotamische Urform, schwimmt im Serpentine Park, glänzt in den britischen Nationalfarben und hinterlässt eine gewisse Ratlosigkeit: Wozu? Um an die einstige britische Herrschaft in Ägypten zu erinnern? An kolonialistischen Raubbau? An Öl als Grundstoff aller (aktuellen) Kriege? Christo will sich zu derlei Spekulationen nicht äußern, tut er nie. Man bleibt allein mit der Form und der zugegeben etwas spießigen Hoffnung – eine derartige Materialschlacht muss doch Sinn haben?
Jedenfalls ist das Londoner SelfieSpektakel sozusagen der 500 Tonnen schwere Testballon für die „Mastaba“, die Christo fix in den Sand von Abu Dhabi setzen möchte. Seit den 70er Jahren hegt er diesen Wunsch, in der Wüste eine ähnliche Mastaba zu errichten, höher als die Gizeh-Pyramiden, nämlich 150 Meter (400.000 Fässer!). Ein Grabmal für diesen Rohstoff? In der Region, die am meisten davon abhängt? Eine neue Sehenswürdigkeit als Kompensation für die schwindenden Reserven? Christo wird uns keine Antworten geben. Dafür kriegt er diesmal, mit Heidi Klum gesprochen, kein Foto von uns.
Was Christos Londoner „Mastaba“mit Erwin Wurms Hot-Dog-Stand verbindet, der zur Zeit in New York Furore macht, ist das Geld. Einer der Geldgeber ist in beiden Fällen die Stiftung „Bloomberg Philanthropies“des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg. So bekommt jetzt jeder, der an den Wochenenden bis 26. August in den Brooklyn Bridge Park geht, ein Würstchen geschenkt, also ein Hot Dog, das aus einem senfgelben, zum Kiosk umgebauten, typisch künstlich aufgeblähten „Fat Bus“Wurms gereicht wird, wie er seit 2016 in den Swarovsky-Kristallwelten steht. Eine Wurst aus der Wurst heraus in diese hinein sozusagen, also Fleisch aus Fleisch zu Fleisch. Es geht dabei um die Idee, Bildhauerei als Hinzufügen oder Wegnehmen von Masse zu verstehen und zu reflektieren, was Kunst wie Menschen gleichermaßen betrifft. (Außerdem geht es um eine angebliche Verbindung zwischen der New Yorker Hot-Dog- Tradition und dem Wiener Würstelstand, obwohl das kompliziert ist, denn das Hotdog kommt ja aus Deutschland und in Wien wird es ins knusprige Baguette gesteckt und nicht ins labrige Laberl. Aber egal.)
Wien hat diesen Kunst-Sommer dafür seinen Helnwein vom Ringturm hängen. Und ab heute seltsam verschwommene Plakate auf den Litfaßsäulen, die wie grob verpixelte Porträts aussehen. Es ist ein Projekt von Peter Baldinger, der sich über „Fake News“Gedanken macht. In den nur erahnbaren Motiven nimmt er bekannte Personen aus unterschiedlichen Zeiten und oft konträr zueinander stehend, etwa Mozart und Kim Kardashian, und verschmilzt sie eben zu einem Art-Fake. Die „Auflösung“zu diesen ist praktischer Weise sofort abrufbar, und zwar unter aufloesung.at.