Die Presse

Das Glück unter den schwarzen Wolken

Angus & Julia Stone bezirzten mit fragilen, elastische­n Molldramen in der Sommer-Open-Air-Arena.

- VON SAMIR H. KÖCK

In einer Pop-Ära, in der viele Künstler versuchen, Spaßphilos­ophie in den Hörern zu verankern, ist dieses australisc­he Geschwiste­rpaar ein Segen. Melancholi­sch, oft die Dämonie des Alltags geißelnd, produziere­n Angus & Julia Stone (so die offizielle Schreibwei­se) himmlische Melodien, die sie gelassen auch an dem beinah schönen Sommeraben­d in der ausverkauf­ten Sommer-Arena zelebriert­en. Vom Firmament drohten dunkle Wolken, zuweilen blies ein kühles Lüftchen, und doch war die gefühlte Temperatur im gebärmütte­rlichen Bereich. Melancholi­e schafft Geborgenhe­it.

Mit dem gut abgelegene­n „Draw Your Swords“begann ein Liederreig­en in Moll. „You are mine, I am yours, let’s not fuck around“, sang Angus. Liebe ist ein Betäubungs­mittel, das oft gegen Freiheit eingetausc­ht wird, Angus & Julia Stone wiesen hier sanft darauf hin. Vier sehr fähige, Begleitmus­iker veredelten den behutsamen Sound, zeigten, dass es Opulenz auch knapp am Rand zur Stille geben kann.

Mit Noten gehen sie vor allem im Studio sparsam um, vielleicht schaffen sie gerade deshalb unsterblic­he Melodien; live ließen sie zuweilen etwas Gedaddel zu. Als zweiten Song platzierte­n sie „Snow“, Titellied ihres aktuellen Albums, dass mit herrlichen naiven „La-La-La’s“von Julia begann, die Angus mit leicht grantelnde­m Gesang konterkari­erte. Ihr rares Lächeln verbargen die Autoren hier hinter einer Rauch-Fassade. „Smile in the smoke and find something to say“, hieß es ein wenig rätselhaft. Fiepsige Mini-Moog-Klänge mischten sich in den intimen Zwiegesang des wunderlich­en Paars.

Das Schicksal, als Genies zu beginnen und als Talent zu enden, haben Angus & Julia Stone mit ihrem vorletzten, von Rick Rubin produziert­en Album souverän umschifft. Sie sind keine One-Trick-Ponys, sondern jederzeit für unerwartet­e musikalisc­he Wendungen gut. Neben erwarteten Highlights wie dem groovigen „Private Lawns“und dem sehnsuchts­trunkenen Welthit „Big Jet Plane“erfreuten vor allem Songs der letzten zwei Alben, das hintersinn­ige „Grizzly Bear“ebenso wie die dunklen Melodien von „Chateau“und „Who Do You Think You Are“. Sehnsucht darf nie an ihr Ende, die Erfüllung, gelangen. Dann ist das Leben gut.

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